Analyse: Deshalb stürzte die Ethiopian-Boeing wirklich ab
Der Absturz einer Boeing 737-MAX8 der Ethiopian (mit drei Österreichern an Bord) dürfte bereits wenige Sekunden nach dem Abheben seinen verhängnisvollen Lauf genommen haben. Das meinen vom KURIER befragte Luftfahrtexperten, die den nun veröffentlichen Zwischenbericht der äthiopischen Behörden analysiert haben.
Und ein interessanter Aspekt dabei: Das heftig umstrittene Stabilitätsprogramm MCAS (hier eine ausführliche Erklärung dazu) dürfte sogar nur eine Nebenrolle gespielt haben.
Eine tragende Rolle bei dem Absturz spielt hingegen der so genannte Angle-of-Attack-Sensor. Mit diesem wird die Luftlage bestimmt, also ob die Nase des Jets zu hoch oder zu niedrig ist. Es gibt einen auf der linken Seite - über diesen bekommt MCAS die Informationen. Und es gibt einen rechten, der bisher nicht in das Computer-System angeschlossen ist.
Kurz nach dem Start kommt es offenbar zu einem ganz großen Problem, plötzlich zeigt der linke (wichtige) Sensor einen Winkel von 74,5 Grad an. Das ist unmöglich, das wäre fast ein Senkrechtstarter. Tatsächlich dürfte der Winkel zum Boden nur rund 15 Grad betragen haben, wie der unbeschädigte Sensor anzeigt.
Beschädigtes Pitotrohr
Und wenig beachtet ist ein weiteres Detail: Gleichzeitig zeigt auch das linke Pitotrohr, über das die Geschwindigkeit gemessen wird, plötzlich wirre Daten an, die im Laufe des weiteren Fluges immer mehr von der Realität abweichen werden.
Die Frage ist also, was löste bereits unmittelbar nach dem Start diese Probleme aus? Dafür gibt es laut den Experten zwei mögliche Ursachen. Variante eins wäre ein technischer Fehler, etwa ein Softwareproblem. Das ist aber eher unplausibel, warum sollten zwei Sensoren exakt zur gleichen Zeit ausfallen und das nur auf einer Seite?
Vogelschlag als Ursache?
Deshalb dürfte die zweite Möglichkeit wahrscheinlicher sein, es gab einen "Einschlag" in der Startphase. Am wahrscheinlichsten wären dabei Vögel. In der Startphase zieht der Pilot die Maschine meist so stark hoch, dass er selbst einen ganzen Schwarm gar nicht mitbekommen muss. Gerade in Addis Abeba gab es das bereits mehrfach, allein zwischen 2009 und 2015 sind fünf Kollisionen mit Vögelschwärmen bekannt. Am 25 Juli 1990 stürzte deshalb eine Boeing 707 (Transportflieger) ab, die vierköpfige Crew starb.
Unmittelbar nach dem mutmaßlichen Zusammenprall wird der so genannte Stick Shaker aktiv (siehe Video). "Das ist etwa so wie wenn man im Fitnesscenter auf einer Rüttelplatte steht", sagt ein Experte zum KURIER. Und dieses Klopfen wie ein Presslufthammer bleibt bis zum Absturz dauerhaft aktiv.
Dass die Piloten bei dem Lärm, falscher Geschwindigkeitsanzeige und schwankender Fluglage die Ruhe bewahren, ist fast schon unglaublich. Denn wenige Sekunden nach dem Ausfall der Sensoren wird die Flugzeugnase erst nach unten und dann gleich wieder nach oben gedrückt.
Bei rund einer Minute wird der "Stick Shaker" aktiviert:
Insgesamt zehn Mal wird das MCAS-System eingreifen (ähnlich wie beim Absturz der Lion Air in Indonesien), weil es glaubt in einem mit beinahe Höchstgeschwindigkeit im rasanten Steigflug zu sein. Ist das aber nun wirklich der Fehler der Software?
Viele Warnmeldungen
Jedenfalls folgt ein gröberer Kampf gegen die Automatik. Auch verschiedenste Warnmeldungen machen sich immer wieder bemerkbar. Die Piloten greifen auf die Empfehlungen von Boeing zurück und versuchen die Trimmung (also die richtige Luftlage) händisch einzustellen.
Doch das Flugzeug wird dabei immer schneller, damit werden alle händischen Eingriffe in Flugklappen immer schwieriger. Die beiden Piloten lassen sich deshalb also doch wieder von der Elektrik helfen. Damit wird im Hintergrund aber plötzlich auch wieder MCAS aktiv - und macht - wegen der falschen Sensordaten - genau das Gegenteil von dem, was die Crew gerne hätte.
Nach knapp fünf Minuten ist der Kampf endgültig verloren. Die Nase geht nach unten, 15 Sekunden dauert der Absturz aus rund 400 Metern Höhe. Die letzten Worte des Piloten lauten: "Hochziehen, hochziehen".
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