Die Methoden der Wiener Bürgerinitiativen und ihre Masterminds

Bereits 250 gelbe Transparente hängen im Umfeld des Naschmarkt-Parkplatzes.
Gekämpft wird mit Aktionismus, Hartnäckigkeit und Akribie. Drei Gruppen im Porträt.

So unterschiedlich die Anliegen der Wiener Bürgerinitiativen sind, so verschieden ticken sie und die Menschen dahinter auch.

Als künstlerisch-intellektuell könnte man etwa den wohl jüngsten Zugang bezeichnen: jenen der Initiative „Freiraum Naschmarkt“. Im Frühling von dem 58-jährigen Multimedia-Künstler und Kurator Bernhard Cella mit zwei Anrainerinnen gegründet, wehrt sich die Gruppe vehement gegen die geplante Markthalle auf dem Naschmarkt-Parkplatz – und zwar in weithin sichtbarer Form.

Bereits 250 gelbe Transparente wurden mit einem blühenden Löwenzahn-Motiv bedruckt und Fenster und Balkone entlang der Wienzeile damit beflaggt.

Die Methoden der Wiener Bürgerinitiativen und ihre Masterminds

Das Reenactment mit Stoffbahnen. 

Dazu kommen ausgefallene Flashmobs am Parkplatz – etwa in Form eines „Fashion-Walks“ (bei dem sich in gelb gekleidete Menschen über einen gelben Laufsteg bewegten) oder in Gestalt eines „Reenactments“ eines Kunstwerks des deutschen Künstlers Franz Erhard Walther (bei dem gelbe Stoffbahnen über den Platz gespannt wurden).

Die Strategie dahinter: Man will irritieren – und so Interesse wecken.Die Farbe gelb hat „Freiraum Naschmarkt“ deshalb gewählt, weil diese „nicht politisch besetzt sei“. Das ist Cella deshalb so wichtig, weil er den „Diskurs jenseits von Parteipolitik“ anstrebt.

Die Methoden der Wiener Bürgerinitiativen und ihre Masterminds

Bernhard Cella und der Speakers' Corner. 

Bei Aktionen der Initiative wird dieser meist über einen „Speakers’ Corner“ – in Gestalt einer Leiter und eines Megafons – ausgetragen.

Konventionell kann man übrigens auch: Für eine Petition an den Gemeinderat (siehe Artikel links unten) hat die Initiative 3.000 Unterschriften gesammelt.

Mit allen Mitteln

Extreme Hartnäckigkeit ist – wohlmeinend formuliert – die Methode der Bürgerinitiative „Pro Wilhelminenberg 2030“ (kurz PBW 2030) um Christian-Andre Weinberger und Alexandra Dörfler. Weniger wohlmeinend formuliert würde man wohl Penetranz dazu sagen.

Mit Tausenden Mails, Hunderten Aussendungen an Medien und Postings auf Social Media, einer von rund 4.000 Menschen unterstützten Petition sowie mit zahlreichen juristischen Mitteln bis hin zu Eingaben an den Verwaltungsgerichtshof kämpft die Initiative seit vier Jahren gegen ein Wohnbauprojekt in der Gallitzinstraße am Fuße des Wilhelminenbergs.

Die dafür erteilte Widmung widerspreche den Klimazielen der Stadt, so die Initiative.

Die Methoden der Wiener Bürgerinitiativen und ihre Masterminds

PWB 2030: Alexandra Dörfler, Ludwig Neumann, Josef Rapp, Christian-André Weinberger, Alice Kozich

Worüber die Mitglieder nicht so laut reden, sind die Eigeninteressen, die mitschwingen dürften: Als Anrainer haben sie natürlich großes Interesse an einem weiterhin beschaulichen Grätzel.

Sobald ein offizieller Baubescheid vorliegt, will man auch diesen juristisch bekämpfen. Aussendungen, Pressekonferenzen, eMails und Postings inklusive. Garantiert.

Gesicht des Tunnel-Protests

Exakt 30 Presseaussendungen hat Wolfgang Rehm allein in diesem Jahr schon verschickt. Die meisten haben den Lobautunnel und die Wiener Nordost-Umfahrung zum Inhalt. Der 55-jährige mit der auffälligen Frisur ist das Gesicht des Protests gegen das umstrittene Projekt.

So manche Wiener Bürgerinitiativen haben sich einen ganz besonderen Stand erarbeitet: Sie gehören fast schon zum stadtpolitischen Inventar oder sind zumindest in bleibender Erinnerung geblieben.  Ein Überblick – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. 

Hirschstetten-retten

Mit der aktuell wieder hochgekochten Debatte um die Nordostumfahrung geraten auch die Anliegen dieser lokalen Bürgerinitiative aus dem 22. Bezirk  wieder in den Fokus. Seit vielen Jahren kämpft sie gegen die geplante  Stadtstraße, die Teil des Gesamtprojekts ist. In den Augen der Aktivsten ist diese nichts weiter als „eine Autobahn durchs Kinderzimmer“, führe sie doch durch  Wohngebiete, aber auch quer durch den Grüngürtel von Hirschstetten, Aspern und Breitenlee. 

Steinhof erhalten

Seit vielen Jahren zieht sich schon der Konflikt um die geplante Bebauung des östlichen Teils des Areals rund um das  Otto-Wagner-Spital im 14. Bezirk, das in den nächsten Jahren absiedeln soll. Dagegen wehrt sich die Bürgerinitiative, die es im Laufe der Jahre zu beträchtlicher medialer Präsenz gebracht hat. Die ursprünglichen Pläne wurden im Laufe der Jahre zwar abgeändert, die Bebauung an sich konnte aber nicht verhindert werden. Seit einigen Jahren entstehen auf dem Areal Wohnbauten. 

IGL Marchfeldkanal

Hinter diesem etwas sperrigen Namen verbirgt sich eine Gruppe, die in den vergangenen Jahren über Wien hinaus Bekanntheit gewonnen hat. Verantwortlich dafür ist ihr Kampf für die Ziesel-Population auf den Wiesen rund um das Heeresspital in Floridsdorf, die durch Wohnbau-Projekte gefährdet sind. Der Konflikt mit der Stadt Wien landete sogar vor der EU-Kommission, das Verfahren wurde jedoch eingestellt.

Initiative Stadtbildschutz

Die Gruppe ist eine der aktivsten im Kampf gegen das Heumarkt-Projekt von Michael Tojner, das  bekanntlich den  Welterbe-Status der historischen Innenstadt gefährdet. Unter anderem mit der „Initiative Denkmalschutz“ und der „Aktion 21“ macht sie dagegen mobil – seit vor Kurzem die erneute Umplanung des Projekts bekannt wurde, umso mehr.

Liesing gegen Fluglärm und gegen die 3. Piste

Der Dauerbrenner Fluglärm regte derart auf, dass sich unzählige Bürgerinitiativen zu dem Thema gründeten – darunter jene aus dem 23. Bezirk. Mittlerweile ist es um viele davon allerdings ruhig geworden. 

Als 18-Jähriger war er schon bei der Besetzung der Hainburger Au dabei, seit 30 Jahren kämpft er mit der Umweltorganisation Virus gegen problematische Bauvorhaben in ganz Österreich. Etwa das umstrittene flussbauliche Gesamtkonzept für die Donau südlich von Wien, das als eines der wenigen erfolgreich bekämpft werden konnte.

Mit Akribie widmen sich Rehm und seine Mitstreiter dabei den oft enorm komplexen Rechtsverfahren. „Hohe Bearbeitungstiefe“, nennt man das auf der Virus-Homepage.

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