„I hab an alten Daimler,
die Kraxn steht am Grabn.
A so a Taxi-Auto werdn s’
no ned gsehgn no habm.
Die Ledersitz san z’rissen,
die Federn stehn in d’Höh.
Am Vurdern kannst net sitzn,
am Hintern tuats da weh.“
Es war wohl zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Schlagertexter und Schriftsteller Fritz Löhner-Beda die Fiaker-Hymne „I führ’ zwa harbe Rappen“ zu einer Art Standeslied auf das rasch erstarkende Taxi-Gewerbe umdichtete.
Der Wiener Fiaker – damals noch keine reine Touristenattraktion – war (und ist) eine Institution. Der echte Wiener Taxler ist es auch. Und er hat sich den Streit, wie er heute zwischen Taxi-Funkzentralen und dem Fahrtendienst Uber geführt wird, nicht verdient.
Denn der echte Wiener Taxler ist mehr als ein Fahrer, der Adressen ahnungs- und lieblos ins Navi tippt. Er kennt Schleichwege durch den Morgenverkehr, wenn der Fahrgast wieder einmal zu spät dran ist. Er erzählt Anekdoten, ist aber nie (zu) indiskret. Und er lässt den allzu heiteren Gast zu später Stunde aus dem Seitenfenster rauchen, auch wenn das eigentlich verboten ist.
Heute ist das Taxi mit seinem wettbewerbsfeindlichen Taxitarif zum Anachronismus geworden. Mit politischem Lobbyismus ist es der Branche gelungen, den billigeren Konkurrenten, den US-Konzern Uber, per Gesetzesnovelle in die Schranken zu weisen.
Die Kunden sind verärgert. Dass Uber sich mit seiner Tiefpreispolitik nicht an geltende Gesetze hält, muss den Konsumenten nicht stören. Die Taxi-Branche hat sich mit dem harten Auftreten gegen Uber im Ansehen beschädigt.
Manches lässt sich verstehen, wenn man auf die lange Tradition des Gewerbes blickt. Erste Urahnen der Taxler finden sich im alten Ägypten; im 17. Jahrhundert erlebten sie in Mitteleuropa einen Aufschwung.
Öffentliche Chaisenträger (vom französischen „chaise“ für Sessel) standen mit Sänften in den Straßen, um Wohlhabende gegen Entgelt mit Muskelkraft zu transportieren. Ab 1600 prägten sie das Pariser Stadtbild. Um 1780 gab es in Wien mehrere hundert Sänften.
Auch das Bild vom Arbeitslosen als Taxilenker ist älter als gedacht. In Deutschland ordnete 1668 Kurfürst Wilhelm I. an, vor seiner Residenz Sänften bereit zu stellen, um den aus Frankreich zugewanderten Hugenotten, die kein Handwerk erlernt hatten, zu einer Beschäftigung zu verhelfen.
Einzug der Bürokratie
Doch nicht nur erste staatliche Beschäftigungsprogramme gab es damals. Sondern auch Bürokratie: Als das Sänften-Gewerbe Ende des 17. Jahrhunderts aus den Fugen geriet, erließ etwa die Stadt Leipzig ein „amtliches Reglement“ für Sänftenträger. Dem Vernehmen nach die erste Regulierung des öffentlichen Personentransportwesens überhaupt.
Irgendwann fielen die Sänften dem Fortschritt zum Opfer. In Wien später als anderswo. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts dauerte es, bis sie von Fiakern abgelöst wurden.
Wegen der schlechten Straßen zogen Kunden die Sänften den rumpelnden Kutschen vor. (Wer in der Innenstadt über Kopfsteinpflaster fährt, versteht noch heute, warum.)
Mit der voranschreitenden Motorisierung übernahmen die Taxis. Ihr Name leitet sich von den Pferde- und Motordroschken ab; konkret von den Taxametern (griechisch für Gebührenmesser), die dort zum Einsatz kamen.
Vater des Tarifstreits
Als Erfinder des Taxameters gilt der deutsche Unternehmer Friedrich Wilhelm Gustav Bruhn, der mit seinem Messgerät eine drängende Frage der damaligen – und heutigen – Zeit beantworten wollte: Wie lässt sich eine für Fahrgast und Fuhrunternehmer gleichermaßen zuverlässige Abrechnung sicherstellen?
Die Antwort: Der Taxameter, der die Radumdrehungen zählte. Bruhn schuf so unwissentlich die technische Grundlage für den bis heute schwelenden Konflikt über Taxitarife.
In den 1930er-Jahren durchlebte die Branche wegen Weltwirtschaftskrise und Öffi-Ausbau gröbere Turbulenzen. Vor allem aber versuchten allzu viele ihr Glück im neuen Beförderungsgeschäft.
Von 28.081 Autos in Österreich waren 4.292 Taxis, davon 2.800 in Wien. (Zum Vergleich: Aktuell gibt es in Wien 4.780 Taxis, Tendenz sinkend. Uber hält die Zahl seiner Fahrer unter Verschluss.)
Der Staat griff ein. Im Jahr 1937 trat die „Autotaxi-Verordnung“ in Kraft. Taxis durften nur noch mit Konzession entweder tagsüber oder in der Nacht betrieben werden. Wer ganztägig fahren wollte, musste am Amt zwei Konzessionen beantragen.
Ein Abzeichen war an den Autos anzubringen, um der Polizei Kontrollen zu ermöglichen. Die Regelung galt bis 1959.
Die Bauchbinde
Der Anschluss an Nazi-Deutschland brachte weitere Regulierungen. Taxis mussten einen 40 Millimeter breiten, elfenbeinfarbenen Streifen rund um den PKW aufweisen. So sah es das Reichsdeutsche Personenbeförderungsgesetz vor.
„Bauchbinde“ nannten die Taxler den Streifen, der bis 1964 verpflichtend war. Die einheitliche Kennzeichnung – etwa im berühmten Gelb – ist in vielen Ländern bis heute Pflicht.
In Wien wurde sie vom leuchtenden Taxi-Schild abgelöst. Nicht zur Freude aller. Wollten doch so manche Fahrer, die sich Geld im Rotlicht-Millieu verdienten, gar nicht als Taxler erkannt werden.
Zu Umbrüchen führte wenig später die Einführung der Funktaxis. Zuvor musste man Wagen heranwinken oder über eine Rufsäule an einem Standplatz ordern – jetzt kam Bewegung ins Geschäft. Wieder sammelten sich die Feinde des Fortschritts.
Es gab Boykottmaßnahmen und Klagen. Unternehmer Herbert Herzog, der 1960 in Wien den ersten Taxifunk einführte, sah sich gar gezwungen, das Pilotprojekt wieder abzublasen.
Der Taxikrieg beginnt
Erst 1962 war die Zeit reif: „Wir müssen auch dem Zuge der Zeit nunmehr Rechnung tragen und zur Vervollständigung des Autorufes über Verlangen verschiedener Behörden und des Publikums auch einen Taxifunk einrichten“, ließ die Taxi-Genossenschaft damals verlautbaren.
Damit ging der „Kampf um die Fuhr’“ richtig los, wie es Taxler nennen. Es war die Zeit des „Taxikriegs“. Gekämpft wurde unter anderem mit Verstärkern, die die Ausgangsleistung des Funkgerätes von 5 Watt auf (gerüchteweise) bis zu 100 Watt aufbliesen. „Da glaubte man die Antenne aufglühen zu sehen, wenn so einer auf die Sprechtaste hieb“, erzählt ein Taxler. Seine – und viele andere – Geschichten hat Autorin Karin Cisar-Loder in einem Buch anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Wiener Taxifunks für „Taxi 40100“ gesammelt.
Heute wird immer noch gekämpft – nicht nur gegen einen ungleichen Rivalen. Sondern auch um mehr Qualität, mit der Digitalisierung und gegen sinkende Einnahmen.
Die Taxis müssen sich in Wien an einen fixen Tarif halten, der per Verordnung vom Bürgermeister festgelegt ist. Nach einer Grundtaxe von 3,80 Euro für die ersten 859,3 Meter werden je (wenn auch nur begonnener) 140,7 Meter weitere 0,20 Euro fällig. Anders bei Uber: Das US-Unternehmen umgeht das Gesetz, indem es quasi Taxi-Dienstleistungen anbietet, aber mit Mietwagen arbeitet.
Woher der Fix-Tarif kommt? Da bei herangewunkenen Taxis kein Preisvergleich mit der Konkurrenz möglich ist, sollte der Tarif Kunden vor Wucher schützen. Das neue Gelegenheitsverkehrsgesetz soll jetzt für einheitliche Regeln sorgen. Uber protestiert. Die Wirtschaftskammer Wien zeigt sich gesprächsbereit, den fixen Taxi-Tarif zu überdenken.
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