Eine Blumenwiese mit Bienen, Mäusen, Ameisen, einer Schildkröte. Vom Himmel lacht eine Sonne, dazu der Schriftzug: „Good Bye“. Jemand hat sich redlich Mühe gegeben – in der Tristesse der Gefängniszelle wirken die Malereien an der Wand aber hoffnungslos verloren.
Bis zu zehn Personen verbringen bis zu 23 Stunden am Tag eingesperrt auf diesen rund 40 Quadratmetern. Mit einer Toilette, einem Waschbecken. Sie schlafen auf Hochbetten mit kratzigen Decken und einem Lattenrost aus dicken Holzlatten. Kastentüren hängen teils schief in den Scharnieren. Es zieht.
Wir befinden uns in Österreich, in Wien-Josefstadt.
Die Justizanstalt im Herzen der Hauptstadt bildet auf engstem Raum ab, woran der Strafvollzug quer durch Österreich krankt.
Wo beginnen? Zunächst mit dem Offensichtlichen: dem Platzmangel. Die Josefstadt ist permanent überbelegt. Statt 900 Insassen sind es meist um die 1.100. Hafträume wie der beschriebene wären für bis zu sechs Personen gedacht, meist müssen hier aber acht bis zehn leben.
9.212 Menschen sitzen den 28 Haftanstalten ihre Strafe ab, darunter auch 621 Frauen.
Der Anteil an Ausländern liegt bei 53 Prozent, 18 Prozent kommen aus der EU, 35 Prozent sind Nicht-
EU-Bürger.
3.176 Planstellen hat die Justizwache.
An Budget hat der Strafvollzug 535 Mio Euro. Das ist ein Drittel des gesamten Justizbudgets.
Dann der Sanierungsbedarf. Das Mobiliar ist abgenutzt, die Räume an sich aber gepflegt – so gut es eben möglich ist unter den Umständen. Im kommenden Jahr soll eine Generalsanierung starten. Darauf warten auch andere Justizanstalten seit Jahren vergeblich. Von den angekündigten Neubauten und Adaptionen im Bereich des Maßnahmenvollzugs ist schon lange keine Rede mehr.
Drittens: die Personalnot. Aktuell sind 245 Planstellen unbesetzt. Jüngst wurden die Zugangsbeschränkungen gelockert – man hofft auf Nachwuchs, aber die Ausbildung dauert. Personal fehlt auch im medizinischen Bereich. Im Gefängnisalltag kommt freilich die soziale und kulturelle Komponente zum Tragen: Mehr als die Hälfte der Insassen österreichweit sind Ausländer, in der Josefstadt liegt der Anteil bei fast 70 Prozent.
Was dabei herauskommen kann, wenn zu wenig Ressourcen für Betreuung und Kontrollen vorhanden sind, konnte man jüngst beobachten: Jener Mann, der Bombenattentate auf Wiener Christkindlmärkten und in anderen Städten geplant haben soll, machte das von seiner Zelle in der JustizanstaltHirtenberg aus – mit einem versteckten Handy.
Politisch vernachlässigt
Was sich hinter den dicken Gefängnismauern abspielt, welche Zustände dort herrschen, tangiert die breite Öffentlichkeit freilich nur, wenn es Vorfälle wie diesen gibt.
Helene Pigl, Anstaltsleiterin in der Josefstadt, hat dafür nur eingeschränkt Verständnis: „Natürlich kann man sagen: Die Leute, die hier sitzen, haben etwas angestellt, die haben nichts Besseres verdient. Aber wer muss es ausbaden, wenn Menschen unter solchen Umständen eingesperrt sind und nicht anständig resozialisiert werden können? Die Gesellschaft.“ Ihr Appell an die Regierung: „Man muss Geld in die Hand nehmen – auch, wenn es unpopulär ist.“
Die türkis-blaue Regierung investierte zuletzt stark in Polizeipräsenz, die Justiz hingegen wurde weiter ausgedünnt. Es brauchte offenbar einen parteifreien Justizminister, um das Problem klar zu benennen: Übergangsminister Clemens Jabloner warnt in seinem Wahrnehmungsbericht, den er seiner grünen Nachfolgerin Alma Zadić hinterlässt, dass das Ressort seit Jahren „chronisch unterbudgetiert“ sei. 2020 brauche es 90,6 Millionen Euro zusätzlich, nur um den Betrieb aufrechtzuerhalten – davon fast 40 Millionen alleine im Strafvollzug.
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