Verkehrsstadträtin Ulli Sima: "Ich will niemanden sekkieren"
16 Jahre lang war Ulli Sima SPÖ-Stadträtin für Umwelt, Öffis und Tierschutz. Nun übernimmt sie – übrigens das längstdienende Mitglied der neuen rot-pinken Stadtregierung – die Verkehrsagenden der ehemaligen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein.
KURIER: Sie sind – salopp formuliert – die neue Birgit Hebein. Was können Sie sich denn von ihr abschauen?
Ulli Sima: Abschauen?
Ja, abschauen.
Vielleicht eine gewisse Hartnäckigkeit. Aber ich habe eigentlich vor, diesen Bereich, in dem so viele Wunden aufgerissen wurden und in dem es so viel Streit und Unfrieden gegeben hat, versöhnlicher anzugehen. Ich will die Bezirke stark einbinden und die Bevölkerung mitnehmen.
Das hat Hebein verabsäumt?
Wir wussten bei vielen Klimathemen, dass ihre Umsetzung schwierig wird, weil das einer Änderung des Lebenswandels bedarf. Es hilft aber nichts, wenn man große Teile der Bevölkerung gegen sich aufbringt.
Sie wurden als Speerspitze gegen die Grünen positioniert. Wie wollen Sie grün-affine Wiener ansprechen, die enttäuscht sind über das Ende der rot-grünen Koalition?
Das wird einerseits über das Klimaschutzressort von Jürgen Czernohorszky passieren. Andererseits über mein Innovationsressort mit der Neugestaltung des öffentlichen Raums. Bei der Gestaltung von Plätzen und Straßen möchten wir ein völlig neues Kapitel aufschlagen. So, wie wir in den vergangenen Jahren gebaut haben, ist das nicht zukunftsfähig. Es muss grüner werden und weniger versiegelt. Wir brauchen mehr Wasser, mehr Nebelduschen, wir wollen Fassadenbegrünung, mehr Dachbegrünung, mehr Grünräume. Der Klimawandel kommt. Darauf müssen wir uns einstellen.
Können Sie garantieren, dass es mit Pop-up-Verkehrsmaßnahmen wie den temporären Radwegen vorbei ist?
Ja. Mir ist wichtig, dass der Verkehr auf den Hauptstraßen flüssig läuft. In den Nebenfahrbahnen soll Verkehrsberuhigung stattfinden und Lebensraum geschaffen werden. Ich will niemanden sekkieren. Das gilt auch für die Radfahrer, auch die haben ein Recht auf flüssige Verkehrswege. Ich werde da alle Bezirke einbinden.
Der einflussreiche grüne Bezirksvorsteher Markus Reiter rühmt sich, dass sein 7. Bezirk ein Vorzeigebezirk in der Stadtplanung sei. Sehen Sie das auch so?
Nein, mir ist das noch immer zu wenig Grün. Man hat es versucht. Es ist besser, als es vorher war, aber ich hätte gerne noch mehr. Für gute Projekte bin ich aber immer offen. Wir haben alleine im Zuge des Baus der U2/U5 mit den Wiener Linien ein 13-Millionen-Euro-Projekt zur Aufwertung der Neubaugasse finanziert.
Im Programm ist von „Klimastraßen“ die Rede. Sind das die von Hebein geplanten coolen Straßen? Oder was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Das steht da als Platzhalter. Genaue Konzepte kann ich an Tag drei im Amt noch nicht liefern. Wie das Kind zum Schluss heißt, ist auch egal. Ziel ist, dass es mehr Grünraum gibt und weniger versiegelte Flächen. Größere Plätze, die Betonwüsten sind, sollen umgestaltet werden.
Der Schwarzenbergplatz ist so ein Platz. Würden Sie den aufreißen?
Ein bisschen Straßen und Gleise werden wir brauchen, aber natürlich: Ich möchte, dass wir uns Sachen trauen, die wir uns bisher nicht getraut haben. Es gibt tausend Normen und Vorschriften, die gute Projekte erschweren. Probieren werde ich es trotzdem, wir müssen raus aus dem Asphalt.
Sollen in Wien in fünf Jahren weniger private Autos unterwegs sein als jetzt? Ist das die Mobilität der Zukunft?
Ja, aber ich möchte keinen Zwang. Mein Ansatz ist, den Autobesitz mit einem attraktiven Angebot überflüssig zu machen, weil es so ein großes Mobilitätsangebot gibt, dass ich selbst kein Auto brauche, das ohnehin 99 Prozent der Zeit auf einem Parkplatz steht. Ich will eine Zukunftsvision skizzieren, in der man Öffis beschleunigt und keinesfalls behindert. Daher geht Tempo 30 auf Busspuren nicht.
Wie soll der Verzicht aufs Auto funktionieren?
Über die Wien-Mobil-App soll man sich im gesamten Stadtgebiet ein Taxi, einen Roller, ein Auto bestellen können. Das bringt mich auf der letzten Meile nach Hause. Werden Sie einen Pool auf den Gürtel stellen? Nein, wir haben schöne Bäder und die Alte Donau.
Wie geht es mit der Verkehrsberuhigung in der Inneren Stadt weiter?
Da hat man mir einen Gordischen Knoten hinterlassen. Hebeins Verordnung, die jetzt auf meinem Tisch liegt, ist verfassungswidrig und die Polizei sagt, sie könne sie nicht kontrollieren. Es tut mir leid, wenn ich die Überbringerin der schlechten Nachricht bin, aber da heißt es: Zurück zum Start!
Aber kommt die Verkehrsberuhigung in den nächsten fünf Jahren?
Ja, eine Art der Beruhigung wird kommen. Ich bin für starke Einbeziehung aller Beteiligten, wir werden das mit dem Bezirk erarbeiten, er muss federführend tätig sein.
Bei unserem letzten Interview vor der Wahl haben Sie gesagt: Sie haben Ihr Ressort „schon sehr lieb“. Wie groß ist der Trennungsschmerz?
Ich wusste, dass diese Frage kommt. Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge. Ich habe mein altes Ressort 16 Jahre lang geführt. Da wäre es heuchlerisch zu behaupten, dass ich angesichts des Wechsels von Beginn an euphorisch war. Aber jetzt freue ich mich auf die neuen Herausforderungen.
Wurde Ihnen das neue Ressort angeboten oder aufgetragen?
Der Bürgermeister hat mich ersucht. Und ich habe gleich zugesagt.
Wird Ihnen Birgit Hebein im Rathaus fehlen?
Ja, ein bisschen.
Waren Sie von der Demontage Hebeins überrascht?
Ja. Vor allem von der Art und Weise.
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