Gutachten: Gewessler darf der Asfinag keinen Baustopp verordnen
Die Kritiker des umstrittenen Baustopps bei wichtigen Straßenprojekten, den die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler verkündet hat, erhalten jetzt auch juristische Unterstützung. Ein Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass die Ministerin der zuständigen Asfinag gar keine derartige Weisung erteilen darf.
Mehr noch: Dass die Ministerin die Bauvorhaben auf Eis legt, könnte laut Gutachten sogar rechtswidrig sein. Und dem Vorstand der Asfinag könnten, wenn er die Weisung Gewesslers befolgt, Schadenersatzzahlungen drohen.
In Auftrag gegeben hat das Gutachten die Wirtschaftskammer Wien, die nach Gewesslers Ankündigung jahrelange Verzögerungen beim Bau des Lobautunnels befürchtet.
Die Juristen der renommierten Wiener Anwaltskanzlei KWR Karasek Wietrzyk legen in einer 23-seitigen Stellungnahme detailliert dar, warum sich der Asfinag-Vorstand nicht an Gewesslers Weisung halten soll – oder gar darf. Das Rechtsgutachten liegt dem KURIER exklusiv vor.
Weisungsfrei
Eine zentrale Frage klären die Juristen gleich einleitend: Hat die Ministerin der Asfinag, deren Alleinaktionärin die Republik ist, überhaupt eine Weisung im formalen Sinn erteilt?
Ja, heißt es in dem Gutachten.
Zwar ist das Schreiben, das Gewesslers Generalsekretär Herbert Kasser am 25. Juni an die Asfinag schickt, politisch klug formuliert – denn das Wort "Weisung" kommt darin nie explizit vor. Dennoch sei der Brief "inhaltlich als Weisung an den Vorstand zu qualifizieren", befinden die Juristen.
Das sei der Wortwahl des Briefs zu entnehmen: Dem Vorstand wird "mitgeteilt", dass keine Ausschreibungen für Bauphasen oder Vorbereitungsmaßnahmen "vorzunehmen sind". Der Generalsekretär ordnet dies also an, ohne die Zustimmung des Asfinag-Vorstandes zu erbitten – eine Weisung.
Hier beginnt es problematisch zu werden. Denn der Vorstand leitet die Gesellschaft gemäß Aktiengesetz "unter eigener Verantwortung". Dies werde "in der völlig einhelligen Lehre" so interpretiert, dass er "weisungsfrei und unabhängig" zu arbeiten habe, heißt es im Gutachten.
Operatives Geschäft ist tabu
Dass die Republik, in deren Namen Gewessler als Ministerin handelt, die Alleineigentümerin der Asfinag ist, ändert an dieser Weisungsfreiheit nichts. Freilich: Die Ministerin kann Wünsche an den Vorstand herantragen oder grundsätzliche Leitlinien vorgeben.
Ins operative Geschäft – und darunter fallen die Bauprojekte – darf sie sich aber nicht einmischen.
Noch heikler wird es, wenn eine Weisung an den Vorstand rechtswidrig ist – und das vermuten die Kritiker Gewesslers. Im Gutachten heißt es: "Wenn bereits grundsätzlich recht-mäßige Weisungen an den Vorgaben des Aktienrechts scheitern, muss dies umso eher für rechtswidrige Weisungen gelten".
Und: Es müsse "im vorliegenden Fall konkret geprüft werden, ob die gegenständliche Weisung rechtswidrige Inhalte umfasst".
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