Der Wiener Mietwagen-Wildwuchs: Wie Uber die Taxis verdrängt
Einen "explosionsartigen Anstieg" der Zahl der Mietwagen und die Herausbildung einer "ungesunden Subkultur" durch Fahrtenanbieter wie Uber: Das ortet Branchenkenner Werner Jansky in einem bisher unveröffentlichten Gutachten, das dem KURIER vorliegt.
Er ist in Österreich der einzige gerichtlich beeidete Sachverständige für den Bereich Taxi und Mietwagen – und arbeitet selbst auch als Taxifahrer. Nun hat er die Wiener Branche durchleuchtet.
Das ist ein heikles Unterfangen: Denn die Taxiunternehmen und die neuen Fahrtenvermittler (die ihre Dienste ausschließlich per App am Smartphone anbieten) führen einen erbitterten Kampf. Um Kunden. Und damit ums Geld.
Der Kern des Streits: Taxifahrer müssen sich an den behördlich festgelegten Taxitarif halten. Sie können also nicht beliebig viel – oder wenig – verlangen. Das soll Kunden vor Wucher- und die Betriebe vor Dumpingpreisen schützen. Für Uber und Co gilt diese Regelung (noch) nicht.
Sie nutzen eine rechtliche Grauzone: Salopp gesagt bieten sie Taxidienste an, arbeiten aber mit Mietwagenfahrern – und können den Preis selbst festsetzen.
In diesem Schlupfloch wittern viele ihre Chance aufs Geschäft, zeigt Janskys Gutachten: Vom Jahr 2012 bis zum Jahr 2019 ist die Zahl der Mietwagen in Wien um satte 232 Prozent gestiegen – auf 3.867 Fahrzeuge.
"Die Zahl der Mietwagen ist am Rande Wiens stark gestiegen – zum Beispiel in Mödling und Gänserndorf. Dort gibt es aber die Nachfrage nicht, die fahren vor allem in Wien."
Dafür verantwortlich sei nicht ein plötzlicher Boom am "traditionellen Mietwagenmarkt" – etwa bei Limousinenservices. "Angestoßen wurde diese Entwicklung durch die neuen Vermittlungsplattformen."
Diese Zahlen beihalten auch 911 Mietwagen mit nö. Kennzeichen. Der Grund: Taxis gab es im Vorjahr 4.817. Das sind lediglich 3,9 Prozent mehr als im Jahr 2012.
Insgesamt waren im Vorjahr 8.684 Taxis und Mietwagen in Wien unterwegs. Das sind rund 50 Prozent mehr innerhalb von sieben Jahren. Die Nachfrage ist aber annähernd gleich geblieben. Mehr Anbieter streiten also um in etwa die gleiche Zahl an Kunden.
Umsatz-GAU für Taxis
Dabei steigen vor allem die Taxler schlecht aus. Die Praxis der Fahrtenanbieter, "mittels Mietwagen mit Preisdumping Taxigeschäfte zu betreiben, ist für die Taxibranche ein Umsatz-GAU", schreibt Jansky.
232 Prozent mehr Mietwagen gab es im Vorjahr in Wien gegenüber 2012. In diesen sieben Jahren ist ihre Anzahl von 1.164 auf 3.867 gestiegen.
3,9 Prozent beträgt der Zuwachs der Taxis in diesem Zeitraum. 2012 gab 4.636 Fahrzeuge, 2019 waren es 4.817.
8.684 Taxis und Mietwagen wurden im Vorjahr in Wien gezählt.
2.755 Mietwagen gehörten 2019 zu Betrieben mit mehreren Autos. Das trifft auch auf 3.496 Taxis zu.
6.218 Lenker von Taxis und Mietwagen waren 2019 bei der Krankenkassa gemeldet. 3.410 als Vollversicherte und 2.808 als geringfügig Beschäftigte.
Leidtragende dieses starken Wettbewerbs sind dem Gutachten zufolge die Lenker – und zwar vorwiegend jene, die für die Plattformen fahren.
Zu diesem Schluss kommt Jansky so: Er hat für das Vorjahr die Zahl der Taxis und Mietwagen berechnet, die nicht von selbstständigen Einzelunternehmern gefahren werden, sondern zu Betrieben mit mehreren Wagen und angestellten Fahrern gehören. Er kam auf 6.251 derartige Autos.
Allerdings: Bei der Wiener Gebietskrankenkasse waren nur 6.218 Fahrer gemeldet. Das heißt: Für 33 Fahrzeuge gibt es keinen Fahrer – zumindest auf dem Papier. "Ich glaube kaum, dass ein Unternehmer Autos kauft und sie dann in der Garage stehen lässt", sagt Jansky. Seine Annahme: Die "fehlenden" Lenker fahren "schwarz".
Uber kontert
Und der Gutachter hat eine weitere Vermutung: Könnte man die Beschäftigten den Taxis und Mietwagen zuordnen, würde sich besonders im Mietwagensektor ein Fahrermangel zeigen. Anders gesagt: Jansky nimmt an, dass vor allem die Mietwagenlenker unangemeldet arbeiten:
Von der Finanzpolizei heißt es, dass es nur wenige Schwarzarbeiter in der gesamten Branche gebe. Aber: "Insbesondere bei Fahrern von digitalen Anbietern stimmen die Arbeitszeitaufzeichnungen oftmals nicht."
Uber betont, die Fahrer nicht selbst anzustellen, sondern nur Aufträge an Mietwagenunternehmen zu vermitteln: "Die Einhaltung und Kontrolle der gesetzlichen Vorschriften liegt bei unseren Partnern".
Wiens Taxifahrer hoffen auf die "Gelegenheitsverkehrsgesetznovelle"
Neue Spielregeln
Eine Entspannung der Situation erwartet Jansky von der Novelle des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, die im Herbst in Kraft tritt. Taxi- und Mietwagenfahrer sind dann gleichgestellt: Beide müssen den Taxitarif verrechnen und benötigen einen Taxischein. "Das wird die Menge der Mietwagen reduzieren", sagt Jansky.
Davon abgesehen müsse die Stadt Wien den Taxitarif dringend anheben. Anders sei es für einen Lenkerbetrieb nicht möglich, bei einer „korrekten Betriebsführung“ Gewinn zu erwirtschaften.
Im Rathaus denkt man derzeit über eine große Tarifreform nach. Im Gespräch ist ein flexibler Grundtarif, aber weiterhin ein fixer Streckentarif. Eine Studie dazu ist noch in Arbeit.
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