Joesi Prokopetz und der Zentralfriedhof: Leich’ und Leich’ gesellt sich gern

Joesi Prokopetz und der Zentralfriedhof: Leich’ und Leich’ gesellt sich gern
Der KURIER bat Joesi Prokopetz zur Begehung des Zentralfriedhofs, dem er schon zum 100er einen (Ohr-)Wurm gewidmet hat.

Wir treffen einander vor dem zweiten Tor. Dort, wo (angeblich) einmal das Schild „Parken nur für Anrainer“ hing. Der Dichter der unsterblichen Moritat „Es lebe der Zentralfriedhof“ blendet „bei Wiens besten Waldviertlern“ am Stand „eh scho wuascht“ zurück ins Jahr 1974.

Joesi Prokopetz, damals 22 und – seit „Da Hofa“ drei Jahre davor – Leibtexter seines gleich gesinnten Studienkollegen („mehr im Hawelka als an der Grafischen“) Wolfgang Ambros entnahm dem KURIER eine „postkartengroße“ Meldung: „Der Zentralfriedhof ist 100.“ 

Binnen zweier Stunden hatte er die Sterbenswörtlein seiner bitterbösen Ballade beinander: „Aber ohne Woiferls Komposition und Timbre und ohne Arrangement von Christian Kolonovits wär’s nie was geworden.“

Prokopetz, der spätestens seit seinem 70er Geburtstage nimmer feiert, sondern „erleidet“, findet aber durchaus ernste Worte an der Schwelle zur Endlichkeit. Etwa, frei nach Thomas Bernhard: „Der Tod ist eine einzige Zumutung für jeden Geistesmenschen.“ Oder, Woody Allen in Sachen Tod zustimmend: „Ich bin nach wie vor dagegen.“ So besteigen wir vorsichtshalber den Fiaker des Herrn Walter, der Gelehrige gern durch den geschichtsträchtigen Gottesacker geleitet.

Genies, Helden und Feiglinge

Seine Rossnaturen Gulliver und Justy traben wunschgemäß zu den Hunderten Ehrengräbern. Dort halten wir bei den Nachbarn im großen Geiste, Manfred Deix (Nr. 10, 33 G) bzw. Werner Schneyder (Nr. 11, 33 G), inne. Deix verfügte ein Groucho-Marx-Zitat auf seiner Parte: „Sterben ist wirklich das Allerletzte.“ Und Schneyder räsonierte auch noch diesseits: „Angesichts des Heldenfriedhofes frage ich mich: Wo liegen die Feiglinge?“ Stets fanatisch auf der Fährte finaler Feinsinnigkeiten fehlt freilich oft die exakte Quellenangabe genialer Grabinschriften – „Zurück zum Stummfilm“ (glaublich Clark Gable), „Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht aufstehe“ (Ustinov oder etwa doch Hemingway?) und vor allem „Lieber wäre ich in Philadelphia“ (ganz sicher von W. C. Fields).

Sehr hübsch, wenn auch vermutlich (zu) vielversprechend: die Tatsache, dass auch der Zentralfriedhof über einen Notausgang verfügt.

Joesi Prokopetz und der Zentralfriedhof: Leich’ und Leich’ gesellt sich gern

Notausgang

Sein wichtigster Titel

Weltliche Endstation der Kutschfahrt: Das „kalorische Kraftwerk“ der Kurkonditorei. Wir fragen uns, hin- und weggerissen von mehreren Strudeln, woran ein Diabetiker stirbt, und einigen uns auf: „Am letzten Zucker.“

Joesi Prokopetz und der Zentralfriedhof: Leich’ und Leich’ gesellt sich gern

Erstaunlich – um nicht zu sagen: jenseitig –, dass der Krimiautor seinen jüngsten Roman („Der Frauenausborger“, 224 Seiten, Servus, 20 Euro) aus der Sicht eines Toten erzählt. Denn:

Prokopetz ist überzeugter „säkularer Humanist“ – auch er glaubt, sogar an eine bessere Welt, „aber durch Vernunft, guten Willen, Toleranz und den freien Austausch von Ideen“. Woran er nicht glaubt, sind übernatürliche Erklärungen für die Welt und ihre Phänomene. Er hält es mit dem phantastischen Realisten Arik Brauer (Ehrengrab 13, 33 G): „Es gibt eine kurze Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht.“

Dabei beneide er alle, „die Trost in dem Glauben finden, es gäbe da noch was nach dem Tod“. Ein Ehrengrab würde er „schon aus Kostengründen“ annehmen, sich aber niemals darum bewerben. Und was einmal auf seinem eigenen Grabstein stehen soll?

„Gott gibt’s nicht, sterben Sie unbesorgt, darunter: Josef Prokopetz – und dazu klein, aber leserlich: Professor.“

Letztes Wort: „Es lebe der Zentralfriedhof“ war offenbar doch nicht der wichtigste Titel seiner Karriere.

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