Ärztekammer-Querelen: „Es geht nur um Posten und Geld“
Es hätte die Krönung seiner Karriere als Ärzte-Standesvertreter werden sollen. Doch nun ist die geplante heutige Wahl von Johannes Steinhart zum Wiener Ärztekammer-Präsidenten von einem Skandal überschattet.
Wie berichtet, wurde gegen Steinharts Kollegen Stefan Ferenci, der Vizepräsident und Kurienobmann der Spitalsärzte werden soll, Anzeige wegen des Verdachts auf Wählertäuschung eingebracht. Dem Kinder- und Jugendpsychiater mit Ordinationen in Wien und NÖ wird vorgeworfen, sich zum Schein für eine Turnusarzt-Ausbildung bei einer Kollegin angemeldet zu haben, um als Turnusärzte-Vertreter leichter in die Ärztekammer gewählt werden zu können. Letztlich, so der Vorwurf, sei das Ziel gewesen, so viele Mandate zu erobern, um für Steinhart das Präsidenten-Amt zu sichern und den bisherigen Ärzte-Chef Thomas Szekeres abzulösen.
Ferenci bestreitet wie berichtet alle Vorwürfe. Inzwischen tauchen in der Causa aber immer mehr Details auf. Sie zeichnen ein verstörendes Bild davon, wie in der Ärzte-Vertretung um Macht und Posten gekämpft wird.
Die Verdächtigen
Neben Ferenci wurden noch zwei weitere Ärzte angezeigt. Allen voran jene Medizinerin, die ihn zu Ausbildungszwecken angestellt hat. „Wohl zum ausschließlichen Zweck der Ermöglichung der Kandidatur des Dr. Ferenci“, wie es in der Anzeige heißt.
Die Ärztin kandidierte ebenfalls für die Kammerwahl. Und zwar für die neue Liste We4U, deren Hauptforderung die Abschaffung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer ist. Nachdem sie bei der Wahl im März sechs Mandate erobert hatte, war dies plötzlich nicht mehr so wichtig. Nur wenige Tage danach schloss sich die Partei der Koalition von Steinhart an, für den ein Rütteln am Fonds nicht in Frage kommt.In Ärztekreisen wird geraunt, We4U sei bloß ein „Appendix“ der Steinhart-Liste – rein zu dem Zweck gegründet, für Steinhart Proteststimmen zu sammeln. Die Ärztin wollte dem KURIER keine Stellungnahme abgeben. Steinhart selbst bestreitet dahin gehende Absprachen: „Die Vorwürfe sind unverständlich und falsch.“ Aber offenbar will hier jemand nachtreten.“
Angezeigt wurde auch der Mann der Ärztin, der 2017 gemeinsam mit Ferenci noch für die Liste „Turnusärzte für Turnusärzte“ kandidierte, diesmal aber für die „Vereinigung“ von Steinhart antrat.
Die Anzeige
Für Sprengstoff sorgt auch der Urheber der Anzeige. Es handelt sich um einen Arzt, der für die Liste des nun aus dem Präsidenten-Amt gedrängten Szekeres kandidiert hat. „Hinter der Anzeige steht keine politische Motivation. Ich habe mich auch nicht mit Szekeres abgestimmt“, sagt der Arzt, der anonym bleiben will, zum KURIER. Bleibt die Frage, warum er nicht schon bei Vorliegen der Wahllisten gegen Ferenci vorgegangen ist, sondern damit bis nach den Koalitionsverhandlungen gewartet hat. „Gegen Wählertäuschung kann ich erst nach erfolgter Wahl etwas unternehmen“, sagt er. Urlaube und die Abwesenheit des Anwalts hätten die Anzeige weiter verzögert.
Kurioses Detail: Der Arzt war Mitglied der Teilwahlkommission. In dieser Funktion fand er nichts an der Kandidatur Ferencis zu beanstanden.
Die Präsidenten-Wahl
Genug Zündstoff für die heute geplante Wahl von Steinhart in der Kammer-Vollversammlung. An sich hätte seine Koalition aus den Fraktionen Vereinigung, Turnusärzte, We4U, Grüne, Wahlärzte, Ärzte für Ärzte, Asklepios und Integrative Medizin eine satte Mehrheit von 56 der 90 Mandate. Denkbar ist, dass nach den jüngsten Vorgängen einige Bündnispartner Steinhart doch nicht wählen und die Koalition zerbricht. Viele Funktionäre rechnen aber damit, dass alles wie geplant abläuft und auch Ferenci trotz fraglicher Eignung oberster Spitalsärzte-Vertreter wird. „Natürlich ist das ein Problem. Aber Steinhart hat sein Schicksal in die Hand von Ferenci gelegt, der ihm eine Mehrheit verschafft hat“, sagt ein Mandatar zum KURIER.
Und dass sich andere Fraktionen abwenden, sei unwahrscheinlich. Zu viel stünde für sie mit dem Ende der Koalition auf dem Spiel: „Letztlich geht es nur um Posten und Geld.“
Die Anzeige gegen Stefan Ferenci betrifft nicht nur die Ärztekammer Wien: Der Mediziner ist neben seiner Tätigkeit in der Bundeshauptstadt nämlich auch Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Baden und als solcher auch in der niederösterreichischen Ärztekammer als Funktionär tätig. Tatsächlich ist es nämlich zulässig, dass ein Mediziner gleichzeitig in zwei verschiedenen Länder-Ärztekammern sitzt.
Ferenci gehört in Niederösterreich zur Kurie der niedergelassenen Ärzte bzw. der Fachärzte. Dort fanden die Ärztekammerwahlen am 2. April statt, am 27. April wurde die Vollversammlung abgehalten. Ferenci war Teil eines Wahlvorschlags, wurde zum Kammerrat gewählt und angelobt, heißt es seitens Ärztekammer-Sprecherin Birgit Jung. Die Wahlen in Wien und in Niederösterreich seien getrennt voneinander zu betrachten. „Die Wahl in Wien hat folglich keine Auswirkung auf ein Mandat in Niederösterreich“, kommentiert sie die aktuellen Diskussionen.
Gesetzliche Vorgaben
Das Ärztegesetz regelt genau, unter welchen Umständen ein Kammerrat sein Mandat verliert. Eine Anzeige allein ist dafür kein Grund; der Arzt muss eine oder mehrere strafbare Handlungen vorsätzlich begangen haben und deswegen von einem Gericht im In- oder im Ausland zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden sein.
Ansonsten ist entscheidend, wo ein Kammerrat seinen Beruf ausübt und ob eine Mitgliedschaft in der Ärztekammer vorliegt: Hat der Kammerrat den ärztlichen Beruf 30 Monate nicht im Bereich jener Ärztekammer ausgeübt, in der er gewählt worden ist, verliert er seinen Sitz. Und auch dann, wenn er nachträglich aus der Ärzteliste gestrichen wurde, sodass zum Wahlstichtag keine Mitgliedschaft zur Ärztekammer bestanden hat, büßt er sein Mandat ein.
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