Rocker: Helden oder Kriminelle?
Männlich, weiß, älter als 21, Besitzer einer Harley Davidson (ab 750 Kubikzentimetern), von einem Mitglied unterstützt, Vorstrafen sind dienlich. So umschreibt das Innenministerium das Anforderungsprofil für eine Mitgliedschaft bei den berüchtigten Hells Angels. Im Bundeskriminalamt wurde in der Fachgruppe Organisierte Kriminalität eine eigene Abteilung eingerichtet – das Rockerreferat. Gruppierungen wie die Hells Angels, aber auch die neu aufkommenden "Bruderschaften" wie die United Tribuns werden als "kriminelle Organisationen" eingestuft.
"Pauschalurteile"
Die Rocker selbst sehen sich als Freigeister und klagen darüber, dass sie in der Öffentlichkeit nur mit ihren schlechten Taten gesehen werden. "Der angesprochene Ruf wird von Medien erzeugt und geschürt, um Storys zu konstruieren. Pauschalurteile sind klägliche Versuche, Sachen zu erklären, die man nicht versteht", sagt Ernst Graft, Organisator des Toy Runs. Für diesen kauften die Motorradfahrer Kuscheltiere und verschenkten sie dann an Waisenkinder.
Verwiesen wird in der Szene eben auch auf den Amoklauf in Vorarlberg am vergangenen Wochenende. Vier Mitglieder des Motorradclubs "The Lords" verhinderten wohl ein schlimmeres Blutbad, indem sie den Täter einkreisten. Diese Vorgehensweise entspricht dem Selbstverständnis der Biker, Probleme intern zu lösen. Denn Polizei und Medien sind ohnehin die größten Feinde.
81 "Filialen" in Österreich
Militärische Strukturen
Die meisten Clubs entstanden, weil Kriegsveteranen nach Hause kamen und sich keinen Gesetzen mehr unterwerfen wollten. Die Hells Angels etwa sind nach einer Fliegerstaffel im Zweiten Weltkrieg benannt. Dass Deutschland derzeit ein Rockerproblem hat, hat seinen Ursprung auch darin, dass sich die dort stationierten US-Soldaten niederließen und Motorradclubs gründeten.
Musik, Tattoos, Kokain
Die einzelnen Filialen der bekannten Clubs sind sehr unterschiedlich, so sind die Hells Angels in Wien und Vorarlberg unauffällig, der Tiroler Ableger fiel bisher vor allem durch Berichte über angeblichen Drogenhandel auf. "Es ist ein Milieu, in dem man sich bemühen muss, nicht kriminell zu werden", sagt ein Insider. Die Branchen, in der die Rocker aktiv sind, gehen von legal über halblegal bis illegal. In Österreich sind sie aktiv im Musikgeschäft, in der Pokerszene, bei sportlichen Kämpfen, bei Tätowierstudios, im Rotlicht, als Türsteher oder eben auch im Kokainhandel. Dieses Image der wilden Männer ist aber auch zu einem Markenzeichen geworden. Sogar eine deutsche Bausparkasse warb mit Rockern. Die Gründerfamilie der Kultmarke Harley Davidson bedankte sich vor einigen Wochen bei den Hells Angels für das Image, dass die Maschine durch sie bekommen hat. Deswegen versprühe Harley Davidson den Spirit von "Freiheit und Cowboys".
In Österreich war die Blütezeit der Rockerszene in den 80er-Jahren. Heute haben die Rocker ein Altersproblem. Die Gründungsmitglieder sterben langsam aus, die Jugend ist nicht mehr so leicht zu begeistern. Heuer mussten die Hells Angels erstmals überhaupt ein Charter (in Graz) zusperren.
Die "neuen Rocker" kommen
Derzeit versucht etwa der Boxclub Osmanen Germania nach Österreich überzusetzen. Der Club aus türkischstämmigen Mitgliedern zeigt Videos mit bewaffneten Osmanen und dem Spruch: „Wir kommen und übernehmen das ganze Land“.
United Tribuns in Österreich
Die Tribuns sind hingegen aktuell in Konflikt mit den Black Jackets, die im deutschen Heidenheim im April ein ranghohes Mitglied der Tribunen erschossen haben. Die Black Jackets sind in Österreich vorerst noch nicht aktiv, allerdings in fast allen Nachbarstaaten.
Die heimische Polizei hat die Szene sehr aufmerksam im Auge und ist stets informiert über alle aktuellen Entwicklungen.
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