Warum es in Wien viel weniger Morde und Gewalt gibt als früher
Dass Wien früher einmal sicherer war, wird in sozialen Medien und auf den Stammtischen gerne verbreitet, ist aber schlichtweg Unsinn. Alleine zwischen 1975 und 1985 gab es 16 Terroranschläge in der Stadt. Die PLO, der Terrorist Carlos oder die RAF verbreiteten Angst und Schrecken. Serienmörder wie Jack Unterweger, Wolfgang Ott oder Elfriede Blauensteiner trieben später ebenso ihr Unwesen, Schüsse in Rotlichtgegenden wie dem Gürtel waren keine Seltenheit. 1991 wurden etwa zwei Polizisten ermordet.
Die Leiter der Mordgruppe im Sicherheitsbüro (heute Landeskriminalamt) waren ständig in den Medien und früher wegen ihrer häufigen Auftritte bekannt in der ganzen Stadt. Es gab Berühmtheiten wie den Kriminalisten Georg Rabensteiner, der an mehreren tödlichen Schießereien mit Drogendealern beteiligt waren.
Bis zu 57 Morde in einem Jahr
In den 70er-Jahren wurden rund 40 Morde pro Jahr in Wien registriert, die höchste Zahl überhaupt gab es laut Statistik Austria 1984 mit 57 Bluttaten. Der Einbruch in der blutigen Bilanz begann erst Ende der 90er-Jahre.
Die Ursachen für die Rückgänge sind vielfältig: So gab es damals eine illegale Glücksspielszene (mit dem Spiel Stoß), Jugendbanden oder die Ost-Mafia waren aktiv. Auch generell war die Gewaltbereitschaft höher - in den 70ern wurden rund 70.000 Menschen pro Jahr wegen Körperverletzung verurteilt, heute sind es nur noch rund 6000.
Doch mit der Jahrtausendwende wurden DNA-Vergleiche zum Standard und gleichzeitig gab es praktisch keine Serienmörder mehr. Möglicherweise auch, weil mit Hilfe der Genetik die Klärungsquote oft hundert Prozent erreichte und damit weitere Taten verhindert wurden. Dazu wurden die gerichtsmedizinischen Obduktionen aus Kostengründen reduziert, weshalb vermutlich etwas weniger Morde entdeckt werden - etwa Tötungen mit Gift wurden seit Jahren nicht mehr entdeckt.
Seit dem Jahr 2008 wurden jedenfalls nie mehr wieder über 20 Morde gezählt, 2020 sogar als absoluter Tiefpunkt nur noch acht. Dass in der offiziellen Kriminalstatistik 14 Fälle zu finden sind, hat einen einfachen Grund: Die Polizei stuft Todesfälle eher als Mord ein, um entsprechende Ermittlungen voranzutreiben. Vor Gericht werden diese aber eben mitunter als Notwehr oder Körperverletzung mit Todesfolge gewertet, das betrifft etwa jeden dritten Mordfall.
Diese oft unterschiedlichen Zählweisen machen auch internationale Vergleiche obsolet. Fix ist jedenfalls, dass Österreich keine besonders hohe Zahl an Frauenmorden hat, die heute allesamt fälschlicherweise als Femizide bezeichnet werden. Tatsächlich ist es gerade in hochtechnisierten und sicheren Ländern (mit strengen Waffengesetzen) oft so, dass es keine blutigen Bandenkämpfe und deshalb weniger männliche Opfer gibt. Neben Österreich ist das beispielsweise auch in der Schweiz oder Südkorea so, dass es deshalb etwas mehr Tötungsdelikte an Frauen gibt.
Bemerkenswert ist auch, dass in Wien die Zahl der Gewalttaten so stark gesunken ist, obwohl die Bevölkerung von 1,6 Millionen (1970) auf über zwei Millionen heute gestiegen ist. Grund dafür ist vor allem der Zuzug von Gastarbeitern und Flüchtlingen. Lebten 1961 lediglich 1,4 der Bevölkerung mit einem ausländischen Pass in der Stadt, so sind es mittlerweile 35,4 Prozent. Dennoch ist die Zahl der Morde auf fast ein Drittel gesunken.
Laut Mercer-Studie ist Wien aktuell sogar die 6.-sicherste Stadt der Welt. Angeführt wird das Ranking von Luxemburg, gefolgt von Helsinki, Basel, Bern, Zürich - und dann kommt schon Wien.
Rückblick auf eine blutige Zeit
Anfang 1983 erschießt der 18-jährige Günter L. unweit der Reichsbrücke zuerst seinen eigenen Cousin, dann seine Ex-Freundin und ihre Mutter in Wien-Landstraße.
Ende der Neunziger-Jahre töten zwei falsche Gaskassiere in der Wollzeile eine Pensionistin. Einer der beiden begeht anschließend in seiner Wohnung in der Rainergasse Suizid, der zweite liefert sich eine Schießerei mit der Polizei im Hochhaus beim Matzleinsdorfer Platz, bei der ein Freund des Täters erschossen wird, der vom Mörder als menschliches Schutzschild missbraucht wurde.
Mehrfach-Morde waren früher keine Seltenheit. Rund 60 Opfer sollen von den drei Lainzer Mordschwestern getötet worden sein, fast ein Dutzend vom Journalisten Jack Unterweger oder vermutlich sechs von der Pensionistin Elfriede Blauensteiner, wohnhaft am Hundsturm in Margareten.
Banküberfälle, Skinheads und Straßenschlachten
Auch gab es Raube mit Schießereien, bekannt war etwa der Bankräuber Pumpgun-Ronnie. Auch die Ostmafia war in den Neunzigern aktiv, so wurde in der noblen Annagasse ein georgischer Geschäftsmann mit einer Maschinenpistole ermordet. Nicht die einzige Bluttat damals mit der tschechischen Scorpion-MP.
Begünstigt wurde all dies durch den Jugoslawien-Krieg, weshalb viele (auch automatische) Schusswaffen im Umlauf waren. Bei der Übergabe solcher Kriegswaffen an die Polizei gab es Ende der 90er-Jahre sogar einen weiteren Mord, bei der die Sekretärin des Übergebers mit einer fingierten Handgranate auf der Höhenstraße getötet wurde.
Die Gewalt war früher um ein Vielfaches höher - die gerichtlichen Verurteilungen waren in den Siebzigern mehr als zehn Mal so hoch wie jetzt. Auch Jugendbanden gab es, Skinheads oder Red Brothers zum Beispiel. In den Neunzigern lieferten sich die Gangs Straßenschlachten untereinander - teilweise mit Leuchtstiften, einer Art Leuchtpistole. 20 Jahre zuvor waren Polizei und Linksextremisten die Gegner, als um besetzte Häuser (Arena, Aegidigasse) oder rund um den Opernball gekämpft wurde.
Heute sind solche Gewaltexzesse die Ausnahme - die Kriminalität ist in die virtuelle Welt abgewandert. So wurden im abgelaufenen Jahr etwas mehr als 40.000 Körperverletzungsdelikte angezeigt, jedoch fast 65.900 Internetdelikte.
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