Schadenersatz: Das endlose Leiden von Verbrechensopfern
Markus A. und Philipp M. (Namen von der Redaktion geändert) werden diesen Abend im vergangenen Juli nie vergessen. Er hat ihr Leben verändert. Nicht zum Guten. Die beiden jungen Männer wurden in Wien-Simmering angegriffen. Markus A., er ist eigentlich Mechaniker, kann seither nicht mehr arbeiten. Sein Jugendfreund Philipp M. blieb zwar körperlich unversehrt. Doch die psychischen Folgen machen dem Tischler massiv zu schaffen.
Der mutmaßliche Täter: Ein Nachbar, laut eigenen Angaben hatte er zuvor sieben Flaschen Bier und Schnaps getrunken. In Streit gerieten die drei Männer beim Gassi gehen mit ihren Hunden. „Die Jessica (13-jähriger Havaneser-Malteser-Mix) ist frisch operiert worden. Aber er hat einfach seinen Hund (Spitz-Mischling) von der Leine genommen“, schildert Markus A. den Anlass für den folgenschweren Disput.
„Der hat ein Messer!“
Wenig später soll der mutmaßliche Täter mit einem Küchenmesser aus seiner Wohnung zurückgekommen sein. „Pass auf, der hat ein Messer!“, schrie Philipp M. Zwei Mal wurde Markus A. in den Arm gestochen, dabei wurde auch ein Nerv durchtrennt. Der Mechaniker kann seither seine Finger nicht mehr bewegen, den Arm kaum einsetzen. Ob er das jemals wieder kann, ist unklar.
Die beiden Männer konnten schließlich davonlaufen, retteten sich in eine Wohnhausanlage.
An den Folgen leiden sie jeden Tag. Sie verspüren Angstzustände, haben Konzentrationsstörungen. Arbeiten wie zuvor? Im Moment unmöglich. Ein Umzug? Nicht leistbar. Neben körperlichen und psychischen Folgen plagt speziell Markus A. die finanzielle Notlage. Ob die beiden jemals eine Entschädigung bekommen, ist unklar. „Der mutmaßliche Täter arbeitet als Küchenhilfe. Da wird nicht viel Geld übrig bleiben. Zumindest hat sein Arbeitgeber zugesagt, ihn wieder aufzunehmen“, sagt Rechtsanwalt Johannes Öhlböck, der die Opfer vertritt.
Dass Opfer um Schadenersatz-Ansprüche umfallen, selbst wenn sie vom Gericht verfügt werden, kennt er nur allzu gut. „Wir können nur hoffen, dass Angehörige des Verdächtigen einspringen.“
Die Geschichte der beiden jungen Männer ist kein Einzelschicksal. Auch das Leben von Johann Ruzicka aus Niederösterreich ist nicht mehr so, wie es einmal war. Der ehemalige Tankstellenpächter wurde 2003 an seinem Arbeitsplatz überfallen, die Täter fesselten und schlugen ihn, einer hielt ihm einen Gegenstand an die Schläfe – begleitet von der Drohung: „Kein Laut, sonst bist du tot!“
Täter ging in Konkurs
Ruzicka überlebte, die Räuber konnten gefasst und verurteilt werden. Doch mit dem Erlebten abschließen kann der heute 73-Jährige noch immer nicht. Das liegt auch daran, dass der Pensionist noch immer auf einen Großteil der 40.000 Euro wartet, die ihm auf dem Zivilrechtsweg zugesprochen worden sind.
Der Haupttäter, der bereits nach der Hälfte der Haftstrafe entlassen wurde, begann ein Studium und meldete in weiterer Folge Privatkonkurs an, die Rechtsschutzversicherung hilft dem Niederösterreicher auch nicht mehr. Und selbst das Verbrechensopfergesetz (siehe rechts) greift bei Ruzicka nicht. Denn dieses gilt nur für Opfer von Verbrechen, die nach dem 31. Mai 2009 begangen wurden. „Es ist zum Verzweifeln, niemand kann mir helfen“, sagt der 73-Jährige, der jetzt den Europäischen Gerichtshof mit der Causa befassen möchte.
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