Brisantes Urteil zum Heumarkt: Laut Gericht ist UVP doch Pflicht
Der Wiener Anwalt Wolfgang List, der die Beschwerdeführer vertritt, kann laut jubeln. "Den Beschwerden wird stattgegeben. Für das Vorhaben "Hotel InterContinental", "WEV" und "Heumarktgebäude" im 3. Wiener Gemeindebezirk ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren nach dem UVP-G 2000 durchzuführen", stellt das Bundesverwaltungsgericht fest. Gegen das Urteil ist aber eine Revision zulässig. Die 31 Seiten starke Entscheidung zum Heumarktprojekt der Firma Wertinvest von Michael Tojner liegt dem KURIER vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat eine sogenannte Einzelfallprüfung durchgeführt und kommt dabei zum Schluss: "Das Vorhaben wird aufgrund seiner Masse und Bauhöhe eine wesentliche Störung der historischen Skyline, die von der UNESCO als grundlegend für den außergewöhnlichen Wert genannt wurde, bewirken, wobei dies auch zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Authentizität und Integrität der Welterbestätte führt und damit den Ernennungskriterien für deren Ernennung widerspricht", heißt es im Urteil auf Seite 29. "Es ist somit zu erwarten, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet "UNESCO-Welterbestätte Historisches Zentrum von Wien" festgelegt wurde, erheblich beeinträchtigt wird."
Gemäß UVP-Gesetz ist für das Vorhaben "Hotel InterContinental", "Wiener Eislaufverein WEV" und "Heumarktgebäude" eine Umweltverträglichkeitsprüfunmg durchzuführen."
Das Heumarkt-Projekt
Laut Bundesverwaltungsgericht soll das zukünftige Hotel InterContinental eine Höhe von 49,2 Meter über der mittleren Höhe, der Wohnturm 68,2 Meter über der mittleren Höhe, umfassen. Damit werden diese Gebäude wesentlich höher als das bestehende Hotel InterContinental, das eine Höhe von ca. 46 Meter aufweist. Die Tiefgarage, die derzeit über 177 genehmigte öffentliche Stellplätze verfügt, soll insgesamt 335 Stellplätze umfassen, von denen 65 dem Hotel, 158 den Bewohnern und Büronutzern des Vorhabens zugeordnet werden und 112 Stellplätze frei zugänglich sein sollen. Den Shop-Flächen, der Eishockey-Halle sowie der Turnhalle werden keine Stellplätze zugeordnet. Die Zu- und Abfahrt zur Tiefgarage bleibt unverändert. Die oberirdische Gesamtkubatur wird 209.001 Kubimeter betragen. Dazu muss man wissen, dass die bestehende Kubatur nur 117.000 Kubimeter aufweist.
Die B1 Lothringerstraße wird auf einer Länge von max. 285 Meter zwischen Lisztstraße und Johannesgasse durch Verbreiterung des Gehsteigs um ca. 11 Meter in Richtung Beethovenplatz verschoben, wobei keine Verbreiterung der Straße geplant ist.Das Vorhaben liegt in der Kernzone der UNESCO-Welterbestätte "Historisches Zentrum von Wien".
Für das Vorhaben wurde am 30.November 2018 beim Magistrat der Stadt Wien eine Baubewilligung beantragt.
Relevanz der UNESCO
Laut Gericht widerspricht das Projekt der Unesco-Vorgabe: Der Turm des Projektes wurde in seiner derzeit geplanten Höhe bereits im Rahmen der UNESCO-Entscheidungen stark kritisiert und führte unmittelbar dazu, dass das Weltkulturerbe "Wien – Innere Stadt" im Jahr 2017 auf die sogenannte "Rote Liste" gesetzt wurde. Dies ist nicht nur auf die Höhe, sondern auch auf die Massigkeit des geplanten Turms zurückzuführen. Diese Kubatur ist größer als jene des Ringturms, sie entspricht fast dem Doppelten des Media Towers. Die "Scheibenfläche" (Ansichtsfläche von der Johannesgasse) wird zwischen Bestand und geplanter Hotelscheibe wesentlich vergrößert. Die optische Auswirkung wird durch das Näherrücken der Scheibe an den Stadtpark und die Erhöhung gegenüber dem aus dem Straßenraum optisch wirksamen Bestand weiter verstärkt.
Kritisierte Berechnungen
Das Gericht räumt zwar ein, dass die Berechnungen zum Ausmaß des Projekts des vom Gericht bestellten Sachverständigen von den Wertinvest-Anwälten in der mündlichen Verhandlung heftig kritisiert wurden, aber "die vom Sachverständigen ermittelten Kennzahlen von Bauvolumen und Scheibenfläche des Projektes gegenüber dem Bestand lassen jedoch eindeutige Größenordnungen erkennen, die es ermöglichen, eine Entscheidung im Rahmen der gebotenen Grobprüfung zu treffen".
Und weiter heißt es: "Für das Gericht ist nachvollziehbar, dass für die massige Wirkung nach außen nicht entscheidend ist, wieviel der zur Verfügung stehenden Grundfläche verbaut ist, sondern wie die Verbauung nach außen wirkt. Aus diesem Grund ist auch ein Vergleich mit benachbarten Bauten des Ringstraßenensembles, die eine auf das zur Verfügung stehende Grundstück wesentlich höhere Baumassenzahl aufweisen, nicht zielführend, da sich diese Bauten aufgrund ihrer mehr oder minder einheitlichen Gesimshöhe in ein bestehendes Ensemble harmonisch einfügen."
UVP wegen erheblicher Auswirkungen
Und weiter heißt es vom Bundesverwaltunsgericht: "Die Neuerrichtung oder Änderung mittelgroßer oder kleiner Vorhaben in UNESCO Schutzgebieten, die erhebliche Auswirkungen auf diese haben können, wird allein aufgrund derartiger Auswirkungen keiner UVP-Pflicht unterzogen werden können. Eine UVP-Pflicht kommt in diesen Fällen in städtischen Gebieten im Wesentlichen nur in Frage, wenn Parkplätze oder Zufahrtsstraßen errichtet werden und dadurch erhebliche Auswirkungen auf das Schutzgebiet zu erwarten sind."
Aus diesem Grund hat laut BVwG "Österreich die UVP-Richtlinie für Städtebauprojekte unzureichend umgesetzt und es haben die Schwellenwerte und Kriterien, die eine Prüfung mittelgroßer und kleiner Städtebauvorhaben auf ihre Auswirkungen auf schutzwürdige Gebiete der Kategorie A des Anhanges 2 dieses Gesetzes verhindern, im konkreten Fall unangewendet zu bleiben".
Somit sei es bei Vorhaben, "die unter den Begriff des Städtebauprojekts nach der UVP-Richtlinie fallen und die sich in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A befinden, nicht erheblich, ob sie 15 Hektar Flächeninanspruchnahme oder 150.000 ha Bruttogeschoßfläche aufweisen, und ob es sich um Erschließungsvorhaben zur gesamthaften multifunktionalen Bebauung, jedenfalls mit Wohn- und Geschäftsbauten einschließlich der hierfür vorgesehenen Erschließungsstraßen und Versorgungseinrichtungen mit einem über das Gebiet des Vorhabens hinaus reichenden Einzugsbereich handelt."
Ergebnis der Einzelfall-Prüfung
Das Gericht kommt in seinem Urteil zu folgenden Schluss: Das Vorhaben wird aufgrund seiner Masse und Bauhöhe eine wesentliche Störung der historischen Skyline, die von der UNESCO als grundlegend für den außergewöhnlichen Wert genannt wurde, bewirken, wobei dies auch zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Authentizität und Integrität der Welterbestätte führt und damit den Ernennungskriterien für deren Ernennung widerspricht.
Es ist somit zu erwarten, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet "UNESCO-Welterbestätte Historisches Zentrum von Wien“ festgelegt wurde, erheblich beeinträchtigt wird. Gemäß § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 (...) und Anhang III der UVP-Richtlinie 2011/92/EU i.d.F. der Richtlinie 2014/52/EU ist für das Vorhaben "Hotel InterContinental", "WEV" und "Heumarktgebäude" eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.
Tojners Wertinvest kontert
Zum aktuellen Erkenntnis des BVwG bezüglich einer UVP-Pflicht des neuen Hotel InterContinental und Eislaufverein sagt Wertinvest-Projektleiterin Daniela Enzi: „Das Erkenntnis basiert auf einer für uns nicht nachvollziehbaren Auslegung der geltenden Rechtsnormen. Der zuständige Richter hat ein rechtswidriges Verfahren durchgeführt. Dies untermauern zwei Rechtsgutachten auf klare und unmissverständliche Weise.“
So haben Peter Bußjäger, Verwaltungsexperte der Universität Innsbruck, und Wolfgang Wessely, Universität Wien in zwei Gutachten festgestellt, dass zum einen das Projekt keiner UVP zu unterziehen ist und dass zum anderen vom BVwG ein rechtswidriges Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde. Enzi: „Wir werden jetzt direkt VfGH und VwGH anrufen, um so zu einer abschließenden Klärung der Rechtslage zu kommen. Wir vertrauen in die österreichischen Höchstgerichte, da die Vorgangsweise des BVwG der letzten Monate nicht nur für unser Projekt, sondern für hunderte Projektwerber in Österreich höchste Rechtsunsicherheit mit sich bringt.“
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