Bodenversiegelung: In Wien grünt es nicht mehr so grün
„Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen.“ Das Lied aus dem Musical „My Fair Lady“ ist ein Ohrwurm. Und es passt zum Thema Bodenversiegelung. So manchen Anrainer geht das nicht mehr aus dem Kopf.
Denn in Wien grünt es an manchen Ecken bald nicht mehr grün. Und das gefällt vielen gar nicht. Initiativen werden gegründet, des öfteren versucht man – auch mit politischer Unterstützung – gegen Verbauungen von Grünflächen oder Baumfällungen vorzugehen.
Versiegelung
Bauwerke der Menschen, die den Boden undurchlässig bedecken, führen zur Bodenversiegelung. Der Boden kann keinen Niederschlag mehr aufnehmen. Der Lebensraum für Bodenlebewesen und Pflanzen geht verloren
Regierungsprogramm
Rund 11,5 Hektar Äcker und Wiesen – Größe von 16 Fußballfeldern – werden pro Tag versiegelt. Die Bundesregierung hat sich bis 2024 zum Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch bis 2030 auf 2,5 ha pro Tag zu reduzieren.
Sporthalle Venediger Au
Vier Beispiele aus der Stadt: Sporthalle Allen voran gibt es den Sportplatz (2., Venediger Au 11) im 2. Bezirk. Hier protestieren Anrainer und die Grünen dagegen, dass eine 15 Millionen Euro teure Sport & Funhalle auf einer unversiegelten Fläche gebaut wird. „Man hätte einfach auf einer bereits versiegelten Fläche die Halle hinstellen können“, sagt Bernhard Seitz (Grüne).
Verbau der Venediger Au
Proteste haben nichts gebracht, hier entsteht eine Sporthalle.
Die Grünfläche sei nach dem Bau verloren). Der stellvertretende Bezirkschef lässt ein Rechtsgutachten anfertigen und beschwert sich bei der Volksanwaltschaft: Die ursprüngliche Flächenwidmung (Erholungsgebiete Sport und Spielplätze) wurde für den Neubau geändert. Die Stadt argumentiert, dass der Bau notwendig sei. Die alte Sport&Funhalle weicht der neuen Sportarena bei dem neuen Fernbusterminal.
Altersheim
Problematisch sehen Anrainer, die sich bereits seit Jahren als Bürgerinitiative Frauenheimpark zusammengefunden haben, auch den Umbau des ältesten Altersheimes der Caritas (12., Schönbrunner Straße 295). Für rund 89 Bäume muss dort eine Abschlagszahlung bezahlt werden, 22 sehr alte Bäume wurden bereits gefällt. Laut Caritas waren einige davon krank. Ein großes Areal des frei zugänglichen Parks wurde bereits „abgeholzt“. Laut Caritas ein notwendiger Schritt: 89 Bewohner sollen im neuen barrierefreien Areal wohnen. Laut Bürgerinitiative hätte man den Zubau anders gestalten und somit die Grünfläche retten können. Außerdem gibt es Ungereimtheiten bezüglich der Ersatzpflanzungen im Bezirk. Hier unterstützen etwa die Neos im Bezirk. Sie hinterfragen, warum besagte Ersatzpflanzungen im Bezirk noch fehlen.
Manner-Villa
Auch der geplante Umbau der Manner-Villa (17., Klampfelberggasse 2-4) zu Luxuswohnungen schlägt Wellen. Einige Bäume im umliegenden Park wurden abgesägt. Anrainer, Grüne und die Initiative Baumschutz vermuten illegale Fällungen, Anzeigen wurden erstattet.
Schule
Für das Projekt „Modellschule Gersthof“, am Gelände des ehemaligen Spitals Gersthof wurden 67 Bäume zur Fällung beantragt. Trotz 70 Ersatzpflanzungen hagelt es Kritik vom „Baumschutz Hernals“. Es gebe noch keine Baugenehmigung für die geplanten Sportpavillons und die Erklärung, dass die Bäume morsch seien, reiche nicht, heißt es. Früher war das Areal ein frei zugänglicher Park und auch für kranke Menschen wurden die Bäume nicht abgesägt. Jetzt sollen Turnsäle für eine Schule gebaut werden, obwohl es gegenüber den Postsportplatz gebe. Aber auch der Platz soll Wohnungen weichen.
„Wer Grünräume schützen möchte, der wird eine aktive urbane Siedlungspolitik fördern müssen“, sagt Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt, zu den Beispielen. Die Stadt müsse sich an die Klimastrategie, den Klimafahrplan und an das Regierungsprogramm halten. Und man nehme es ernst: Von den 25.000 geplanten Baumpflanzungen in der Stadt seien bereits 10.000 gepflanzt. Laut Klimafahrplan hat das Zeit bis 2025.
Wien ist nicht Hongkong
„Wir wollen nicht Hongkong oder Shanghai spielen“, sagt er weiter, „aber Wien wird weiter wachsen“. Alleine dieses Jahr könnten es 30.000 Menschen wegen der Flucht aus der Ukraine sein.
Damit das Wiener Umland nicht zu Bauland werde, müsse man die Stadt weiter adaptieren: „Insofern werden wir, unter Einhaltung des Ziels 50 Prozent von Wien grün zu halten, Kompromisse eingehen müssen“, sagt er. Und wenn es Probleme mit Ersatzpflanzungen gebe, dann müsse man jeden einzelnen Fall in der zuständigen Stelle nachprüfen.
Aber, dass es zu Flächenwidmungsänderungen, wie bei der Venediger Au komme, sei für ihn auch klar: „Es ist eine grundsätzlich für Sportnutzung vorgesehene Fläche. Es ist eine Interessensabwägung, man entscheidet sich für einen Kompromiss“, sagt er. Im Falle der Schule in Gersthof gehe es um eine Fläche, die einen Grüncharakter bekommen habe, weil sie lange unbenutzt war. Aber die Fläche an sich sei rechtlich bebaubar. Und dennoch sei das Ziel: Grünraum schützen, fördern. Das passiere im Helmut-Zilk-Park, in der freien Mitte am Nordbahnhof oder in der Seestadt.
Aber: „Es ist noch immer billiger, auf der Wiese zu bauen als auf dem Dach“, sagt Markus Tomaselli, TU-Institutsvorstand für Städtebau. Auch wenn Wien zur Hälfte grün sei, so sei das Ganze nicht „fair“. Grün seien die reicheren Außenbezirke. Das Dilemma: mehr Menschen brauchen Wohnraum. Um also weiter von grünem Grün singen zu können, müssten die innerbezirklichen Grünflächen mehr geschützt und asphaltierte Bereiche entsiegelt werden – egal ob Schule oder Heim. Allen voran seien Parkflächen für Pkw ein Dorn im grünen Auge.
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