Debatte über oö. Landeshymne: „Franz Stelzhamer war ein Haderlump“
„Bei uns hört man davon derweil noch nichts“, sagt Pramets Bürgermeister Edi Seib: „Das ist auch am Stammtisch kein Gesprächsstoff.“ Aber wenn das Thema auf die Gemeinde zukommen sollte, müssten sich die Kulturverantwortlichen damit beschäftigen. Die Rede ist von der jüngst von der IG AutorInnen und Autoren angezogenen Diskussion, Oberösterreich möge sich eine neue Landeshymne geben. Begründet wird das mit der fragwürdigen Haltung des Mundartdichters Franz Stelzhamer (1802-1874), von dem der Text stammt. Konkret geht es um ein mit „Jude“ übertiteltes Pamphlet. Darin vergleicht er das Judentum mit einem Riesenbandwurm, der sich im Staatskörper breit mache und dessen Kopf abzuschlagen nie gelungen sei.
Stelzhamer benutze gängige Klischees und gehe weit über den damals in frühen deutschnationalen Kreisen üblichen Salonantisemitismus hinaus, hat der Schriftsteller Ludwig Laher schon vor Jahren kritisiert: „Franz Stelzhamer bedient sich achtzig Jahre vor den Nazis bereits nahezu aller rhetorischer Versatzstücke, die deren Hetzpropaganda gegen die Juden kennzeichnet.“
Antisemitismus
In Pramet steht das Geburtshaus Stelzhamers, das dem Land Oberösterreich gehört und als Expositur des Landesmuseums betrieben wird. Dorthin, nach Piesenham, führt vom Ortszentrum ein „Stelzhamer-Weg“, und es gibt das „Kulturhaus Stelzhamermuseum“. Der Namensgeber ist hier allgegenwärtig, ihm ist ein eigener Raum gewidmet. Auf einer Tafel im Stiegenhaus wird freilich auch auf seine antisemitischen Verirrungen hingewiesen.
„Was er da geschrieben hat, ist total abzulehnen“, sagt Kustos Freimut Rosenauer: „Ich verschweige bei Führungen die Schattenseiten des Dichters nicht.“ Dem Kulturverein sei es von Anfang an um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk Stelzhamer gegangen, denn „bei Weitem nicht alles hat Qualität“.
Einiges sei hingegen kostbar und zeitlos, etwa das Gedicht „Da blühade Kerschbam“. Auch decke das Jahresprogramm Traditionelles ebenso ab wie zeitgenössische Kunst oder die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Letztlich sei Stelzhamer ein typischer Österreicher gewesen, findet Rosenauer: „Bis 1848 war er revolutionär, um sich danach bei Hof anzudienen.“
Mythos hält sich hartnäckig
Der stark von Anekdoten geprägte Mythos hält sich jedoch hartnäckig: Der viel im Wirtshaus sitzende Dichter, der immer wieder die Zeche schuldig blieb und von der Mutter ausgelöst werden musste. Rosenauer kennt alle diese Geschichten. Etwa die, wo überall Stelzhamer in bierseliger Atmosphäre die Leute unterhalten habe. Oder die, wo er unter Bäumen gelegen und seinen Rausch ausgeschlafen habe. Oder die, als Maria Stelzhamer, das „Müaderl“, 13 Stunden zu Fuß von Pramet nach Passau gegangen sei, um den Sohn abzuholen.
Er trank mit der Probst des Stiftes Reichersberg
Auf dem Heimweg hätten sie in Schärding den Propst von Stift Reichersberg getroffen, der Stelzhamer überredet habe, mit ihm zu kommen. Die Mutter sei mit der Kutsche nach Hause geschickt worden.
Dieses Stelzhamer-Bild des unsteten, trinkfesten, dem Kartenspiel und dem Kegelscheiben nie abgeneigten Mannes hat sich in der Region dank oftmaliger Schilderung zur Legende verklärt. Künstler würden sich eben oft außerhalb gesellschaftlicher Normen bewegen, plädiert Rosenauer auch punkto Lebenswandel für eine differenzierte Sichtweise. „Es weiß ein jeder, dass er ein Haderlump war, der nicht viel zusammengebracht hat“, spricht sich auch Bürgermeister Seib gegen unkritische Verehrung aus. Er plädiert jedoch für Differenzierung und möchte die dichterischen Fehltritte richtig eingeordnet wissen: „Zu dieser Zeit hatten viele eine solche Gesinnung.“ Deswegen sei es zu den späteren politischen Katastrophen gekommen.
Stelzhamer-Denkmal in Ried
In der Bezirksstadt Ried wird die Erinnerung an Stelzhamer ebenfalls hochgehalten. Nach ihm ist der zweitgrößte Platz im Zentrum benannt, auf dem ein dominantes Denkmal steht. Auf einer Tafel an der Rückseite ist vom „bedeutenden oberösterreichischen Dichter“ die Rede, der zeitweise hier gelebt habe. Für mehr ist kein Platz. Sollte es den Wunsch nach einer begleitenden Information geben, werde man sich mit dem Land abstimmen, sagt Bürgermeister Albert Ortig. Einen Alleingang der Stadt werde es aber nicht geben.
Und jedenfalls würde der Lern- und Gedenkort „Charlotte-Taitl-Haus“ eingebunden, der für die eindeutige Position Rieds stehe: „Antisemitismus hat bei uns nichts verloren. Null Toleranz gegenüber dem Nationalsozialismus.“ An eine Umbenennung des Stelzhamerplatzes sei auf keinen Fall gedacht, stellt Ortig auch klar. Einigkeit herrscht in Stelzhamers Innviertler Heimat in der Hymnen-Frage. „Da wird sich mit Sicherheit nichts ändern.“ Und Kollege Seib ergänzt: „Ich bin stolz auf Pramet und stolz auf die Hymne.“
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