Die geplante Donauquerung mitten durch den Nationalpark sorgt aktuell wieder für Kontroversen. Dabei hätte es laut Experten schonendere Alternativen gegeben
Nach dem Ausscheiden der Grünen aus der Wiener Landesregierung war es eigentlich ruhig um die Wiener Nordostumfahrung samt Lobautunnel geworden. Mit der von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) geplanten Evaluierung des Projekts flammt der Konflikt um das umstrittene Projekt nun aber wieder neu auf.
Ärger, den man sich vielleicht hätte sparen können. Was heute fast vergessen ist: Es hätte in mehrfacher Hinsicht günstigere Alternativen zum acht Kilometer langen Tunnel durch den Nationalpark Donauauen gegeben. Ein Rückblick.
Dass Wien eine sechste Donauquerung benötigt, um die künftigen Stadtentwicklungsgebiete im Nordosten zu erschließen, wurde bereits in den 90er-Jahren erkannt, als Bernhard Görg ÖVP-Planungsstadtrat in einer rot-schwarzen Koalition war.
Unter seinem Nachfolger Rudolf Schicker (SPÖ) begannen erste konkrete Planungen. Im Rahmen der „Strategischen Umweltprüfung für den Nordosten Wiens“ wurden diverse Varianten für die Trasse geprüft. Mehrere Dutzend Experten und Interessensvertreter waren an diesem Prozess beteiligt, der eineinhalb Jahre bis 2003 dauerte.
Das Ergebnis der Prüfung war eindeutig: Die beste Variante für die Donauquerung wäre jene über den Ölhafen gewesen. Sie befindet sich im Vergleich zur aktuell geplanten Trasse ein gutes Stück stadteinwärts (siehe Grafik, Variante 3). Andere Optionen weiter östlich und westlich wurden wesentlich schlechter bewertet.
Die Sieger-Variante wäre laut Experten mit einer Reihe von Vorteilen verbunden gewesen: Effizienteste Erschließung der Siedlungsgebiete im Nordosten Wiens und höchste Verkehrswirksamkeit für den 22. Bezirk. Vor allem aber hätte sie die kürzeste Querung durch den Nationalpark bedeutet. „Anstelle der acht Kilometer des jetzt geplanten Tunnels hätte sie nur eineinhalb Kilometer betragen“, sagt Christof Schremmer vom Österreichischen Institut für Raumplanung, der damals an der Strategischen Umweltprüfung beteiligt war. „Mit dieser Variante wären auch die Bau- und Betriebskosten deutlich geringer gewesen.“
Brücke statt Tunnel?
Anstelle eines Tunnels hätte in diesem Fall die Querung durch den Nationalpark auch mit einer vollständig eingehausten Brücke erfolgen können, was ebenfalls sehr kostenschonend gewesen wäre.
Die Idee einer Brücke tauchte die folgenden Jahre immer wieder auf. Zuletzt griffen sie die Neos 2017 auf. Ihr „Lobautunnel light“ ist eine Kombination aus einer Brücke und einem auf zwei Kilometer verkürzten Tunnel. Das Konzept ähnelt stark jenem, dass seinerzeit auch in der Strategischen Umweltprüfung favorisiert wurde.
Weiterverfolgt wurde dieses trotz aller Vorteile nicht. 2004 kam es zu einem Gipfeltreffen der damaligen Landeshauptleute von Wien und NÖ, Michael Häupl (SPÖ) und Erwin Pröll (ÖVP), mit Verkehrsminister Hubert Gorbach (FPÖ) und Vertretern der Asfinag und den ÖBB, wo die bis heute aktuelle weiter östlich verlaufende Trassenführung beschlossen wurde. Inklusive des umstrittenen langen Tunnels durch den Nationalpark (Grafik Variante 1).
Wie kam es dazu? Seitens Wien habe man bei der Umsetzung der weiter stadteinwärts gelegenen Trasse Konflikte mit dortigen Anrainern befürchtet, heißt es heute von den damals Beteiligten. Niederösterreich wiederum erhoffte sich eine bessere Erschließung der Gebiete jenseits der Stadtgrenze durch die weiter östlich gelegene Trasse.
Biologe Häupl
Dass sie den Nationalpark ausgerechnet an der breitesten Stelle quert, störte die Entscheidungsträger offenbar nicht. Wenn Häupl als gelernter Biologe damit leben kann, kann sie nicht so schlimm sein, hieß es damals.
Die Probleme begannen aber erst: Aufgrund der Grundwasser-Situation musste der Tunnel in eine Tiefe von 60 Meter verlegt werden. Zur ursprünglich geplanten einzigen Röhre kam eine zweite für den Gegenverkehr und alle 500 Meter ein Verbindungsstollen für die Sicherheit und Be- und Entlüftung dazu. „Ein viel aufwendigeres Projekt kann man sich gar nicht vorstellen“, betont Schremmer, der gleichzeitig aber von einer grundsätzlichen Notwendigkeit einer Nordostumfahrung überzeugt ist.
Die Komplexität des Tunnel-Projektes führte jedenfalls dazu, dass sich die Prüfungs- und Bewilligungsverfahren bis heute hinziehen. Somit trat genau das Gegenteil dessen ein, was Michael Häupl und Co. seinerzeit im Sinn hatten.
Zurück zum Start?
Jetzt noch zur ursprünglich empfohlenen Variante zu wechseln, wäre für Schremmer aber eine nur schwer gangbare Option: „Mit der nötigen Neuplanung und den Prüfungsverfahren würden zehn Jahre vergehen, bis wir wieder am jetzigen Stand sind.“
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