Hauptstadt von 3 Millionen Toten: Wie der Zentralfriedhof zur Wiener Institution wurde

Hauptstadt von 3 Millionen Toten: Wie der Zentralfriedhof zur Wiener Institution wurde
Mit seinen drei Millionen Toten ist der Zentralfriedhof die zweitgrößte Nekropole der Welt. Ein Rückblick auf die frühen Jahre einer Wiener Institution.

Wie groß Wien einmal werden sollte, sieht man am besten auf dem Zentralfriedhof. Mit seinen zwei Quadratkilometern ist er flächenmäßig der zweitgrößte in Europa, bei der „Einwohnerzahl“ liegt er mit drei Millionen Toten sogar weltweit auf Platz 2 (hinter dem 1.400 Jahre alten Friedhof Wadi as-Salam im Irak).

Als er am 1. November 1874 eröffnet wurde, war die Größe nicht übertrieben. Erstens wurden gleichzeitig die fünf „Kommunalfriedhöfe“ aufgelassen. Und zweitens war Wien die rasant wachsende Hauptstadt eines Vielvölkerstaats. Seit dem Untergang des Habsburgerreichs wirkt der Zentralfriedhof etwas überdimensioniert – so wie Wien damals der Beiname „Wasserkopf“ verpasst wurde.

Hauptstadt von 3 Millionen Toten: Wie der Zentralfriedhof zur Wiener Institution wurde

In der Zwischenkriegszeit waren spezielle Leichenstraßenbahnen im Einsatz, die zwischen den Wiener Spitälern und dem Zentralfriedhof verkehrten

Die letzte Bim

Bei der Eröffnung lag der neue Friedhof noch außerhalb des Stadtgebiets – Kaiserebersdorf wurde erst 18 Jahre später eingemeindet – und war entsprechend schwer erreichbar. Für Friedhofsbesucher gab es eine anfangs noch mit Pferden betriebene Tramwaylinie, für die Beförderung der Leichen war allen Ernstes die Errichtung einer Art Rohrpostanlage angedacht. Die Idee wurde dann zwar nicht umgesetzt (zu teuer!), tatsächlich im Einsatz aber waren in der Zwischenkriegszeit spezielle Leichenstraßenbahnen, die zwischen den Wiener Spitälern und dem Zentralfriedhof verkehrten.

Die 15.000 Bäume, die den Zentralfriedhof heute zu einer der größten Grünflächen der Stadt machen, mussten erst einmal in den Himmel wachsen. Der frühe Zentralfriedhof war ein kahles Feld. Kein Wunder, dass er nicht besonders beliebt war.

Hauptstadt von 3 Millionen Toten: Wie der Zentralfriedhof zur Wiener Institution wurde

Um das Image aufzupolieren, verlegte man die Gräber berühmter Persönlichkeiten auf den Zentralfriedhof, zum Beispiel das von Ludwig van Beethoven 

Der Promi-Faktor

Um das Image aufzupolieren, setzte die Stadt auf den Promi-Faktor. Man verlegte die sterblichen Überreste berühmter Persönlichkeiten, die auf anderen Wiener Friedhöfen bestattet waren. So kommt es, dass sich auf dem 1874 eröffneten Zentralfriedhof die Gräber von Ludwig van Beethoven ( 1827), Franz Schubert ( 1828) oder Johann Nestroy ( 1862) befinden.

Der Zentralfriedhof ist ähnlich aufgebaut wie die Stadt Wien: an der Peripherie die Flächenbezirke (Armengräber), im Zentrum eine imposante Kirche, darum herum die besten Adressen (Ehrengräber). Die Ringstraßenpalais des Zentralfriedhofs sind die Grüfte in den „Alten Arkaden“. Die Familie Mautner-Markhof belegt hier zwei Grüfte mit Platz für insgesamt 30 Särge. Das als Eingang zu einem Bergwerksstollen gestaltete Grabmal erinnert an den Unternehmer August Zang ( 1888), Erfinder des Croissants und Gründer der Presse.

Zweite Ausbaustufe

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden nach Plänen des Wiener Architekten Max Hegele die Aufbahrungshallen und die Kirche errichtet. Dass das im Jugendstil gestaltete Gotteshaus bis in Details an die Otto-Wagner-Kirche am Steinhof erinnert, ist eher kein Zufall: Der berühmte Architekt saß in der Kommission, die den Entwurf des jungen Kollegen prämierte, und ließ sich davon offenbar inspirieren.

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