Omikron in Österreich: Das große Zittern in den Skigebieten
Wie es in den Wintersportgebieten läuft, hängt ganz davon ab, wo man nachfragt. Die Faustregel lautet einmal mehr: Je internationaler die Ausrichtung, desto schlimmer die Lage. Zur Orientierung: In den großen Skigebieten im Westen des Landes kommen mitunter 80 Prozent der Gäste aus dem Ausland – sofern sie in ihren Herkunftsländern nicht in Quarantäne müssen oder wegen Omikron lieber gleich zu Hause bleiben.
Immerhin steht Österreich seit dem Christtag nicht mehr auf der deutschen Liste der Hochrisikogebiete. Für Ungeimpfte und Kinder unter 12 Jahren entfällt nach der Rückkehr die Quarantänepflicht. Eine gute Saison ist aber in weiter Ferne. Laut Umfrage der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) ist die Auslastung der Betriebe im Jänner und Februar "im Keller".
Die Verunsicherung bei den Gästen wegen Omikron sei enorm, jede zweite Buchung sei wieder storniert worden. "Mit 33 Prozent für den gesamten Jänner und 46 Prozent im Februar ist man weit weg von Wirtschaftlichkeit", sagt ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer. Der KURIER hat in Skigebieten nachgefragt.
Am Semmering, dem wohl beliebtesten Hausberg der Wiener, geistern die Szenen aus dem vorjährigen Winter noch im Kopf herum. Trotz "epidemiologisch bedenklicher" Lage hatten die Massen über die Weihnachtsfeiertage das Skigebiet gestürmt – ein Großteil davon tummelte sich zum Rodeln auf der Passhöhe.
Tagesskigebiete müssen auf Besucherlenkung setzen
Wie die Bewegungsanalysen der Mobilfunkanbieter zeigten, stammte das Gros der Besucher aus Wien. Bürgermeister Hermann Doppelreiter musste sogar Absperrgitter und Sicherheitspersonal einsetzen, um die fast 5.000 Gäste pro Tag in geordnete Bahnen zu lenken.
Winterurlauber
Rund zwei Drittel der Gäste kommen zum Skifahren nach Österreich. Jährlich werden rund 50 Millionen Skitage gezählt, das entspricht einem Sechstel des Weltmarktes
Gästemix
Die wichtigsten Herkunftsmärkte im Winter sind traditionell Deutschland (22,3 Prozent), gefolgt von Österreich und den Niederlanden (13 bzw. 6 Prozent) – Zahlen aus der Vor-Corona-Saison 2019/’20
225,7 Euro am Tag
gibt ein Skiurlauber statistisch gesehen aus. Davon entfällt ein Drittel auf die Beherbergung, 15,5 Prozent auf die Seilbahnen, 15 auf die Gastronomie und 14 Prozent auf den Transport (Zahlen aus 2018/’19). Im Durchschnitt geben Winterurlauber mehr Geld aus als Sommerurlauber
90 Prozent
weniger Gästenächtigungen zählte die Statistik Austria im vorigen Winter
Seilbahnen
253 Seilbahnunternehmen und rund 550 Schlepplift-Unternehmungen (mit einem oder mehreren Schleppliften) zählt die Branche in Österreich
Ski-Industrie
Österreich war vor Ausbruch der Pandemie mit einem Absatz von 444.900 Paar Ski (Alpin- und Tourenski) weltweit der zweitgrößte Absatzmarkt nach den USA
Kassenumsätze
Die Kassenumsätze der Seilbahnen lagen im Winter 2019/’20 bei 1,412 Milliarden Euro. In den vergangenen zehn Jahren hat die Seilbahnwirtschaft insgesamt sechs Milliarden Euro investiert, 1,4 davon in die Schneesicherheit. Von 23.700 Hektar Pistenfläche sind aktuell 70 Prozent beschneibar
Auch in diesem Winter wird den Ausflugsgebieten mit Nähe zum Wien und den Ballungszentren in Niederösterreich besondere Bedeutung zukommen. "Die Reisebeschränkungen oder erneute Betretungsverbote in der Hotellerie werden wohl zu einem kompletten Einbruch der Auslandsnachfrage und wahrscheinlich dazu führen, dass viele Skigebiete im Westen ihren Betrieb radikal zurückfahren.
Einzig Destinationen in Tagesausflugsdistanz von inländischen Ballungszentren könnten die – allerdings auf die gesamte Volkswirtschaft bezogen eher bescheidene – Ausnahme von der Regel sein", erklärt Markus Redl, der Leiter der NÖ-Bergbahnen.
Online-Ticket billiger
Am Semmering, dem Hochkar, am Wechsel, dem Ötscher oder am oststeirischen Stuhleck geht man von einer extrem starken Nachfrage durch Tagesgäste aus – die Vorweihnachtszeit hat dies bereits deutlich gemacht. Mehrtages- und Hotelgäste spielen in diesen Regionen wegen der vergleichsweise geringen Bettenanzahl nur eine untergeordnete Bedeutung.
Um die Besucherströme besser lenken zu können, hat man im vorjährigen Winter fast flächendeckend das Online-Ticketing eingeführt. "Mit dem Vorteil, dass damit eine Kontingentierung und weit effektiveres Kapazitätsmanagement möglich ist", so Redl.
Es gibt sogar gewisse preisliche Zuckerln als Bonus: Wer sich am Hochkar und am Ötscher bereits vorab online registriert und sein Ticket kauft, erspart sich drei Euro auf den Kartenpreis. Unter dem Strich bedeutete Corona aber auch für Tagesskigebiete eine wirtschaftlich herausfordernde Zeit. In den niederösterreichischen Skigebieten gab es im Vorjahr um 40 Prozent weniger Ersteintritte und minus 20 Prozent bei den Erlösen.
Verzweiflung in Tirol: "Die Lage ist dramatisch"
Jeder vierte Euro in Tirol wird direkt oder indirekt im Tourismus verdient: Das ist die Statistik, die VP-Landeshauptmann Günther Platter und Vertreter der Branche über Jahre wie eine Monstranz vor sich hertrugen. In Zeiten von Corona zeigt sie, wie groß die Abhängigkeit des Bundeslandes von diesem nun so krisengebeutelten Sektor ist.
Nach den vergangene Woche verkündeten Einreiseverschärfungen für Gäste aus den wichtigen Herkunftsmärkten Großbritannien und den Niederlanden sowie Dänemark und Norwegen herrscht in der Branche Wut und Verzweiflung.
Angesprochen auf die Stimmung bei den Unternehmern, versucht Oliver Schwarz, Geschäftsführer des Ötztal Tourismus, Contenance zu bewahren: "Die Leute sind fassungslos, was da alles abgeht. Wir müssen jetzt das Chaos der Politik aufräumen. Ein Unternehmen, das so geführt würde, wäre schon lange Pleite", sagt er zum Krisenmanagement der Bundesregierung.
Triste Buchungslage
Das Ötztal – vor allem das hintere – gehören zu jenen Tiroler Regionen, die besonders stark von Briten gebucht werden. "25 Prozent unserer Gäste kommen von der Insel", erklärt Schwarz. Die Einreisebeschränkungen für Briten waren unmittelbar nach der Ankündigung zu spüren. "Da gibt es zum Beispiel ein Hotel mit 300 Betten, das 120 Mitarbeiter und jetzt nur noch 90 Gäste hat", nennt er ein Beispiel.
Tirols Tourismussprecher Mario Gerber kennt sogar Häuser, die es noch schlimmer erwischt hat. Es sind nicht per se die Maßnahmen, die er kritisiert, sondern vielmehr die Kurzfristigkeit der Entscheidungen. Aus Sicht von Florian Phleps, Chef der Tirol Werbung, "hat das Urlaubsland Österreich sicher einen Dämpfer im Vertrauen bekommen." Die Hoffnung sei aber, "dass die Nachfrage nach Winterurlaub weiter sehr groß ist auf unseren Märkten."
Gerber malt ein düsteres Bild: "Die Lage im Tiroler Tourismus ist dramatisch. Sie ist noch schlimmer als im vergangenen Winter", sagt er. In diesem ist die Saison bekanntlich komplett ausgefallen. "Aber damals gab es keine laufenden Kosten, weil die Betriebe zu waren. Jetzt sind sie offen, das Personal ist da, die Lebensmittel sind gekauft", so der VP-Politiker. Er geht davon aus, dass viele Betriebe nicht überleben, "wenn jetzt nicht rasch unbürokratische Hilfen fließen."
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