Täglich werden in Österreich etwa 12 Hektar zubetoniert, rechnet das Umweltbundesamt vor – das entspricht rund zwanzig Fußballfeldern pro Tag. Den größten Anteil daran haben Verkehrsflächen, gefolgt von Bau- und Betriebsflächen. „Der Bodenverbrauch ist seit der Jahrtausendwende fast drei Mal so stark gewachsen wie die Bevölkerung“, sagt Maria Schachinger vom WWF. Schon jetzt ist rund ein Fünftel der bewohnbaren bzw. landwirtschaftlich nutzbaren Fläche zwischen Boden- und Neusiedler See verbaut – mit düsteren Folgen für das bunte Leben.
Oberirdische Folgen
Ober der Erde trifft es zum Beispiel den Luchs. Der Kleinkatze gelang zwar gegen Ende des 20. Jahrhunderts – nach 150 Jahren Abwesenheit – ein Comeback in Österreich, doch das Straßennetz durchkreuzt die Wanderrouten der Pinselohren und führt letztlich dazu, dass genetische Auffrischung auf der Strecke bleibt. Der Steinkauz, der sich an Siedlungsrändern heimisch fühlt, wird u.a. durch neue Einkaufszentren an Ortsrändern verdrängt. Der Feldhamster wiederum verliert seinen Lebensraum durch die Umwidmung von Grünland in Bauland. Auch Wildbienen, Schmetterlinge & Co sind davon stark betroffen. „60 Prozent der heimischen Fische sind vor allem durch die Regulierung von Gewässern bedroht“, zeigt WWF-Bodenexpertin Schachinger eine zusätzliche Problemzone, verursacht durch allzu viel Beton, auf.
Unterirdische Folgen
Thomas Frank von der Universität für Bodenkultur in Wien geht weiter in die Tiefe: die Verbauung beeinträchtigt auch das unterirdische Leben massiv. „Sehr viele der im Boden vorkommenden Lebewesen, von Mikroorganismen bis Insekten, sterben durch die Versiegelung“, sagt der Leiter des Instituts für Zoologie und beschreibt das fatale Zusammenspiel an zwei Beispielen: Regenwürmer und manche Schnecken zersetzen tote Pflanzen und liefern somit Nährstoffe für den Boden. Diese Stoffkreisläufe werden bei Versiegelung unterbunden. Die Tierchen sind dahin und mit ihnen der fruchtbare Boden – eine daumendicke Schicht braucht übrigens 100 bis 300 Jahre Entwicklungszeit. Die Wiederherstellung ist sehr langwierig. Laut dem aktuellen State of Natur-Bericht der Europäischen Umweltagentur befinden sich 79 Prozent der bewerteten Lebensräume in einem schlechten Zustand; Österreich liegt mit Platz 18 im hinteren Mittelfeld.
„Wenn der Boden durch eine undurchlässige Schicht überzogen ist, wirkt sich das auf das ganze Ökosystem aus“, betont Schachinger. Nicht nur Arten und einzelne Tiere verlieren ihre Lebensgrundlage, vielmehr befeuert der Verlust an Grünfläche den Klimawandel und Naturkatastrophen. Regenwasser, das nicht abfließen kann, verursacht Überschwemmungen. Rinnt es allzu schnell ab, gibt es auch keine Abkühlung durch Verdunstung. Parkplätze und Straßen, die sich viel stärker aufheizen als Wiesen und Wälder, lassen zudem die Temperaturen steigen. Nicht zuletzt kann versiegelter Boden Schadstoffe nicht filtern.
Auswirkungen auch auf den Menschen
„Für jede neue Straße, für jeden Gewerbepark, für jedes neue Wohnhaus muss andernorts versiegelter Boden flächenadäquat entsiegelt werden“, fordert Frank und setzt nach: „Ohne Visionen geht gar nichts weiter. Wenn wir so weiter machen, versiegeln wir uns zu Tode.“
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