Sicherheitsbüro: Als Wien die weltbeste Polizei hatte
Die Wiege des Verbrechens in Wien liegt im Liechtenthal, heute im Bezirk Alsergrund. Dort standen einst 200 Häuser, zwanzig davon waren Wirtshäuser.
"Als das Sicherheitsbüro errichtet wurde, war der Hot Spot der Kriminalität in Wien im Liechtental beheimatet, daher wurde die Zentralstelle zur Bekämpfung dieser im Gebäude Rossauerlände, Ecke Berggasse etabliert", erklärt Max Edelbacher, der letzte Chef des SB. "Wichtig war die unmitelbare Nachbarschaft des Polizeigefangenhauses, wo etwa 800 Personen inhaftiert werden können."
Das "K. k. Sicherheitsbureau" wurde 1858 nach dem Vorbild der Surete´ in Paris gegründet. Kaiser Franz Josef hatte Ritter Le Monnier nach London und Paris entsandt, um nach den damals führenden Polizeieinrichtungen eine Polizeireform in Österreich vorzunehmen. "Die uniformierte Polizei wurde nach dem Londoner Vorbild, die Kriminalpolizei nach dem französischen Vorbild eingerichtet", erklärt Edelbacher. Hausdurchsuchungen und Festnahmen, die zuvor von der Polizei aufgrund von Instruktionen vorgenommen worden waren, erhielten erstmalig eine gesetzliche Grundlage.
Sicherheitsbüro-Chef löste Mordfälle
Ein großer Fall in der Frühzeit war etwa der Dienstmädchenmörder, der mit seinen Komplizen vier Frauen innerhalb eines Jahres tötete. Hugo Schenk war nach einer zehn Jahre dauernden Karriere als Hochstapler und Heiratsschwindler zunächst als falscher Graf aufgeflogen. Im Gefängnis lernte der Tscheche den Dieb Karl Schlossarek kennen. Gemeinsam mit Schenks Bruder machten sich die zwei Männer mit Zeitungsinseraten auf die Suche nach weiblichen Opfern, die sie mit fantasievollen Geschichten zunächst um ihr Erspartes erleichterten und anschließend töteten. Unmittelbar nach dem letzten Mord wurde Schenk in Schlossareks Wohnung in der Sturzgasse verhaftet und zum Tod durch den Strang verurteilt.
Für die Verhaftung des Mörders verantwortlich zeigte sich Kommissar Karl Breitenfeld, der in Zeitungsberichten damals als "erfolgreichster Kriminalist der österreichisch-ungarischen Monarchie" bezeichnet wurde. Der Leiter des Sicherheitsbüros in der Berggasse war eine Legende, er soll während seiner Amtszeit eigenhändig mehr als vierzig Kapitalverbrechen aufgeklärt haben, heißt es.
Wien als Zentrum der Kriminalistik
Um 1900 wurde das "Büro für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung" eröffnet. Aus dieser Spezialabteilung entwickelte sich die "Wiener Schule für Kriminalistik". Polizisten aus Europa und den USA standen damals reihenweise Schlange, um revolutionäre Methoden zur Klärung von Geld- und Dokumentenfälschungen oder die "Daktyloskopie" - das Verwenden von Fingerabdrücken - zu lernen.
"Das Konzept von Ritter le Monnier ging jedenfalls auf: Wien hatte zum Ende der Monarchie die damals weltbeste Polizei, was Dr. Schober, der von Kaiser Karl 1914 zum Polizeipräsidenten in Wien ernannt worden war, ermöglichte, 1923 in Wien die Interpol zu gründen", erklärt Edelbacher. Lange Zeit war der jeweilige Wiener Polizeipräsident automatisch auch Chef der Interpol.
Und Ernst Geiger, der mehr als zwei Jahrzehnte die Mordermittlungen in Wien geleitet hat, ergänzt: "Das SB gab von 1858 bis 1938 und von 1945 bis 2002. Es wurde noch 1938 von den Nazis aufgelöst und ging in der Kriminalpolizeileitstelle Wien auf. Nach der Befreiung Wiens im April 1945 entstand das SB wieder."
In Geigers Amtszeit fielen zahlreiche spektakuläre Verbrechen: "Die Palmers-Entführung, die Böhm-Entführung, die Lainzer Todesschwestern, die Favoritner Mädchenmorde, Pumpgun-Ronnie, die GTI-Bande, Jack Unterweger, Ott, Frodl und einiges mehr", erinnert sich die Kripo-Legende. Journalisten und Polizisten waren damals eng verknüpft, so mancher Fall wurde unter Mithilfe der schreibenden Zunft gelöst. Mitunter wurden in den Medien sogar falsche Spuren gelegt, um Täter zu Dingen zu verleiten, die sie schließlich überführten. Auch manche Einvernahmeprotokolle wurden von Journalisten geschrieben, Tatortfotos von Pressefotografen angefertigt, weil diese meist schneller vor Ort und besser ausgerüstet als die offiziellen Polizeifotografen waren.
1988 wurde jedenfalls Edelbacher zum Leiter des Sicherheitsbüros berufen. Mehr als 200 Kriminalisten arbeiteten damals neun Referate aufgeteilt. Wegen seiner Kritik an der Polizeireform im Jahre 2002 wurde er zunächst in das damals noch kleinere und eher unbedeutende Bundeskriminalamt versetzt. Im Oktober 2002 löste Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) das Sicherheitsbüro komplett auf und Edelbacher kam nach Favoriten als Leiter des Kriminalkommissariates Süd. Das Ende hatte also mehr politische als sachliche Gründe. An Stelle des Sicherheitsbüros trat zunächst die Kriminaldirektion 1, die später in das Landeskriminalamt Wien umgewandelt wurde.
Die Kriminalität ist seit Auflösung des Sicherheitsbüros um fast zwanzig Prozent zurückgegangen, die Zahl der Morde hat sich halbiert. Heute gibt es mehr Internet- als Gewaltdelikte. Aber die Grundlagen der Kripoarbeit blieben unverändert, meint Geiger: "Die Grundfertigkeiten erfolgreicher Ermittlungsarbeit sind über die Zeiten gleichgeblieben: Das sind das zähe Zusammentragen von Fakten, das richtige Bewerten und das rasche Fassen von Entschlüssen." Allerdings: "Das Rayonskriminalbeamtensystem in den Bezirken lieferte auf Grund der Lokalkenntnisse wertvolle Informationen, die heute niemand mehr hat."
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