Kampf gegen den Flächenfraß wird zu Disput zwischen Stadt und Land
Bis 2030 soll laut neuer Bodenschutzstrategie die Flächenversiegelung um 80 Prozent reduziert werden. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) fordert dazu Geld für die Ballungszentren.
Hoch oben, am Dach des Leopold Museums, wirkte alles recht harmonisch. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), Wiens Bürgermeister und Städtebund-Präsident Michael Ludwig (SPÖ), Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (ÖVP) und der Tiroler Landesrat Johannes Tratter (ÖVP) hatten sich am gestrigen Mittwoch dort eingefunden, um die „1. Österreichische Bodenschutzstrategie“ vorzustellen.
Sie adressiert ein Thema, das in Zeiten des Klimawandels und des Bevölkerungswachstums brennender nicht sein könnte: die Bodenversiegelung.
Neu ist das Phänomen freilich nicht: Kritik am Supermarkt auf der grünen Wiese, dem Symbol für Flächenfraß schlechthin, gibt es schon lange, Lösungsansätze auch. Das Problem in den Griff zu bekommen, scheitert aber oft am österreichischen Kompetenz-Wirrwarr.
Trendwende angestrebt
Nun hat sich die Österreichische Raumordnungskonferenz (ein Gremium von Bund, Ländern und Gemeinden zur Abstimmung) auf den künftigen Umgang mit dem Thema geeinigt.
Die neue Strategie soll für Länder und Gemeinden, die für die Umsetzung der Raumordnungen zuständig sind, eine verpflichtende Handlungsanleitung sein – mit der man eine Trendwende schaffen will.
Bis 2030 soll der Bodenverbrauch (wie im türkis-grünen Regierungspakt fixiert) um 80 Prozent auf 2,5 Hektar pro Tag reduziert werden. Derzeit werden täglich zehn bis zwölf Hektar versiegelt.
Soviel zu dem, worüber man sich einig ist.
„Der Mut fehlte“
Strittig ist offenbar die Rollenverteilung im Kampf gegen die Bodenversiegelung. Dieser befeuert – nach den Debatten um den Klimabonus oder den Rivalitäten während der Pandemie – einen leidenschaftlich geführten Streit: jenen zwischen Stadt und Land.
Am Mittwoch zeigte er sich so: Während Ministerin Köstinger am Museumsdach neben Ludwig erklärte, dass man den „Flächenfraß in Österreich“ stoppen werde und dabei „an einem Strang“ ziehe, hatte der Bürgermeister per Aussendung bereits etwas verkündet, das ganz anders klingt.
„Ein Ausspielen Stadt gegen Land wird uns den Klimazielen nicht näher bringen“, ließ Ludwig wissen.
Der Städtebund begrüße den Umsetzungspakt zwar „als ersten wichtigen Schritt“. Aber: „In der Umsetzung muss es darum gehen, Städte und regionale Zentren aktiv einzubinden“, so Ludwig, „denn leider fehlte der Mut, die Bedeutung der Städte und Stadtregionen auch für die gesamte Region entsprechend zu priorisieren.“
Die Stadt als Vorbild
Städtische Strukturen sieht Ludwig beim Thema Bodenschutz als Vorbild: Denn Städte weisen pro Kopf einen deutlich geringeren Bodenverbrauch als ländliche und suburbane Regionen auf.
Kompakte Siedlungsstrukturen würden zudem für einen schonenden Umgang mit der Ressource Boden sorgen. Die Entwicklung dieser Siedlungen müsse in Kombination mit Mobilität gedacht werden, so Ludwig.
Und dafür will er Geld vom Bund: Er fordert einen sogenannten Stadtregionsfonds. Zur Stärkung der Orts- und Stadtkerne brauche es weiters, wie in Deutschland, einen aus Bundes- und Landesmitteln gespeisten Städtebaufonds.
Brachflächendialog geplant
Politisch beschlossen werden soll die neue Bodenschutzstrategie übrigens binnen eines Jahres. Das Klimaschutzministerium wird sich mit einem „Brachflächendialog“ beteiligen.
Redebedarf gibt es in der Sache ja offenbar genug.
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