Österreichs Landeshymnen: Blutrünstig, falsch, von Rassisten
Ein Text, der die Bürger auffordert, dem Land untertan zu sein und ein antisemitischer Autor namens Franz Stelzhamer. Diese Kombination hat die Interessensgemeinschaft (IG) Autoren dazu veranlasst, eine neue Landeshymne für Oberösterreich anstelle des „Hoamatgsangs“ zu fordern. Ein genauerer Blick zeigt jedoch: Andere Landeshymnen schneiden nicht besser ab.
Dort wo Tirol an Salzburg grenzt, singen etwa die Kärntner. Auch wenn im ganzen sogenannten Kärntner Heimatlied kein einziges Mal das Wort Kärnten fällt – dafür zwei andere Länder – ist vor allem die vierte Strophe heiß umstritten: Wo Mannesmut und Frauentreu’/die Heimat sich erstritt aufs neu’/wo man mit Blut die Grenze schrieb/und frei in Not und Tod verblieb/hell jubelnd klingt’s zur Bergeswand/das ist mein herrlich Heimatland!
„Diese Strophe gehört sofort gestrichen“, sagt Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autoren. Sie sei blutrünstig und habe eine mehr als fragwürdige Autorin: Agnes Millonig, bekennende Nationalsozialistin und Verfasserin von „Das Heilige Ja“, welches sie 1938 zum Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland dichtete. Dabei hätte die Hymne, getextet von Johann Nepomuk Thaurer Ritter, eigentlich eine ganz harmlose vierte Strophe gehabt.
Einen Autor mit „Naserümpfen“ hat laut Ruiss auch die niederösterreichische Hymne: Franz Karl Ginzkey, der für sein Kinderbuch „Hatschi-Bratschis Luftballon“ aus dem Jahre 1904 bekannt ist. Für Zeithistoriker Roman Sandgruber erstaunlich, dass die Hymne noch nicht öfters kritisiert wurde: „Ginzkey war Nationalsozialist, und zwar keinesfalls nur ein Mitläufer“, sagt er.
Flüsse fehlen
Inhaltlich skurril wird es hingegen in der Steiermark. Stimmen die Steirer ihre Hymne an, besingen sie die wunderschöne Landschaft: Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust, bis zum Wendenland am Bett der Sav’/und vom Alptal an/das die Mürz durchbraust/bis ins Rebenland im Tal der Drav’ – das Problem: Bis auf die Mürz fließen die genannten Flüsse heutzutage nicht mehr durch die Steiermark, sondern durch das slowenische Stajerska.
„Die Inhalte sind alle mehrere hundert Jahre alt. Eine Hymne hat jedoch ein Anrecht auf Gegenwart und Zukunft. Sie muss zeitgemäß sein“, ist Ruiss überzeugt. Jede Hymne habe ihre Zeit. Nach Ende der Monarchie habe es auch keine Kaiserhymne mehr gebraucht.
Andreas-Hofer-Lied Das Andreas-Hofer-Lied ist seit 1948 die offizielle Landeshymne von Tirol und besonders geschützt: Der Text darf nicht verändert werden. Die Hymne handelt von der Hinrichtung des Freiheitskämpfers Andreas Hofer und soll demonstrieren, wie umkämpft das Land Tirol war. Nach wie vor hat die Hymne einen hohen Stellenwert
Unterscheidung Prinzipiell lassen sich Landeshymnen in zwei Kategorien unterscheiden: Die einen huldigen der Schönheit des Landes, die anderen beziehen sich auf Entstehungsmythen
Populär-Hymnen Laut Gerhard Ruiss vo der IG Autoren sind populäre Hymnen wie „I am from Austria“ von Rainhard Fendrich wichtig. Sie
spiegeln eher den Zeitgeist wider
Staatssymbol Eine Hymne gehört wie eine Flagge zu den Staatssymbolen. Die Hymnen sind in den jeweiligen Landesgesetzen verankert, mit Ausnahme von Salzburg: Sie ist in einer Verordnung geregelt
Rückenwind bekommen die Landeshymnen hingegen von den einzelnen Landesregierungen. So betonen die Landeshauptmänner Thomas Stelzer (ÖVP) von Oberösterreich und Peter Kaiser (SPÖ) von Kärnten sowie Kulturlandesrat Christopher Drexler von der Steiermark in ihren Stellungnahmen, dass die Hymnen immer aus der Zeit heraus kritisch betrachtet werden müssen.
Dieser Ansicht ist auch Sandgruber. Er hält nichts von Modernisierungen, wie es bei der Bundeshymne mit „Heimat großer Töchter und Söhne“ erfolgt ist. Denn Landeshymnen sind Teil der Landesidentität. „Eine Änderung ist immer eine Frage der Anerkennung. Ich stelle fest, dass viele die Änderung nicht singen.“
Keine eigene Hymne
Nicht wirklich mitreden können bei dieser Debatte die Wiener, denn die Hauptstadt hat keine eigene Hymne. Eine „heimliche“ gibt es laut Stadt Wien trotzdem: den Donauwalzer. Und gefühlt kennen diesen österreichweit mehr Menschen als die jeweilige eigene Landeshymne.
Aber ist es doch Kunst?
Nun hat die Landeshymnen eine Diskussion erreicht, die in der Kulturwelt schon länger geführt wird, zuletzt auch recht heftig: Wie sehr man nämlich Werk und Autor trennen darf, oder, je nach Geschmack: soll oder muss.
Wagner hören (auch Antisemit, von den Nazis ideologisch missbraucht)? Otto-Muehl-Kunst schauen (Missbrauch)? Nolde ins Kanzlerinnenzimmer hängen (auch Nazi?) Doderer lesen? Nie wieder Domingo hören? Doch wieder Kevin-Spacey-Filme schauen?
Dass manche Künstler im echten Leben ordentliche Fieslinge sind, verdirbt vielen den Geschmack an deren Werk. Doch es lässt sich auch der Punkt machen: Viele Werke (wohl fast alle der oben genannten) übersteigen ihre Autoren so grundlegend, dass man sie von diesen ablösen kann.
Dass es hier keine einfachen Antworten gibt, zeigt die IG Autoren (siehe oben) selbst: Vor der nunmehrigen Kritik an etwaigen politischen Untragbarkeiten der Hymnenautoren verteidigte sie vehement Peter Handkes Werk – gegen Kritik an der politischen Irrlichterei des Autors. Aber das Argument geht sich doch halbwegs aus: Denn rein künstlerisch bewegt man sich bei den Hymnentexten in der Funktionskunst. Hier soll Gemeinschaft geölt werden. Und da diese heute demokratisch zu sein hat, darf man über Hymnen mit undemokratischen Wurzeln ruhig zwei Mal nachdenken.
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