Neben Corona: Baut sich jetzt auch noch eine Influenza-Welle auf?
Im Winter 2020/2021 ist die Grippewelle weltweit ausgefallen. Doch heuer scheint sich das trotz Lockdowns und Hygienemaßnahmen nicht zu wiederholen: Insbesondere in Ländern im Norden und Osten der europäischen Region der WHO steigt die Zirkulation der Influenzaviren bereits an, heißt es im jüngsten Wochenbericht der deutschen "Arbeitsgemeinschaft Influenza" (AGI).
Die Europäischen Krankheitskontrollbehörde ECDC und die Weltgesundheitsorganisation WHO nennen in ihrem jüngsten gemeinsamen Influenza-Bericht vier Länder mit einem bereits landesweiten Nachweis von Influenzaviren: Albanien, Norwegen, Russland und Schweden.
In allen anderen Ländern gibt es einstweilen nur regionale oder auch noch gar keine Virusaktivität, in 15 Ländern (darunter auch Österreich) noch keine wirklich messbare Virusaktivität: Vom nationalen Influenza-Überwachungsnetzwerk sind erst zwei Fälle nachgewiesen worden.
Hoch war in der Kalenderwoche 50 (13.12. bis 19.12.) laut dem Bericht die Virusaktivität in der Republik Kosovo, auf mittlerem Niveau in Kasachstan und Russland und vorerst noch auf niedrigem Niveau u.a. in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Estland, Serbien, der Slowakei und Schweden. IIn der Slowakei gab es lokale Influenzaausbrüche.
Und die Zahl der Nachweise steigt: In Schweden waren zuletzt bereits 43 Prozent der im nationalen Überwachungssystem von Ärzten eingeschickten Abstrichproben positiv.
Auch das Zentrum für Virologie der MedUni Wien schrieb zuletzt von einer "zunehmenden Influenzavirusaktivität" in ganz Europa.
"Nicht auf weitere Daten warten"
In der ganzen Europa-Region der WHO lag der Anteil positiver Proben in der KW 49 bei 11 Prozent und damit über dem Grenzwert für den Beginn der Influenzasaison (zehn und mehr Prozent in zwei aufeinanderfolgenden Wochen). In der Kalenderwoche 50 waren es 9,5 Prozent. "Angesichts der Nähe dieses Wertes zu der Schwelle (von zehn Prozent, Anm,.) und im Lichte der forgesetzten Covid-19-Pandemie mit ihren Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme halten wir es für klug, nicht auf weitere Daten zu warten um den Beginn der Influenza-Epidemie festzulegen."
Und es gebe auch bereits Influenza-Fälle auf Intensivstationen in der Europa-Region der WHO.
"Deutlich mehr Fälle als im Vorjahr"
Auch in Deutschland gab es bis zur KW 50 erst 449 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle. "Im Vergleich mit den letzten fünf vorpandemischen Saisonen sind diese Werte sehr niedrig. Es wurden jedoch deutlich mehr Fälle als im Vorjahr übermittelt", heißt es in dem AGI-Bericht.
Einen Anstieg gab es zuletzt in Österreich bei den grippalen Infekten: Von 4860 Neuerkrankungen in Wien in der Kalenderwoche 49 auf 8000 Neuerkrankungen in der Kalenderwoche 50, berichtet der Grippemeldedienst der Stadt Wien.
Sehr häufig sind nach wie vor auch Infektionen mit RS-Viren. Das Respiratorische Synzytial-Virus (kurz RS-Virus oder RSV) ist bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von zwei Jahren der häufigste Auslöser von akuten Infektionen der unteren Atemwege. In den ersten drei Lebensmonaten können diese besonders schwer verlaufen.
Studien zeigen, dass Doppelinfektionen mit Corona und Influenza zu einem schlechteren Verlauf bei der Erkrankungen und zu einer höheren Sterblichkeit führen können. Das Risiko aufgrund einer Infektion mit beiden Viren zu sterben oder einen schweren Verlauf zu haben war sogar höher als die Summe der Einzelrisiken pro Krankheit.
Eine gleichzeitige Impfung gegen Covid-19 und Influenza ist übrigens möglich, ein zeitlicher Abstand ist medizinisch gesehen nicht erforderlich.
Eine neue Studie zeigt überdies, dass bei Omikron die Symptome vielfach denen einer Erkältung ähnlich sind - etwa eine rinnende Nase, Niesen oder Halsschmerzen. Geruchs- und Geschmacksverlust kommen hingegen seltener vor.
Typisch für die Influenza ist, dass die Symptome wie hohes Fieber, Glieder- oder Kopfschmerzen meist sehr plötzlich, innerhalb weniger Stunden, auftreten. Dementsprechend fühlt man sich auch sehr rasch sehr krank. Bei Covid-19 sind die Symptome in den ersten Tagen hingegen meistens milder und werden erst mit dem Zeitverlauf schwerer.
Ungewöhnliche Grippe-Welle in Brasilien
Wie unberechenbar die Entwicklung heuer ist, zeigt das Beispiel Brasilien: Dort ist Mitte Dezember - im beginnenden Sommer - eine Grippe-Welle ausgebrochen, was äußerst ungewöhnlich ist. Vor allem in Rio de Janeiro und São Paulo kam es zu zahlreichen Infektionen. Laut brasilianischen Medienberichten kam es in São Paulo in einer Dezember-Woche zu mehr Spitalsaufnahmen wegen Influenza als 2020 zwischen März und Juni. Und die Fälle von Atemwegsversagen durch Influenza sind in Rio de Janeiro bereits mehr als die entsprechenden Fälle durch Corona - denn in Rio ist Corona durch eine Impfquote von mehr als 90 Prozent weitgehend zurückgedrängt.
Und: Der derzeit noch verfügbare Grippe-Impfstoff ist an den derzeit zirkulierenden H3N2-Stamm nicht angepasst, seine Wirksamkeit dadurch vermindert. Ein neuer, angepasster Impfstoff wird aber erst für Februar erwartet.
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