Nach verlorener Railjet-Tür Druck auf Ermittler
Mitte Juni verliert ein Railjet-Speisewagen bei vermutlich knapp 230 km/h eine Türe. Wie neue KURIER-Recherchen ergaben, war der Speisewagen bereits seit dem Vortag defekt. Dennoch wurde er stromlos über die Hochgeschwindigkeitsstrecke der Westbahn mitgeschleppt. Dort sind die Sogwirkungen in den Tunnels so stark, dass schon Dutzende Teile von Zügen verloren wurde. Dass die Tür nur noch an einem Scharnier hing, fiel erst im Bahnhof St. Pölten auf. Weitere drei Stunden dauerte es, bis überhaupt die Strecke gesperrt wurde, um nach verlorenen Teilen zu suchen.
Offenbar ging also einiges schief. In so einem Fall wird die Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUB) des Klimaschutzministeriums eingeschaltet, die diese Fälle untersucht. Sie soll Ursachen herausfinden und Sicherheitsempfehlungen abgeben. Doch nicht diesmal.
Im aktuellen Fall wollte man eine elektronische Überwachung der Türen vorschreiben, berichten Insider. Das würde Sicherheit bringen, aber sehr teuer sein.
Doch vor wenigen Tagen soll auf Druck von oben die gesamte Untersuchung eingestellt worden sein. Im Ressort von Leonore Gewessler wird nur die Einstellung des Verfahrens bestätigt, da es sich um keinen schweren Unfall handle. Bisher wurde in solchen Fällen allerdings stets ein Bericht erstellt.
Hinter den Kulissen gärt es schon seit Monaten. Seit bald vier Jahren ist kein einziger Bahnunfall fertig untersucht worden. „Wenn wir keine Berichte schreiben, dann gibt es auch keinen Schadensersatz für Hinterbliebene, weil diese ja unsere Expertise benötigen, berichtet ein Untersucher. Außerdem bleiben Unternehmen hohe Kosten für Sicherheitsmaßnahmen erspart. Betroffen davon sind vor allem staatliche und staatsnahe Unternehmen wie die ÖBB.
In anderen Ländern müssen derartige Untersuchungen deshalb von völlig unabhängigen Experten durchgeführt werden, die weisungsunabhängig und nicht berichtspflichtig sind. Fast immer sind sie einem Rechnungshof oder Parlament unterstellt.
Berichtspflichtig
Bei Österreichs Schienenuntersuchern gibt es hingegen seit Dezember neue Regeln, die dem Ministerium über die Eisenbahnbehörde nie da gewesene Rechte gibt.
So müssen die Untersucher nun alle drei Monate Bericht an die Oberste Eisenbahnbehörde erstatten und auf Wunsch jede Information innerhalb einer Woche zur Verfügung stellen. Über allfällige Streitereien entscheide die Sektionschefin.
Genau von dieser Sektionschefin stammt die Initiative zu dem Papier, heißt es. Kurz nach der Erstellung wechselte sie ausgerechnet zu den ÖBB.
Unmittelbar danach kündigte der einzige Untersucher, der die Eisenbahn-Fachhochschule in St. Pölten absolviert hat. Ein weiterer Ermittler ließ sich einem anderen Ministerium zuteilen.
Während das Ministerium jegliche Zusammenhänge bestreitet, berichten Untersucher von massiven Druck bei ihren Ermittlungen. Als Grundlage werde das interne Dokument (Memory of understanding) vorgebracht, das dem KURIER vorliegt.
Das Ministerium beruft sich dabei auf eine EU-Verordnung, die allerdings nur die Regelung der Zusammenarbeit der Behörde mit der Untersuchungsstelle einfordert. Berichtspflichten oder gar Durchgriffsrechte werden dort nicht erwähnt. Jedenfalls habe man trotz Abgangs des einzigen qualifizierten Mitarbeiters genügend geschultes Personal.
Da es keine Untersuchung in Sachen Railjet gibt, werden auch keine weiteren Sicherheitsmaßnahmen mehr nötig sein.
Afrika-Niveau
Der Rechnungshof und UNO-Organisationen haben die österreichische Untersuchungsstelle jedenfalls in der Vergangenheit bereits mehrfach kritisiert und sogar auf ein Niveau mit Untersuchungen in Afrika gestellt.
Eine Frau, die ihren Mann bei einem solche Unfall verloren hat und seit dreizehn Jahren auf einen Untersuchungsbericht wartet, schrieb erst vor wenigen Tagen ein berührendes Mail an den KURIER: „Ich kann nicht mehr kämpfen. Nach all den Jahren muss ich nun einsehen, dass der Tod meines Mannes nie aufgeklärt werden wird.“
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