Der unsichtbare neue Heumarkt: Stadt legt Plan vor, aber keine Bilder

Der unsichtbare neue Heumarkt: Stadt legt Plan vor, aber keine Bilder
Anstatt des umstrittenen Turms ist nun eine rund 56 Meter hohe Wohnscheibe geplant. Laut einem Gutachten ist sie welterbeverträglich. Wie sie genau aussehen wird, ist aber noch offen.

In bestimmten Momenten wird deutlich, wie zutreffend Binsenweisheiten sind. Die gestrige Präsentation des bisher geheimen – und womöglich welterbeverträglichen – Plans für das Heumarkt-Areal war so ein Moment.

„Bilder sagen mehr als 1.000 Worte“, erklärte Ernst Woller, seines Zeichens Landtagspräsident und Welterbe-Beauftragter der Stadt (SPÖ) da vor versammelter Presse. Eben diese Bilder blieb Woller aber schuldig. Gemeinsam mit Planungsdirektor Thomas Madreiter beschränkte sich Woller darauf, das Geplante in Worten zu beschreiben.

Nach gefühlt unzähligen Umplanungen haben sich die Stadt und der Eigentümer des Areals, Investor Michael Tojner, nun darauf geeinigt, dass auf der Fläche drei Gebäude entstehen sollen. Erstens soll ein Neubau das Hotel Intercontinental ersetzen. Der neue Komplex wird in etwa so hoch, wie das Hotel derzeit mit Aufbauten (etwa Klimaanlagen) ist.

Der unsichtbare neue Heumarkt: Stadt legt Plan vor, aber keine Bilder

Zweitens ist ein Gebäude für Büros entlang des Heumarkts geplant. Drittens – und das ist die zentrale Neuerung gegenüber alten Plänen – wird anstatt des ursprünglich geplanten Wohnturms eine exakt 56,5 Meter aufragende „Wohnscheibe“ errichtet. Gebaut werden kann all das in der bestehenden Widmung.

Mittel zur Besänftigung

Was aber ist nun eine „Wohnscheibe“? Mangels Bildern ist hier Vorstellungskraft gefragt. Das geplante Gebäude werde definitiv „niedriger, schmäler und länglicher“ als der Turm, sagt Madreiter. Soll heißen: Man geht stärker in die Horizontale.Dies ist entscheidend, um die Welterbehüter von der UNESCO zu besänftigen: Immerhin war es allen voran der Turm, der für Kritik sorgte.

Er sei zu hoch, störe Sichtachsen und beschädige somit das charakteristische Stadtbild im historischen Zentrum, hieß es. Die Folge: Die Innenstadt wurde im Jahr 2017 auf die Rote Liste der bedrohten Welterbestätten gesetzt.

Um den Welterbestatus zu retten, müsse der Turm verkleinert werden, forderte die UNESCO. Als Schmerzgrenze wurden in der Vergangenheit 43 Meter genannt – das entspricht der aktuellen Gebäudeoberkante des Hotels.

Gutachter zufrieden

Nun keimt im Rathaus Hoffnung auf, dass die UNESCO Wien bald von der Roten Liste streichen könnte. Der Anlass ist ein Gutachten über den gestern präsentierten Plan. Verfasst hat es Architekt Michael Kloos. Das ist jener Mann, der bereits 2019 in einem Gutachten den Turm als nicht mit dem Welterbestatus vereinbar erachtete.

Heumarkt Rendering

Variante mit Turm: Dieser sollte erst 73, dann 66 Meter messen. 

In dem neuen Gutachten urteile Kloos, dass der neue Plan keine schwerwiegende visuelle Beeinträchtigung mehr darstelle, so Woller. „Professor Kloos bestätigt, dass das redimensionierte Projekt welterbekompatibel ist.“ Allgemein einsehbar ist das Gutachten (noch) nicht. Laut Ruth Pröckl, Leiterin des Welterbe-Referats im Kulturministerium, soll es im Mai veröffentlicht werden.

Auch wenn das umgeplante Projekt höher als 43 Meter sei, berge es wesentliche Vorteile, sagt Pröckl. So schneide es etwa im Hinblick auf Sichtachsen weitaus besser ab als vorherige Versionen. Und es stehe nicht in Konkurrenz zum Stephansdom.

In der Opposition ist man dennoch skeptisch, ob das ausreicht: Die ÖVP vermisst einen „konkreten und präzisen Entwurf“, die FPÖ will die Widmung neu aufrollen.

Zittern vor UNESCO

Die finale Entscheidung darüber, ob Wien von der Roten Liste kommt, liegt bei den Welterbehütern. Vor wenigen Tagen haben die Stadt und das Kulturministerium das Gutachten von Kloos an die UNESCO geschickt. Daran angeschlossen war ein Bericht über weitere Schritte zum Schutz des Welterbes.

Auf Basis dieser Unterlagen wird das Welterbekomitee im Juni darüber urteilen, ob Wien von der Roten Liste kommt. Bis gebaut wird, dauert es wohl noch Jahre: Erst wenn die UNESCO grünes Licht gibt, werde Tojner detaillierte Pläne ausarbeiten lassen, so Madreiter.

Dann will man übrigens auch Bilder sprechen lassen. „Während der Detailplanungen kann es zu Feinjustierungen kommen“, so Madreiter. Sind diese abgeschlossen, könne man auch bildlich einen „realen Eindruck“ vermitteln.

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