Die KURIER-Bezirksumfrage: Was die Wiener bewegt
Ist Wien grün genug? Braucht es mehr Polizeipräsenz in der Stadt? Wie ist es derzeit um die S-Bahn-Anbindung bestellt? Und was sagen die Wienerinnen und Wiener zu Abrissen historischer Gebäude?
Diesen Fragen (und einigen mehr) ging der KURIER in der großen Bezirksumfrage nach. Im Oktober fiel der Startschuss, bis Ende November konnten die Wienerinnen und Wiener mitmachen – per Brief oder online.
Mehr als 17.000 Menschen nahmen an der Umfrage teil und ließen uns wissen, was ihnen in ihrem Bezirk am wichtigsten ist. Jetzt liegen dem KURIER die Antworten vor. Fünf Themen scheinen die Wienerinnen und Wiener ganz besonders zu bewegen: Sicherheit, Grünraum, Öffis, Tourismus und das Stadtbild. Hier waren die Ergebnisse besonders aussagekräftig.
S-Bahn-Ausbau gefragt
Wer hätte etwa gedacht, dass 89 Prozent der Befragten der Schutz des historischen Stadtbilds „sehr wichtig“ ist? Der Abriss von Gründerzeithäusern wie jenem an der Ecke Radetzkystraße/Weißgerberlände dürfte wohl zu dem starken Ergebnis beigetragen haben.
Auch das Thema Sicherheit tangiert die Bürgerinnen und Bürger stark. 70 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen mehr Präsenz der Polizei wichtig wäre. Da dürfte ihnen der jüngste Vorstoß von Bürgermeister Michael Ludwig im KURIER – 1.200 Polizisten mehr nach Wien zu holen – ganz gelegen kommen.
Verkehr ist in Wien immer ein Aufreger-Thema, egal ob Radfahrer, Autofahrer oder Öffi-Nutzer betroffen sind. Dass sich aber 70 Prozent der Befragten für den Ausbau der S-Bahn bzw. für einen S-Bahn-Ring um Wien aussprechen, hat allerdings Signalwirkung.
Wer, wann und wo?
Morgen, Mittwoch, am 29. Jänner, diskutiert Bürgermeister Michael Ludwig mit KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon die Ergebnisse der großen KURIER-Bezirksumfrage im Raiffeisen-Forum. Beginn: 18.30 Uhr.
Anmeldung
Der Eintritt ist frei, Anmeldung aber erforderlich: +43 (0)5 9030-600 oder hier.
Übrigens: Eindeutig uneindeutig war das Ergebnis zum Thema Lärm in der Stadt. In der Inneren Stadt sehnt man sich nach Ruhe, in Neubau so gar nicht. In den kommenden Wochen wird sich der KURIER allen Bezirksthemen im Detail annehmen.
Der Ruf nach mehr Polizisten
4.300 zusätzliche Polizisten in den kommenden fünf Jahren: Das war Mitte Jänner eines der ersten Vorhaben, das die türkis-grüne Bundesregierung auf den Weg gebracht hat.
Auf die Ankündigung folgten prompt die ersten Forderungen: Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) reklamierte mehr als ein Viertel der Stellen für Wien – und kam damit einem zentralen Anliegen der Wiener nach.
Immerhin geben in der KURIER-Bezirksumfrage 70 Prozent der Teilnehmer an, dass ihnen mehr Polizeipräsenz „sehr wichtig“ wäre.
Insbesondere für den sozialen Brennpunkt Praterstern werden immer wieder mehr Beamte gefordert. Um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen, verhängte Ludwig im April 2018 ein Alkoholverbot. Eine umstrittene Maßnahme – die jüngst wieder für Aufregung sorgte: Denn es wurde der Vorwurf laut, dass die Stadt die Evaluierung des Verbots manipuliert haben soll.
In der KURIER-Umfrage kommt es jedenfalls positiv an: 60 Prozent der Befragten wünschen sich eine Ausdehnung auf andere Plätze.
Die Sehnsucht nach mehr Grün im Grau
Wien hat einen Gesamtgrünanteil von 53 Prozent. Ein Wert, mit dem sich die Stadtpolitik gerne rühmt, weil er im Vergleich zu anderen Städten hoch ist. Und doch steigt der Druck, mehr Bäume zu pflanzen und Parks anzulegen.
Der Grund: Das Grün ist ungleich verteilt. Das, was Wien den hohen Grünraum-Anteil beschert, ist sein „Grüngürtel“, also der Wald am Stadtrand. In der Innenstadt gibt es zwar große städtische Parks wie den Stadtpark oder den Prater.
Aber eben auch viele Beserlparks, die im Wesentlichen aus Bänken bestehen, nicht aber aus Wiesen. Und das spiegelt sich in der KURIER-Bezirksumfrage wieder: Eine klare Mehrheit von 78 Prozent der befragten Innenstadt-Bewohner bezeichnet mehr Grünanlagen als „sehr wichtig“.
Projekte wie „Coole Straßen“ mit Rollrasen und Nebelduschen können helfen, diesem Bedürfnis nachzukommen. Letztlich brauche es aber auch unpopuläre Maßnahmen, sagen Experten: zum Beispiel Grün auf Kosten der Straße.
Das Bedürfnis, schnell an den Stadtrand zu kommen
Seit Mitte Dezember fährt die Schnellbahn in Wien auf der Stammstrecke und auf der Vorortelinie auch in der Nacht. Bedarf nach mehr flotten Verbindungen durch die Stadt gibt es aber generell: 70 Prozent der Befragten wäre ein Ausbau der S-Bahn oder der Bau eines S-Bahn-Rings um Wien „sehr wichtig“, ergab die KURIER-Bezirksumfrage.
Erste Schritte, um diesen Wunsch zu verwirklichen, wurden bereits gesetzt: So haben die ÖBB und die Stadt Wien zuletzt etwa den viergleisigen Ausbau der Südstrecke von Meidling bis Mödling angekündigt. Das attraktivere Angebot soll die Menschen zum Umstieg auf die Öffis motivieren, hieß es.
Ein ähnlich großes Bedürfnis ist die Verlängerung der U-Bahn an den Stadtrand: Insgesamt sind 69 Prozent der Befragten für einen weiteren Ausbau bis an die Landesgrenze. Am wichtigsten wäre das den Teilnehmern aus dem schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossenem Liesing: 73 Prozent sind dafür.
Das gespaltene Verhältnis zu den Touristen
Gehört Wien noch den Wienern? Wie viele Besucher verträgt die Stadt? Sind es vielleicht schon genug? Letztere Frage beantwortet mittlerweile sogar der Wien Tourismus mit ja. Freilich nicht in diesem Wortlaut. Aber seine neue Tourismusstrategie läuft darauf hinaus. So werden seit dem Vorjahr keine Nächtigungsziele mehr ausgegeben.
Auf dem Radar hat man nicht alleine das Wohlbefinden der Urlauber – sondern auch jenes der Einheimischen. Das soll die negativen Effekte des Fremdenverkehrs eindämmen. Und das ist in manchen Gegenden Wiens dringend nötig – wie die KURIER-Bezirksumfrage zeigt.
Im 1. Bezirk etwa wäre für 65 Prozent der Befragten eine Begrenzung der Touristenströme „sehr wichtig“. Insgesamt ist die Meinung der Bewohner der zentral gelegenen Bezirke zu den Besuchern gespalten: 42 Prozent der Befragten plädieren für eine Begrenzung der Touristenströme; 47 Prozent ist dieses Thema nicht wichtig.
Ein großes Herz für das Stadtbild
Das ehemalige Gasthaus Sperl auf der Wieden. Die verfallenen historischen Kliniken am AKH-Gelände im 9. Bezirk. Das Abbruchhaus in der Radetzkystraße in Wien-Landstraße. Es sind Beispiele bedrohter historischer Bauten wie diese, die regelmäßig die Wogen hochgehen lassen.
Kein Wunder: Geht es um den Schutz des historischen Stadtbildes, ist das Ergebnis der KURIER-Bezirksumfrage eindeutig wie bei kaum einem anderen Thema. Satten 89 Prozent der Befragten wäre „sehr wichtig“, dass das historische Ortsbild besser geschützt wird.
Um das zu erreichen, hat die Stadt Wien vor eineinhalb Jahren den Abriss von Gründerzeithäusern deutlich erschwert – mit einer Novelle der Bauordnung. Denkmalschützern geht das nicht weit genug.
Um mehr Eigentümer zur Erhaltung ihrer Gründerzeithäuser zu motivieren, wären Anreize wirksamer als Verbote, sagen sie. Ein Weg wäre steuerliche Motivationen, wie eine Absetzbarkeit, anzubieten.
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