Zwischen 30 und 40 Wartende gebe es bei jedem der 247 Wiener Kleingartenvereine. Mehr als 4.000 Leute hätten demnach Interesse an einer Parzelle. So viele freie Grundstücke gibt es aber bei Weitem nicht.
„Wenn es gut geht, werden drei bis vier Parzellen pro Jahr und Verein zurückgegeben. Höchstens“, sagt Hauk. Zurückgegeben werden Kleingärten im Regelfall nämlich nur bei Scheidungen oder wenn eine sehr, sehr alte Person stirbt. „Dann haben die Kinder und Enkelkinder meist selbst schon eine Wohnung und können mit der Parzelle nichts mehr anfangen.“
Nur dann kommen Fremde zum Zug. Weitere Umwidmungen seien – weil meist nicht möglich – ebenfalls nicht die Lösung. „Der Grund ist nicht vermehrbar und der Platz in der Stadt begrenzt.“ Schon allein deshalb sei es schwierig, ja „fast unmöglich“, in der Stadt einen Kleingarten zu bekommen, so Hauk.
Stadt stoppte den Verkauf
Zumindest weniger werden die Parzellen, die sich im Eigentum der Stadt befinden, nicht mehr. 2021 stoppte die Stadt – aufgrund von Immobilienspekulationen – den Verkauf von städtischen Kleingärten. Anfang 2023 wechselten dann die letzten Parzellen den Besitzer. Seitdem ist Schluss.
„Dass die Verkauferei jetzt aufgehört hat, ist gut. Seit Jahren hat es mit den Eigentümern Probleme gegeben.“ Nicht so sehr mit jenen, die das Grundstück von der Stadt erworben haben, sondern mit denen, die danach gekommen sind. Viele fühlten sich nicht zugehörig, interessierten sich nicht für den Verein oder wussten gar nicht erst, dass sich ihr erworbenes Grundstück mitten in einer Vereinssiedlung befindet, sagt Hauk.
"Müssen nicht unbedingt kaufen"
Für die Waltners ist der Kauf in all den Jahren nicht infrage gekommen. „Wir können sowieso bis zum Ende hierbleiben, da müssen wir nicht unbedingt kaufen“. Und das ist ihr Ziel: bis zum Schluss zu bleiben. Danach geht das Grundstück zurück an den Verein.
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Und da kommt die Warteliste wieder ins Spiel: Früher ging die Parzelle, die zurückkam, an den ersten in der Liste. „Heute funktioniert das aufgrund der Kosten anders.“ Nicht jeder könne sich jede Parzelle leisten – schon allein aufgrund des Hauses, das darauf steht. Und so verliert die Warteliste ihre Form.
Vorschlagsrecht bei der Vergabe
Dazu kommt, dass der Verein ein gewisses Mitspracherecht – das sogenannte Vorschlagsrecht – bei der Vergabe hat. „Kinder und Kindeskinder von Pächtern etwa werden oft bevorzugt“, sagt Hauk. „Und wenn jemand vom Verein gebraucht wird, wird der ebenfalls bevorzugt“. Ein Handwerker zum Beispiel, der dem Verein mit seinen Diensten zur Verfügung steht. „Die Leute wissen und verstehen das. Dass dadurch aber weniger Fremde zum Zug kommen, ist klar.“
Und dennoch: Die Menschen in den Kleingartenanlagen haben sich verändert. Waren es vor 15 bis 20 Jahren noch vorwiegend Pensionisten, leben nun sehr viele junge Familien auf den Parzellen. Das ganze Jahr über.
"Auf Dauer funktioniert das nicht"
Für die Vereine bedeutet das nicht nur Gutes: „In den Funktionärsetagen haben wir eine relativ starke Überalterung“, sagt Hauk. Die Jungen wollen das Ehrenamt im Verein nicht übernehmen. Fast alle haben einen Job.
„Nur: Auf Dauer funktioniert das nicht. Der Verein braucht eine gewisse Funktionärsriege. Da geht es teilweise um mehrere Tausend Euro fließende Gelder, das ist wie in einem Kleinunternehmen“, sagt Hauk. Er selbst sei 30 Jahre lang Obmann gewesen und habe sechs davon nach einem Nachfolger gesucht. Eine jüngere Frau habe die Aufgabe schließlich übernommen.
Im Verein aktiv sind die Waltners zwar nicht, wichtig ist ihnen die Gemeinschaft aber schon. Sie kennen jede Person und jede Pflanze in der Anlage. Kein Wunder also, dass die Nachbarin zum Gießen in den Garten kommt, wenn sie in den Urlaub fahren. Heuer nach Kroatien. Und von dort, wer weiß, vielleicht wieder einen Samen für den Kleingarten mitbringen.
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Hintergrund: Schiefes Licht auf die Parzellenverkäufe in Wien
Besonders in der Wiener SPÖ erzeugt der Fokus auf die Kleingärten derzeit Angstschweiß. Auslöser der jüngsten Affäre ist der Donaustädter SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy, der vor einer Umwidmung eine Parzelle kaufte, deren Wert sich in der Folge verdoppelte.
Oder der Fall vom SPÖ-Bezirksvorsteher von Ottakring, Franz Prokop, der im 14. Bezirk günstig ein Grundstück gekauft haben soll – wenige Tage, bevor der Verkauf vom Gemeinderat gesetzlich verboten wurde. Dieser beteuert, dass beim Kauf der Liegenschaft, die er schon seit vielen Jahren gepachtet hatte, alles korrekt abgelaufen sei.
Und auch Nevrivy weist alle Vorwürfe zurück: Schon länger sei bekannt gewesen, dass es zu einer Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans kommen sollte. Er habe auch in keiner Form auf das Widmungsverfahren Einfluss genommen.
Besondere Brisanz
Seine Causa hat besondere Brisanz. Haben doch in der gleichen Anlage drei weitere hochrangige SPÖ-Funktionärinnen Grundstücke erworben: Nationalratsabgeordnete Petra Bayr, die Gemeinderätin Astrid Rompold und die stellvertretende Bezirksvorsteherin von Mariahilf, Julia Lessacher.
Die Causa wurde bei der WKStA angezeigt. Zudem müssen die vier Genossen nun parteiintern zum Rapport antreten: SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak ist mit der Untersuchung der Vorgänge betraut.
Eine solche hatte Parteichef und Bürgermeister Michael Ludwig angekündigt. Die Wiener SPÖ habe „hohe moralische Ansprüche“. „Wir sind uns sicher, dass rasch aufgeklärt wird, und es wird gemeinsam entschieden, ob Konsequenzen notwendig sind“, betonte er.
Babler versprach rasche Aufklärung
Für Ludwigs Verhältnisse ungewohnt deutliche Worte, wie es parteiintern heißt. Nachdem zuvor Bundesparteichef Andreas Babler die Grundstücksdeals scharf kritisiert hatte, sei ihm aber keine andere Wahl geblieben. Babler hatte rasche Aufklärung sowie Konsequenzen versprochen. So drängte etwa ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker Babler am Wochenende, alle „Fakten“ offenzulegen: „Wir fordern, dass alle SPÖ-Politiker, die in Wien ein Kleingarten-Grundstück besitzen, ihre Kaufverträge offenlegen.“
Und auch für die Opposition im Wiener Rathaus ist die Causa ein gefundenes Fressen. ÖVP und Grüne werden einen Sondergemeinderat einberufen. Weiters haben die Türkisen den Stadtrechnungshof mit der Prüfung der Grundstücksdeals und der Umwidmungen beauftragt. Im Antrag hat die ÖVP 48 Fragen formuliert. Sie will etwa wissen, wann genau der Magistrat das Verfahren für die neue Flächenwidmung einleitete und welche Mitarbeiter involviert waren.
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