Die neue (Un-)Ordnung am Wiener Donaukanal
Der Donaukanal ist ein bisschen widerspenstig. Das wussten jene Flussbauer, die sich ab dem 14. Jahrhundert bemühten, den damals Wiener Arm genannten Strom in geordnete Bahnen zu lenken.
Und das weiß auch Stadträtin Ulli Sima (SPÖ), die in den vergangenen Jahren das Ziel verfolgt hat, das Ufer aufzuräumen.
Was die Bespielung mit Gastro-, Kultur- und Freizeitangeboten betrifft, hat sie diesen Vorsatz – soviel sei vorweg verraten – in der diesjährigen Saison fast erreicht.
Gleichzeitig wird die Pandemie auch heuer wieder die wilde, von offizieller Seite eher ungewollte Seite des Donaukanals befördern.
Den vorerst letzten Schritt ihrer Aufräumaktion hat Ulli Sima am Montag mit dem türkisen Staatssekretär Magnus Brunner vorgestellt: Nun wurden auch jene drei Uferflächen vergeben, die vergangenen Sommer ausgeschrieben worden waren – der KURIER berichtete.
Kunst zum Frühstück
Auf der Fläche flussabwärts der Salztorbrücke aufseiten des 2. Bezirks entsteht unter dem Namen Muse eine Kombination aus einer öffentlich zugänglichen Kunstgalerie im Freien und einem Lokal.
Gezeigt werden Werke von jungen Künstlern, mit dem Smartphone kann eine animierte Version davon aufgerufen werden. Der gastronomische Fokus liegt auf Frühstück und Barbetrieb.
Zwei Werkstätten
Schräg gegenüber, aufseiten des 1. Bezirks, wird Urban Tribes – eine Fahrradwerkstatt samt Bistro – eröffnen. Dort soll sich die Rad-Community treffen.
Wer um 10 Euro ein Monatsabo abschließt, der kann zudem unter Anleitung von professionellen Mechanikern sein Rad reparieren. Serviert werden Snacks und Getränke.
Eine Brücke weiter flussabwärts, beim Badeschiff, wird die Werkstatt aufsperren. Diese hat nichts mit Reparieren im engeren Sinne zu tun, sondern verspricht „Erholung für Körper, Geist und Seele“.
Das soll mit bodenständiger Küche (zum Beispiel Spareribs, Schinkenfleckerln, Eiernockerln) und einer Fläche mit multifunktionalen Skulpturen gelingen.
Die Skulpturen sind so geformt, dass Skater sie als Rampen nutzen können und man auch auf ihnen sitzen kann – einfach so, oder um eines der geplanten Live-Konzerte anzuhören.
Starttermin offen
Die drei Konzepte sind heuer allerdings nicht die einzigen Neulinge am Kanal: Nachdem der Rechtsstreit mit Vorpächter Gerold Ecker beendet ist, können nun auch die Lokale Taste (ein Food-Market auf der ehemaligen Adria-Fläche) und Fräuleins fabelhafter Sommergarten (ein urbaner Grillplatz auf der Fläche vor dem Badeschiff) in Betrieb gehen.
Eröffnungstermine gibt es noch nicht. Das liegt einerseits an der Unklarheit darüber, wann die Gastronomie aus dem Lockdown entlassen wird. Und hat andererseits damit zu tun, dass sämtliche Neuzugänge ihre Lokale erst aufbauen müssen.
In Betrieb gehen werden sie voraussichtlich ab dem Sommer, heißt es.
Eine Fläche verfügbar
So viele zusätzliche Lokale auf einmal wird der Donaukanal nicht so bald wieder bekommen. Denn fast alle, zumindest teilweise kommerziell nutzbaren Flächen, sind nun vorgeben.
Ausschreibungen seien demnächst keine geplant, sagt Sima. Aber: „Wir haben noch eine Fläche im Auge.“
Laut Martin Jank, Chef des Wiener Gewässermanagements, handelt sich dabei um einen Uferabschnitt bei der Fischerstiege. Wegen eines Rechtsstreits sei aber unsicher, wann er vergeben werden kann.
Dazu kommt: Bei der Bespielung der Flächen muss auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen kommerziell genutzten und frei zugänglichen Flächen geachtet werden. So sieht es das Nutzungskonzept der Stadt für den Donaukanal vor.
Genug freie Flächen?
Diese Konzepte sind auch der Grund, warum die nun vergebenen Flächen keine reinen Lokale werden. Zwei dieser Abschnitte sind nämlich zumindest teilweise für Erholung ohne Konsumzwang reserviert.
„Konsumfrei heißt aber nicht, dass da nur eine Wiese sein muss – sondern dass diese auch mit Gastronomie verbunden sein kann“, sagt Sima dazu.
Genau solche freien Wiesen und andere unbespielte Flächen haben den Donaukanal im Vorjahr zu einem beliebten Treffpunkt zum Beisammensitzen und mitunter wilden Feiern gemacht. Was angesichts der geschlossenen Clubs drinnen unmöglich war, verlagerte sich ins Freie.
Die unangenehmen Folgen: Müllberge, Wildpinkler und fehlende Mindestabstände – sowie eine Debatte mit erhobenem Zeigefinger über das Verhalten der meist jugendlichen Kanalbesucher.
Zusätzliche Toiletten
Diese Unordnung will man dieses Jahr offenbar etwas besser in den Griff bekommen. Als ersten Schritt lässt der Leopoldstädter Bezirkschef Alexander Nikolai (SPÖ) bei der Schwedenbrücke, bei der Salztorbrücke und beim Schützenhaus in den kommenden Wochen mobile WC-Anlagen aufstellen.
Zusätzlich werde die Zahl der Mistkübel verdoppelt, sagt er im Gespräch mit dem KURIER. Und er hoffe, dass in einem nächsten Schritt die Gastronomen dabei helfen werden, „aufzupassen“ – und sämtliche Kanal-Besucher auf die Vorschriften hinweisen.
„Es geht nicht darum, jemanden zu maßregeln. Aber wir müssen mehr miteinander reden“, so Nikolai.
Kontrollen geplant
Offiziell sind Kontrollen Sache der Polizei. Unterstützt wird sie dabei oft von der Gruppe Sofortmaßnahmen der Stadt. „Es wird sicher wieder Schwerpunktkontrollen geben“, heißt es auf Anfrage aus dem Rathaus.
Abstimmungen dazu seien noch ausständig. Zu rechnen sei aber mit einer „hohen Präsenz in alle Richtungen“, sagt ein Sprecher.
Bis das Wasser im Donaukanal gezähmt war, hat es übrigens fünf Jahrhunderte gedauert. Dass dieser Zustand je am Ufer eintritt, bleibt zu bezweifeln.
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