Wie ich eine Telefon-Betrügerin abblitzen ließ
"Jetzt läutet das Handy schon wieder." Schon klar, als Journalist gehört das zum Arbeitsalltag. Aber im Chronik-Ressort sind es dann doch eher Telefonnummern aus Österreich, die dir auf deinem Handy angezeigt werden. Ab und zu ist schon mal eine aus der EU dabei, aber ständig Großbritannien und Rumänien ist schon komisch.
Dann aber auch wieder nicht, schließlich ist meine Telefonnummer berufsbedingt öffentlich im Internet verfügbar und damit natürlich beliebte Anlaufstelle für Telefonbetrüger jeglicher Art.
Jetzt sitzt Ihrem Redakteur manchmal der Schalk im Nacken. So wie zuletzt, als ich auf einen dieser betrügerischen Anrufe eingegangen bin. Nur zum Schein natürlich, aber dazu später mehr.
Die Aussicht auf das schnelle Geld hat Menschen schon immer zu großen Risiken verleitet. Aber noch nie war es so einfach wie heute, das hart verdiente Kapital blitzschnell wieder zu verspielen. Denn die Betrüger stehen heute nicht mehr als Hütchenspieler an der Straßenecke, sondern haben ihre kriminellen Machenschaften ins Internet verlagert. Und damit dorthin, wo der Schein mehr zählt als das Sein.
Und dann ist das Geld plötzlich weg ...
Das macht es den Betrügern wiederum einfach, Menschen mit utopischen Gewinnversprechen anzulocken. So wie zuletzt einen Kärntner, der zunächst 20.000 Euro mit Aussicht auf Verdreifachung in Bitcoin "investierte" - und am Ende mit einem Verlust von 45.000 Euro da stand.
Denn er hatte nicht bei einem der zahlreichen seriösen Anbieter investiert, sondern auf der Plattform eines betrügerischen Netzwerks, das vermutlich international tätig ist.
- Der Betrug mit Kryptowährungen hat im vergangenen Jahr einer Studie zufolge Rekordausmaße erreicht. Allerdings erhöhte sich auch das gesamte gehandelte Volumen von Cyberdevisen massiv.
- Laut Angaben der Marktforschungsfirma Chainalysis vom Donnerstag wurden 2021 bei kriminellen Machenschaften Kryptowährungen im Wert von 14 Milliarden Dollar veruntreut. Das sind 80 Prozent mehr als im Jahr davor und so viel wie noch nie. Das Gesamtvolumen im Krypto-Handel verfünffachte sich der Studie zufolge auf 15,8 Billionen Dollar.
- Wegen der Betrugsfälle sind Aufsichtsbehörden alarmiert. Sie warnen vor allem Privatleute vor möglichen Totalausfällen ihrer Krypto-Investments. Weltweit arbeiten Finanzaufseher deshalb an einer geeigneten Regulierung für die Branche.
Wie sich legal Bitcoin kaufen lassen, ohne Gefahr zu laufen, betrogen zu werden, hat Kollegin Melanie Klug übrigens in diesem Artikel recherchiert:
Die betrügerischen Plattformen sind oft nicht als solche zu erkennen, verstecken sich hinter professionell gebauten Homepages und vermitteln einen professionellen Eindruck. Das Versprechen? Maximale Chancen auf einen Riesengewinn.
So funktioniert der Betrug
Die Masche der Kriminellen ähnelt sich: Beim Bitcoin-Betrug bauen die Täter als angebliche Anlageberater ein Vertrauensverhältnis zum potenziellen Opfer auf. Ihr Angebot: Auf digitalen Plattformen wird mit Bitcoins gehandelt, der Gewinn davon wird ausbezahlt. Ist das Geld dafür einmal überwiesen, wird es sofort weiter transferiert um später keine Rückschlüsse mehr darauf ziehen zu können.
Nur wie unterscheiden sich die Anbieter? Worauf muss ich achten? Und wie erkenne ich auf einen Blick, dass es sich um Betrug handelt?
- Die erste Warnung fällt leider zu oft der Gier zum Opfer: Wenn etwas zu gut klingt, dass es wahr sein könnte, ist es das meistens nicht. Oder anders gesagt: Werden mir zwei- bis dreistellige Renditen innerhalb kürzester Zeit in Aussicht gestellt, dann handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um Betrug.
- Woher kommt das Unternehmen, gibt es ein Impressum auf der Homepage, wer sind die Verantwortlichen? Ist das alles nicht auf den ersten Blick ersichtlich, Finger weg.
- Gute Virenschutzprogramme können erkennen, ob derartige Internetseiten eine potentielle Sicherheitsgefährdung darstellen.
- Aggressive Vertriebsmethoden, Werbeeinschaltungen mit Prominenten auf Facebook, leuchtende und blickende Buttons auf der Homepage - alles zusammengenommen oder einzeln für sich Warnungen, dass etwas nicht stimmen kann.
Eine weitere Betrugsform in Verbindung mit der Paketflut zu Weihnachten waren SMS, die das Eintreffen eines Pakets bei einer Abholstation meldeten - inklusive Link zu einer betrügerischen Homepage. Dort werden dann Viren auf dem Handy installiert - wenn man Glück hat.
Ich selbst hätte ja auch fast mal aus Versehen drauf gedrückt. In der Eile kann so etwas schon einmal passieren. Was mir aber nicht passieren kann, ist das Reintappen in diverse telefonisch aufgestellte Betrugsfallen. So wie zum Beispiel letztens, als mich eine nette Dame - deutscher Akzent, österreichische Handynummer - anrief und wissen wollte, ob ich denn nicht mein Abo bei der Klassenlotterie zu günstigen Konditionen verlängern wollte. Sie sei dazu "gesetzlich" verpflichtet, sonst würden mir "immense Mehrkosten" entstehen.
Kleinvieh macht auch Mist
Na bumm, dachte ich mir da noch bei einem der ersten dieser Anrufe - und auch nur im ersten Moment. Schließlich weiß ich als mündiger Internetnutzer ja, welche Abos ich wo wie wann und überhaupt abgeschlossen habe. Und Klassenlotterie, ich? Nein nein, fix nicht. Dennoch: Damit wird vermittelt, der Anruf sei seriös, und bei einigen Menschen wird das Gefühl entstehen, das alles habe schon seine Richtigkeit.
Außerdem ist die Stimme ja so freundlich und will einem bestimmt helfen. Nur verbirgt sich dahinter oft eine Betrugsmasche, die vielfach gar nicht der Polizei gemeldet wird, weil die daraufhin monatlich vom Konto abgebuchten Beträge relativ klein sind. Jetzt macht aber Kleinvieh mit zweistelligen Eurobeträgen auch Mist, sonst würden es diese Betrüger ja gar nicht erst versuchen.
Mein Telefonat mit Sabine ...
Was man dagegen machen kann? Eigentlich nicht viel. Wenn es aber meine Zeit und Laune erlauben, lässt sich schon auch mal ein Spaß aus so einem Anruf machen. Mit dem erfreulichen Nebeneffekt, die Betrügerin am anderen Ende der Leitung zumindest zu blockieren, damit sie in dieser Zeit niemanden anderen betrügen kann.
Sabine hieß sie also, die Dame am Telefon. Und wie ich da so interessiert nachfragte, woher sie denn meine Daten hätte und was mir denn eine Verlängerung bringen würde, ahnte sie wohl noch nicht, dass sie mich bald übel beschimpfen würde. Vielmehr steigerten wir uns im Gespräch von einem möglichen Gewinn zum nächsten, am Ende fragte ich, ob es denn auch eine Insel in der Südsee gebe. Weil wenn ich diese dann gewinnen würde, wäre es mein größter Wunsch, sie, Sabine nämlich, dorthin mitzunehmen.
... dauerte länger
Na sehr gerne würde sie das machen, wenn ich doch jetzt endlich meine Kontakt- und Kontodaten herausgeben würde, schließlich warten noch andere "Kunden der Klassenlotterie" auf ihr Service. Ich begann hingegen darüber zu sprechen, welche Bücher ich denn unbedingt einpacken müsse. Fragen nach ihrem Leseverhalten blieben unbeantwortet.
Gute zehn Minuten waren da schon vergangen - wohl eine Ewigkeit in der Realität einer betrügerischen Telefon-Keilerin, deren Anrufe vermutlich (hoffentlich!) in den allermeisten Fällen nach dem ersten oder zweiten Satz abgebrochen werden. Aber noch immer gab es einen Funken Hoffnung in ihr, die Zeit wollte schließlich nicht verschwendet sein. Also begann sie zu flirten, stellte mir sogar einen Insel-Besuch im Bikini in Aussicht.
Damit war für mich das Ende des Gesprächs erreicht. Ob es ihr denn nicht schlecht dabei gehe, Menschen um ihr Geld zu bringen, fragte ich? Was ich damit meine, so ihre Antwort, um gleich darauf mit einer Schimpftirade zu beginnen, was ich doch nicht für ein schlechter Mensch sei.
Ob mir das mit John oder Stewart, den Finanzberatern aus Großbritannien, die mir ständig ein Investment in Bitcoin andrehen wollen, auch gelingt? Wenn das nächste Mal das Handy läutet, werde ich es zumindest versuchen.
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