7 Gründe, warum Wien wirklich morbid ist

Der Wiener Totenkult ist weltberühmt. Blickt man etwa nach Deutschland, findet sich auf die Schnelle kein Medium, das kein Porträt über das morbide Wien verfasst hat. Alle eint, dass sie mit demselben Zitat beginnen, jenem aus dem bekannten Lied Georg Kreislers: Der Tod, das muss ein Wiener sein.
Doch sind Wiener wirklich so „grabselig“, wie es die Süddeutsche Zeitung nennt? Die Antwort ist ein eindeutiges Ja.
„Wien und der Tod haben seit jeher eine besondere Beziehung. Sie ist geprägt von Melancholie, Humor und Lebensfreude und hat tiefe historische Wurzeln“, sagt auch Alexander Hovorka, Geschäftsführer der Bestattung Himmelblau. Eine Spurensuche.
1) An der schönen toten Donau
Schon die Donau ist eigentlich nach dem Tod benannt, wenn man bis zu den Wurzeln zurückgeht. Im Altgriechischen kommt thánatos „Tod“ von einer indogermanischen Wurzel, die ursprünglich „laufen, fließen“ bedeutet hat. Und diese finde sich eben auch in der Donau wieder, erklärt Hannes Fellner, Sprachwissenschafter an der Uni Wien. Im Deutschen kommt das Wort „sterben“ letztlich von einer Wurzel, die „starr werden“ bedeutet hat und die auch in Englisch „starve“ (hungern) bedeutet. Das Wort „Tod“ stammt ursprünglich von „eilen“ ab. Da ergibt das altbekannte „Nur ned hudeln“ gleich mehr Sinn.
2) Es liegt immer auch an den Habsburgern
Die Wiener Geschichte ist immer untrennbar mit den Habsburgern verbunden, das endet auch nicht mit dem Tod. Was aber voneinander getrennt wurde, waren wesentliche Körperteile von Monarchen und anderen höhergestellten Adeligen. Die Leichname der Habsburger sind darum in der Kapuzinergruft, die Eingeweide in der Krypta des Stephansdoms und die Herzen in der „Herzlgruft“ in der Augustinerkirche zu finden. Dieser Dreiklang der Bestattung kann nicht unbedingt als nicht-morbid bezeichnet werden. Die prunkvollen Begräbnisse wurden zudem weltberühmt. „Es wird ein so schönes Fest, dass ich am liebsten hinter meinem eigenen Sarg einhergehen möcht’“, erklärte darum auch Karl VI.
3) Gefühle zeigen ist zu Lebzeiten schwierig
Das andere weltberühmte Klischee über Wien ist jenes des grantelnden Wieners. Auch dieses ist nicht von der Hand zu weisen. Statt Liebesbekundungen und Schmeicheleien gibt es zu Lebzeiten eher beißenden Spott und Sarkasmus. Das Blatt, und hier schließt sich der Kreis zum Tod, dreht sich erst, wenn jemand gestorben ist. Dann wird er nahezu glorifiziert. Nicht umsonst sagte Helmut Qualtinger einst: „In Wien musst erst sterben, bevor s’ dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang.“
4) Wien ist mittendrin statt
nur dabei Die geografische Lage Wiens dürfte auch ein Faktor sein, ist die Stadt schließlich eine multikulturelle Metropole. Unterschiedlichen Formen von Lebensfreude und Tod waren darum räumlich sehr nah beieinander und haben sich wohl gegenseitig zu befruchtet. „Die existenzielle Reflexion hat sich in Wissenschaft, Literatur, Liedern, Gschichtln und schwarzem Humor zu einer Tradition verdichtet, die uns jetzt nicht mehr loslässt“, so Fellner. Sprich: Die unterschiedlichen Arten in den Ländern, mit dem Tod umzugehen, haben zu dem einzigartigen Mix geführt, der unsere Kultur geprägt hat.
Das österreichische Bestattungswesen wurde 2023 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt. Warum das österreichische und nicht nur das wienerische, möchte man fragen, aber man will ja nicht kleinlich sein. Man muss ja nicht immer motschkern.
5) Der Tod macht erfinderisch
Die große Aufmerksamkeit für den Tod und die Bestattung hat auch die eine oder andere skurrile Erfindung hervorgebracht. Etwa ein Sparsarg, der 1784 von Kaiser Joseph II. eingeführt wurde. Dieser hatte eine aufklappbare Unterseite, die über dem Grab platziert wurde. Der Tote konnte ins Grab fallen und der Sarg wiederverwendet werden. Recycling mal anders.
Die Idee war aber nicht von Erfolg gekrönt. Es gab einen Proteststurm und schon nach einem halben Jahr musste der Kaiser die Maßnahme wieder zurücknehmen. Der Zentralfriedhof war auch nicht von Anfang an beliebt – in Wien dauert es eben, bis man das Herz der Bewohner erobert hat. Die vielen Ehrengräber haben dabei geholfen.
6) Klein, aber oho
Wien ist bekanntlich nicht die größte Stadt der Welt. Gemessen an der Anzahl der bestatteten Menschen ist der Wiener Zentralfriedhof trotzdem der zweitgrößte Friedhof weltweit. Blickt man auf die Fläche, belegt er mit 2,5 Quadratkilometern im globalen Ranking den siebten Platz, in Europa landet er auf Platz 2. Vorreiterin ist die Stadt auch beim Bestattungsmuseum, es ist das Erste weltweit. Auf der Bewertungsplattform Tripadvisor hat es übrigens fünf von fünf Sternen.
7) Mit Humor geht es schon irgendwie
Egal, wie schlimm eine Situation ist, der Humor steht einem in Wien trotzdem zur Seite. Die Stadt hat sogar eine eigene Figur, die das verkörpert. Der liebe Augustin überlebt den Pestausbruch in Wien, obwohl alles schiefgeht, das nur schiefgehen kann – und dabei bleibt er auch noch gut drauf.
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