Auch parteipolitisch alles auf Schiene bei den Wiener Linien
Günter Steinbauer hat eine Frage. „Verstehe ich das richtig“, schreibt er auf Twitter. „Die Landbewohner tragen mehr zur Klimaerwärmung bei, unter der die Stadtbewohner mehr leiden, und damit das so bleibt, kriegt man am Land einen Klimabonus.“
Kritik an der jüngst präsentierten Steuerreform des Bundes, die man durchaus teilen kann. Interessant ist aber, wer die Kritik äußert: Günter Steinbauer ist einer von zwei Geschäftsführern der Wiener Linien.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Verkehrsbetrieb das politische Geschäft der Wiener SPÖ besorgt. Im Gegenteil. Immer wieder fallen die Wiener Linien mit parteipolitischen Äußerungen auf. Im Visier hat man dabei meist das politische Gegenüber der (Wiener) SPÖ.
Einen schlanken Fuß macht das nicht: Die Wiener Linien sind Teil der Wiener Stadtwerke und werden als solche vor allem von öffentlichen Geldern – der Stadt, aber auch des Bundes – finanziert.
Dass sich die Wiener Linien dennoch „wie eine Vorfeldorganisation der SPÖ“ gerieren, stößt der politischen Opposition – derzeit der Wiener ÖVP – immer wieder auf.
Der Vorwurf kommt nicht von Ungefähr, die Beispiele sind zahlreich. Als die ÖVP eine (durchaus verunglückte) Kampagne gegen das Wien-weite Parkpickerl startete („Am Nachmittag die Enkerl besuchen? Mit dem Parkpickerl für viele nicht mehr möglich“), wurde sie von den Wiener Linien persifliert.
„Die Bim blockieren? Mit Parkpickerl für viele nicht mehr möglich!“, posteten diese auf Social Media. Sie hatten die Lacher auf ihrer Seite.
Amüsant, geistreich
Auch Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp bekam den Humor der Wiener Linien zu spüren: Als er für die Kronen Zeitung trotz Pandemie ohne Maske in einer Öffi-Station posierte, machte sich der Verkehrsbetrieb auf die Suche: Wer kann uns Hinweise zur Identität dieses MNS-Verweigerers geben?
Erneut: Sehr lustig.
Darin liegt zugleich das Erfolgsrezept der PR-Strategie begründet: Sie ist amüsant, geistreich, am Punkt. Darum geht Kritik meist im Applaus der Follower unter. Ähnlichen Kult-Status haben in Wien nur die MA48 und die Bestattung Wien.
Vorbild der Wiener Linien sind die Berliner Verkehrsbetriebe, die für ihre selbstironische Kundenkommunikation Berühmtheit erlangt haben. Auch manch anderer Themen nehmen sich die Wiener Linien launig an.
Kampagne gegen „Manspreading“
Aufmerksamkeit erregte zuletzt etwa eine Kampagne gegen „Manspreading“ – also die bei Männern verbreitete Vorliebe, mit gespreizten Beinen zu sitzen.
Für die verantwortlichen Stadträte – einst Ulli Sima, jetzt Peter Hanke – sind die Öffis zudem eine gute Bühne für Aktionismus. Man erinnere sich an die Duft-U-Bahn.
Die Wiener Linien lassen sich das einiges kosten: Die PR-Abteilung ist groß, zudem werden externe Agenturen beschäftigt. Die Vorgaben zu den Kampagnen kämen aus dem Stadtratsbüro, in dem zugleich auch die Letztentscheidung liege, hieß es, als Sima noch das Ressort führte.
Im Büro von Sima-Nachfolger Peter Hanke will man nicht für die politischen Äußerungen der Wiener Linien verantwortlich sein: Diese würden weder beauftragt noch freigegeben. Dass das Unternehmen zu „gesellschaftspolitisch relevanten Themen Stellung bezieht“, sei aber okay.
Pick & Barth mit an Bord
Künftig wird der Auftritt der Wiener Linien wohl eher kantiger als zurückhaltender. Diese Woche wurde bekannt, dass die Agentur Pick & Barth die Verkehrsbetriebe ab sofort in der Digitalkommunikation unterstützt. Die beiden Gründer Yussi Pick und Josef Barth sind Polit-Vollprofis.
Details zur Linie verraten beide Seiten nicht. Nur so viel: Es gehe um „zielgruppengenaue Ansprache und wertebasierte Kommunikation“.
Welche Werte das sind? Auch dazu schweigt man. Und gibt nur ein Beispiel: Man wolle vermitteln, dass „Öffis eine der besten Lösungen gegen die Klimakatastrophe“ seien.
Wahrscheinlich war es genau das, was Günter Steinbauer sagen wollte.
Kommentare