Bürger Widerstand – vom Sternwartepark bis in die Lobau
Zwentendorf war noch eine weitgehend unbekannte Ortschaft irgendwo in Niederösterreich, Hainburg ein aus dem Blickwinkel Restösterreichs bedeutungsloses Städtchen am Eisernen Vorhang, als im Mai 1973 der Urknall für alle Wiener Bürgerprotest-Bewegungen erfolgte.
Nach Monaten des zähen Kampfs gegen die Verbauung des Währinger Sternwarteparks hatten Anrainer – tatkräftig unterstützt von der Kronen Zeitung – erstmals
in Wien eine Volksbefragung durchgesetzt. 57,4 Prozent stimmten gegen das von der (mit absoluter Mehrheit regierenden) SPÖ unterstütze Bauvorhaben. Bürgermeister Felix Slavik trat unter anderem deshalb bald darauf zurück.
Seitdem gibt es in Wien kaum noch größere Bauvorhaben, gegen die sich nicht eine Bürgerinitiative formiert. Von professionell organisierten Gruppen, die sich mit erstaunlicher Akribie in komplizierteste Rechtsmaterien einarbeiten, um Projekte wie die dritte Piste am Flughafen Schwechat oder den Lobautunnel zu verhindern – bis hin zu skurrilen Einzelkämpfern, die (manchmal hart am Rande des Querulantentums) aufbegehren, wenn ihnen ein anderes Haus vor die Nase gebaut wird.
Bacherpark
Manche schaffen es vielleicht, ein paar Dutzend Unterschriften für ihr Anliegen zu sammeln, andere feiern fulminante Überraschungserfolge. Wie zum Beispiel die Anrainer des Bacherparks in Margareten, die 2006 die Errichtung einer dreistöckigen Tiefgarage verhinderten.
Ein Hauch von Hainburg (wo 1984 durch die Au-Besetzung Geschichte geschrieben wurde) wehte damals durch den 5. Bezirk, als Garagen-Gegner in ihren Zelten im Park campierten. Letztlich mündeten die jahrelangen Proteste in eine Anrainer-Befragung, bei der 65,9 Prozent gegen das Projekt votierten.
Im selben Bezirk hängen aktuell gelbe Transparente aus den Fenstern, um gegen die auf dem Naschmarkt geplante Markthalle zu protestieren. Ob auch diese Aktion von Erfolg gekrönt sein wird, ist noch offen.
Rein von den inhaltlichen Anliegen hängt es aber nicht unbedingt ab, ob sich Bürger mit ihrem Protest durchsetzen oder nicht, analysiert Sozialforscher Günther Ogris vom Sora-Institut. „Wichtig ist, dass die Betroffenen Verbündete in Politik und Medien finden.“
Leseturm gekippt
Er erinnert an den geplanten Leseturm im MuseumsQuartier, den ein einzelner, aber einflussreicher Anrainer verhindert hat, indem er die
Krone für eine Kampagne dagegen gewinnen konnte. „Ob sich, wie in diesem Fall, die Politik überzeugen lässt, hat dann meist mit rein strategischen Überlegungen zu tun“, sagt Ogris. Hilfreich sei auch eine gewisse juristische Expertise und die Fähigkeit, das jeweilige Anliegen mediengerecht in eine gute Geschichte zu verpacken – am besten kombiniert mit prominenten Unterstützern.
Martin Dolezal, Politologe am IHS, will sich nicht auf eindeutige Erfolgskriterien festlegen: „Die wichtige mediale Aufmerksamkeit erreicht man am besten mit Großprojekten wie dem Lobautunnel. Sie sind aber zugleich die, die am schwierigsten zu verhindern sind.“ Wichtig sei es auch, eine breitere Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass man nicht etwa gegen ein Bauvorhaben kämpfe, nur weil man persönlich davon betroffen sei – sondern dass es sich um allgemein relevante Anliegen handle.
Für Ogris lag die Hochzeit der Bürgerinitiativen in den 1980er-Jahren, als sich im Windschatten der Proteste gegen das AKW Zwentendorf und das Kraftwerk Hainburg viele junge Menschen begannen, sich politisch zu engagieren. Laut IHS-Forscher Dolezal habe das mit dem Wunsch von immer mehr Bürgern nach Mitbestimmung, aber auch mit dem sinkenden Vertrauen gegenüber den politischen Entscheidungsträgern zu tun.
Junge und Alte
Experte Ogris ortet aber auch heute wieder ein wachsendes Bedürfnis von Jugendlichen, außerhalb der etablierten politischen Parteien für gesellschaftliche Anliegen einzutreten. Demgegenüber steht, dass klassische Bürgerinitiativen häufig von eher älteren Menschen getragen werden. „Junge Menschen interessieren sich eher für größere Themen wie den Klimawandel“, sagt Ogris, was in Bewegungen wie „Fridays for Future“ seinen Ausdruck fände. „Das hat damit zu tun, dass sie noch weniger sesshaft sind. Entsprechend gering ist ihr Interesse daran, was in der eigenen Wohnumgebung passiert. Das kommt erst‚ wenn sie Kinder bekommen. Dann ist plötzlich wichtig, wie die Straßen, Parks und Schulen in der Umgebung aussehen.“
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