Die grüne Klubobfrau rückt kurze Zeit später aus und bescheinigt, dass es sich bei Kurz’ Äußerungen nur um die „persönliche Meinung“ des Regierungschefs handle. Man sei halt bei „vielen Dingen unterschiedlicher Ansicht“ – so auch hier.
Steinzeit-Vorwurf
Insgesamt befundet Maurer dem Koalitionspartner mangelnde Einschätzungsfähigkeit. „Wir reden nicht von Eisbären auf weit entfernten Polkappen. Die Auswirkungen der Klimakrise sind direkt bei uns spürbar. Den Bäuerinnen und Bauern vertrocknet die Ernte auf den Feldern“, so die grüne Klubchefin. Und weiter: „Wer glaubt, die Klimakrise bewältigen zu können, ohne etwas zu verändern, der lebt in der Steinzeit.“
Für Außenstehende ist der Konflikt jedenfalls nicht leicht zu durchschauen – noch dazu, wo sich beide Koalitionspartner auf das Regierungsprogramm berufen.
Ein Blick in das mehr als 326 Seiten starke Konvolut zeigt, dass beides gilt: Da ist zum einen festgehalten, dass Mobilität ein „Grundbedürfnis“ der Menschen sei – dementsprechend muss und soll alles getan werden, sie zu erhalten und zu ermöglichen.
Gleichzeitig steht auf Seite 121 ganz unmissverständlich, dass das „Klimaziel“ als „übergeordnete“ und „verbindliche“ Handlungsanleitung“ für die gesamte Verkehrsplanung gilt.
Mit anderen Worten: Das im Regierungsprogramm an mehreren Stellen und in dicken Lettern festgehaltene Ziel, wonach Österreich 2040 klimaneutral sein muss und in spätestens neun Jahren nicht zwölf, sondern nur noch zweieinhalb Hektar am Tag verbauen und versiegeln darf, ist eine zwingende Vorgabe für alle Projekte. Und das bedeutet: Der Straßenbau wird auf das absolut nötige Maß reduziert.
Österreichs Klimaforscher beobachten die Debatte mit „Freude“, wie der Vorstand des wichtigsten Forschernetzwerkes, des „Climate Change Centre Austria“, kurz CCCA, nun erklärt hat. Dass die Regierung inhaltlich auf die Klimadiskussion eingehe, sei zu begrüßen.
Und die Regierung? Sie betont, der aktuelle Streit sei zwar nicht ideal, aber trotz allem keine Belastung für das Koalitionsklima. Oder, um es ganz genau zu sagen: Er sei keine „große Belastung“.
Exemplarisch lässt sich die Sache am Beispiel der Bodensee-Schnellstraße S18 nachzeichnen: Während das Ressort Gewessler argumentiert, das Projekt sei noch nicht einmal genehmigt und werde – wenn überhaupt – erst im Jahr 2041 (!) fertiggestellt, legt sich Koalitionspartner Sebastian Kurz schon jetzt fest: Man stehe „an der Seite der Bevölkerung“; das Projekt sei „lange geplant und versprochen“ – demnach müsse es gebaut werden. Donnerstagnachmittag sagt der Kanzler dann, es werde mit ihm keinen „Klima-Lockdown“ geben. Und wenn man die kurz zuvor gefallenen Äußerungen von Parteifreundin und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger dazunimmt (sie hatte Gewessler vorgehalten, das Land zu einem Museum machen zu wollen), dann sind genug der Unfreundlichkeiten ausgetauscht, um Sigrid Maurer auf den Plan zu rufen.
Insgesamt befundet Maurer dem Koalitionspartner mangelnde Einschätzungsfähigkeit. „Wir reden nicht von Eisbären auf weit entfernten Polkappen. Die Auswirkungen der Klimakrise sind direkt bei uns spürbar. Den Bäuerinnen und Bauern vertrocknet die Ernte auf den Feldern!“ Und weiter: „Ich habe den Eindruck, dass (in der ÖVP; Anm.) noch nicht ganz erkannt wurde, wie drängend das Problem für die Menschen in Österreich ist.“
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