Hightech-Lösungen für Behinderte - mit bitterem Beigeschmack
Herr K. leidet seit seiner Kindheit an spinaler Muskelatrophie. Der 59-jährige Steirer kann längst nicht mehr stehen oder gehen. Gerade seine Finger kann K. noch ein wenig bewegen. Dennoch arbeitet der Mann als Lohnverrechner.
Für Menschen wie ihn hat die deutsche Firma exxomove einen Roboterarm konstruiert. Mit diesem kann er sich endlich kratzen, Türen öffnen, eigenständig trinken oder sogar mit einem Freund eine Runde Schach spielen.
Herr K. hat allerdings das Pech, im falschen Land geboren zu sein. In Deutschland haben schwerbehinderte Menschen einen Rechtsanspruch auf solche Hilfsmittel.
Kampf um Finanzierung
In Österreich müssen Betroffene bei den verschiedensten Institutionen betteln gehen, um so eine Erleichterung finanziert zu bekommen. Herr K. musste sogar klagen – und bekam diese Woche das Urteil, dass ihm die Finanzierung des Roboterarms verwehrt bleibt.
Kein Wunder, der Roboterarm ist laut Daniel Sturmaier von der österreichischen Vertreiberfirma Platus seit vier Jahren auf dem Markt, nur einem Grazer Beamten wurde bisher das Geld (rund 65.000 Euro) dafür genehmigt. Er bekam ihn am Freitag geliefert.
Auch Friedrich Schrittwieser kann von den Finanzierungsproblemen ein Lied singen, seine Hoss-Mobility hat einen wendigen Rollstuhl konstruiert, der wie ein Segway auf nur zwei Rädern funktioniert. Mit einem Preis von 23.000 Euro bewegt sich das Hightech-Produkt eigentlich im normalen Bereich anderer Elektro-Rollstühle auf vier Rädern.
Segway-Rollstuhl im Test
„Aber er ist wendiger, kompakter, kleiner und leichter“, sagt Experte Werner Rosenberger von einer Behinderten-Organisation, der ihn für den KURIER getestet hat. „Er schafft Steigerungen und unwegsames Gelände besser. Der Segway-Rollstuhl passt ins Auto, in fast jeden Kofferraum, da Rückenteil und Handlehnen abnehmbar sind.“ Und weiter: „Für alle wird das nicht gehen, aber es wurde schon von fitten Tetras – also Personen mit Halswirbel-Querschnitt – gekauft. Vor allem aber bei Schlaganfall oder halbseitigen Lähmungen“, berichtet der Tester.
Schrittwieser hat bisher 300 Stück davon verkauft, berichtet er: „Zwei davon hat die PVA (Pensionsversicherungsanstalt, Anm.) bezahlt. Die Gesundheitskasse hat bisher jeden Antrag unserer Kunden abgelehnt.“
Ähnliches gilt für ein Schweizer Modell, das sogar Stufen steigen kann, dank einer eingebauten Treppenraupe. „Der fährt sich wie ein Porsche, kostet aber leider auch soviel“, urteilt Rosenberger. Mit dem Scewo kann man sich außerdem ein Stück hochheben lassen, um an ein Regal zu gelangen.
Dazu gibt es mittlerweile vollwertige Computer des schwedischen Herstellers Tobii, der Schwerbehinderten mittels Augensteuerung einen vollwertigen Beruf ermöglicht. Mit diesem können sogar Rollstühle gesteuert werden. Übrigens wurde auch dieser Text mit so einem Gerät geschrieben.
Rechtsanspruch wird nicht gefordert
Doch wer als Betroffener zu derartigen Hilfsmitteln kommen möchte, der benötigt Ausdauer und Mut, sich notfalls mit allen Institutionen des Landes anzulegen – auch vor Gericht. Einen Rechtsanspruch in Österreich fordert nicht einmal die Behindertenanwaltschaft, die aber betont, zumindest im Einzelfall zu helfen.
Somit schieben sich die verschiedenen Stellen gegenseitig den Schwarzen Peter zu. „Für Hilfsmittel, die auch beziehungsweise vor allem sozialen Zwecken sowie dem Behinderungsausgleich dienen, bestehen Zuständigkeiten unterschiedlicher Financiers wie zum Beispiel Land, Sozialversicherungsträger, Sozialministeriumservice oder Fonds Soziales Wien (FSW) als soziales Auffangnetz, diverse Unterstützungsfonds und andere gesetzliche Institutionen“, fasst es Viktoria Frieser von der ÖGK zusammen.
Es kommt sogar vor, dass man hört, man möge lieber bei Licht ins Dunkel um eine Finanzierung ansuchen, das sei aussichtsreicher. Ein Behinderter, der am Leben teilnehmen oder sogar einer geregelten Arbeit nachgehen möchte ist vor allem einmal Bittsteller.
Handlungsbedarf sieht das Ressort von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) allerdings nicht: „In Österreich gilt das Prinzip einer ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden Versorgung, wobei auch hier die Gewährleistung der bestmöglichen Versorgung unserer Anspruchsberechtigten angestrebt wird. Im Gegensatz dazu stellen sich die gesetzlichen Voraussetzungen in Deutschland anders dar als jene in Österreich. So sind in Deutschland die Krankenversicherungsträger auch für den Behinderungsausgleich zuständig. In Österreich liegt hier die Zuständigkeit bei den Bundesländern.“
Damit hängt die Hilfe auch sehr davon ab, wo in Österreich man lebt. Als kundenfreundlich gilt der FSW in Wien, doch selbst dort wünscht man sich: „Eine Ausweitung der Leistungen beziehungsweise Zuschüsse der Sozialversicherungsträger für Menschen mit Behinderung wäre aus Sicht des FSW jedenfalls wünschenswert, damit sich die Betroffenen die erforderlichen Hilfsmittel finanzieren können.“
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