Gutachter über Amokfahrer: "Keine Hinweise auf Schizophrenie"

Alen R. am Mittwoch vor Gericht
Psychiatrische Gutachter und Psychologin waren am Mittwoch am Wort. Der KURIER berichtete live aus dem Gerichtssaal.

Im Grazer Straflandesgericht sind am Mittwoch beim Prozess um Alen R. zwei divergierende Gutachten erörtert worden. Der mutmaßliche Amokfahrer - angeklagt, im Juni 2015 mit seinem Geländewagen drei Menschen getötet und viele verletzt zu haben - wurde von drei Sachverständigen unterschiedlich eingestuft. Nun müssen allein die Geschworenen über die Zurechnungsfähigkeit entscheiden.

>> Zur Nachlese: Hier geht's direkt zu den Ticker-Einträgen

Drei Wahnideen seien am 20. Juni ausschlaggebend für die rasende Fahrt gewesen, erklärte Müller: Eingebildete Schüsse, Angst vor Verfolgern und das Gefühl, bei der Polizei sicher zu sein. Dies sei ein "absoluter Wahn" und damit eine Geisteskrankheit. Dann fasste er zusammen: "Das Bild erfüllt die internationalen Kriterien für Schizophrenie." Diese Diagnose reiche aber allein nicht aus: "Was die Unzurechnungsfähigkeit begründet, ist der akut dekompensierte Wahn, die akute Psychose", erklärte der Psychiater. R. sei der Überzeugung gewesen: "Ich muss zur Polizei fahren, da bin ich in Sicherheit." Eine beisitzende Richterin wollte wissen, wieso R. gezielt auf Menschen zugefahren sei, wenn er nur flüchten wollte. "Er hat sie als Verfolger gesehen und wollte die Leute für die Polizei festsetzen", lautete die Erklärung Müllers.

Der Sachverständige zeigte sich davon überzeugt, dass Alen R. seine Symptome nicht vorgespielt hat. "Es gibt Dinge, die sind für ihn unkorrigierbar. Er integriert sie in seinen Alltag, das nennt man Wahnarbeit." "Schließen Sie kategorisch aus, dass er lügt?", fragte Richter Andreas Rom den Gutachter. "In den wahnhaften Punkten ja. Er hat ein konsistentes Wahngebäude geboten", führte der Sachverständige aus. Aber er räumte ein: "Ich kann mir gut vorstellen, dass er mehr weiß, als er sagt."

Die Ex-Frau von R. hatte am Vortag angegeben, dass ihr Mann zu Hause eine Cannabiszucht betrieben und täglich das Suchtgift über einen Inhalator konsumiert hatte. "Cannabis-Konsum ist typisch für Schizophrene, um diese unruhigen Zustände zu lindern. Allerdings kann das Cannabis die Psychose auch verstärken", erklärte der Gutachter.

Zurechnungsfähig

Der psychiatrische Gutachter Manfred Walzl befand, dass Alen R. zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war. Es gebe nach seiner Meinung keine Hinweise auf Schizophrenie. "Es liegt eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vor, er ist zwanghaft, abhängig, negativistisch, eigensinnig, dissozial." Einen Hinweis auf Schizophrenie habe er hingegen nicht gefunden, betonte Walzl. Anders als bei Schizophrenen, die zeitweise nicht zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden können, wird in diesem Fall "der Wahn als Rechtfertigung der Tat im Nachhinein angegeben." R. weise eine "geistige und seelische Abartigkeit höheren Grades" auf, außerdem eine Störung durch Cannabinoide. Die Ex-Frau des 27-Jährigen hatte den täglichen Cannabiskonsum ihres Mannes am Vortag geschildert.

"Ventil für seine Rachegedanken"

Die Amokfahrt stufte Walzl als "Ventil für seine Rachegedanken" ein. Der 27-Jährige habe einen "Hass und Groll auf die Gesellschaft" empfunden, gleichzeitig trieb ihn der "Wunsch, Berühmtheit durch diese Tat zu erlangen". "Er wollte seine gesellschaftliche Unterlegenheit durch eine extreme Tat wieder herstellen", erklärte Walzl.

Dass die Zurechnungsfähigkeit möglicherweise vermindert war, wollte der Sachverständige nicht ausschließen, "aber sie ist sicher nicht aufgehoben worden". Für den Fall, dass Alen R. als zurechnungsfähig eingestuft und verurteilt wird, sprach sich Walzl zusätzlich für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aus.

Der Prozess wird am Donnerstag um 9.00 Uhr fortgesetzt, dann soll es auch eine Entscheidung der Geschworenen geben.

Alen R. hat im Juni 2015 bei einer Amokfahrt durch die Innenstadt drei Menschen getötet und Dutzende zum Teil schwer verletzt. Am Dienstag waren die letzten Zeugen geladen, darunter die Ex-Frau des Betroffenen. Der Sachverständige Peter Hofmann stufte den Verdächtigen am Montag als "nicht zurechnungsfähig" ein. Bereits vergangene Woche schilderten zahlreiche Zeugen die Fahrt und belasteten den 27-Jährigen schwer.

Gutachter über Amokfahrer: "Keine Hinweise auf Schizophrenie"
ABD0021_20160928 - GRAZ - ÖSTERREICH: Der Angeklagte Alen R. vor Beginn des Prozesses am Mittwoch, 28. September 2016, im Straflandesgericht in Graz. Alen R. hat am 20. Juni 2015 während einer Amokfahrt mit seinem Auto in der Grazer Innenstadt 3 Menschen getötet und rund 100 Personen verletzt. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU/APA-POOL - ProzessAmokfahrtGraz56984

Mehr zum Thema:

LIVE

Gutachter über Amokfahrer: "Keine Hinweise auf Schizophrenie"

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Der Prozess wird noch mit dem Gutachten der Psychologin fortgesetzt.. Anita Raiger attestierte im Vorfeld  R. einen IQ von 132 und damit überdurchschnittliche Intelligenz.

    Morgen wird der Prozess fortgesetzt, da soll es dann die Plädoyers und die Entscheidung der Geschworenen geben. 

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Die Stimmung kann immer noch frostiger werden: "Verstehen Sie Parabeln nicht, Frau Verteidigerin?"

    Zur Erinnerung: Am 20. Juni 2015 wurden drei Menschen götet und mehr als Hundert verletzt.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Die Verteidigerin sagt "die sogenannte Amokfahrt...,"

    Der Gutachter will das so im Protokoll stehen haben: "Bitte zu protokollieren, dass die Frau Verteidigerin von sogenannter Amokfahrt spricht." 

    Die Stimmung zwischen den beiden wird nicht besser.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Es geht um Cannabis, um Marsmenschen und Tee, den R. getrunken haben will. Die Thematik verzettelt sich in Richtung Geisteskrankenhheiten, die nach Drogenentzug bestehen bleiben würden.

     

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Was er gemeint habe mit der Feststellung, R. habe "sein Ziel erreicht?", fragt die Verteidigerin. "Glauben Sie, er will sein Leben lang im LKH bleiben, weil es so lustig dort ist?"

    Auch nach der Pause scheint das Hickhack zwischen Verteidigung und Gutachter weiter zu gehen.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Der Prozess geht weiter. Nun geht es wieder um den 20. Juni und nicht den Beruf einer zitierten Expertin.

     

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Der Richter unterbricht für zehn Minuten. 

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Nun geht es um die Medikamente, die R. bekommt . Ob und wann die abgesetzt werden können, sei Sache der behandelnden Ärzte, antwortet Walzl auf Hirschbrichs entsprechende Fragen. 

    Der Ton zwischen  Verteidigerin  und Gutachter bleibt rau: "Sie befinden sich auf dem falschen Dampfer", ätzt Walzl in Richtung Hirschbrich. 

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Es kommt zu einem heftigeren Wortwechsel zwischen Verteidigerin und Gutachter wegen einer Expertin, die Walzl in seiner Expertise zitierte.

    "sie können nicht mal sagen, wie die Frau arbeitet. Das ist super", schnappt die Verteiderin  in Richtung Gutachter. 

    Antwort: "Das recherchiere ich nicht, wo sie arbeitet. Es gibt ihre Literatur."

    Die Verteidigerin kontert, die Dame könnte ja "eine einfache Journalistin" sein. 

     

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Verteidigerin Hirschbrich beginnt, Walzls Ausbildung zu hinterfragen: "Sie waren immer im Schlaflabor?"

    Walzl kontert, dieses Labor sei seine Spezialität und darauf  sei er stolz.

     

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Warum habe  R. am Ende der Amokfahrt bei der Polizeiinspektion gehalten?

    Walzl: "Was ist die Alternative? Erschossen zu werden? Ich glaube nicht, dass er das wollte. Dort war er in Schutz und konnte alles noch einmal erleben." Das sei das "game over seiner Handlungsweise" gewesen.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Gibt es Beispiele, das Amokfahrer später behaupten, sich nicht mehr erinnern zu können?

    Walzl: "Wir haben keine Möglichkeiten, um Erinnerungsvermögen zu erfassen."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    "Ich gehe davon aus, das R. wusste, was er tat. Dass er die Tat wollte. Einen konkreten Auslöser hat es dazu nicht gebraucht. Der Wahn stellt die Rechtfertigung dar",  fasst Walzl erneut zusammen.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    R. habe ihm gesagt, er sei nicht verhandlungsfähig, weil "er so schüchtern sei, zu sagen, dass er Rückenschmerzen habe", berichtet Walzl.

    R. erklärt im Gericht:  "Es ist mir unangenehm, dass der Prozess dann wegen mir Pausen hätte."

    Richter Rom verweist darauf, dass der ganze Prozess sowieso nur wegen ihm stattfinde. "Da kommt es auf Pausen nicht mehr an."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Ein Geschworener hinterfragt die Aussagen anderer Psychiater, R.s Medikation. "Wie passt das alles? Haben hier viele Leute Symptome nicht gesehen?"

    Walzl sagt, prinzipiell sei R. ein Jahr lang nicht mit Medikamenten  behandelt worden. "Da hat er Veränderungen gezeigt, die aber keine große Relevanz hatten. Jetzt wird er wieder behandelt. Aber was ich den Angaben der Ärzte entnehme, ist, dass sich auch dadurch nicht viel geändert hat."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Der Psychiater präzisiert, dass R. an einer schweren Geistesstörung leide. "Die Zurechnungsfähigkeit war etwas vermindert, aber sicher nicht aufgehoben."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Alen R. wird daruf hingewiesen, dass es aufgrund dieses Gutachten auch zu Schuldspruch kommen könnte.

    R.:"Ich wollte niemanden absichtlich überfahren. Ich bin unschuldig. Ich kann nichts dafür." Eine Strafe habe er nicht verdient. "Das war nicht absichtlich."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Zusammenfassend merkt Walzl an:

    "Er hat an Krankheit gelitten. Aber aus meiner Sicht hat Zurechnungsfähigkeit bestanden. Bei ihm liegt eine große Gefährlichkeit vor."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Fazit:

    "Die Tat entstand durch hohe Gekränkheit, aber er war diskretions- und dispositionsfähig", schließt Walzl. Will heißen: R. sei zurechnungsfähig gewesen.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Walzl geht auf die gegenteiligen Gutachten ein. "Jeder Gutachter hat eine Meinung. Ich habe meine gebildet." 

    R. war "auf der Suche nach einem Ventil für Rache und Hassgefühle. Die Tat lässt sich als direkte Botschaft für die verhasste Gesellschaft sehen."

    Ein Auto als Waffe sei die zweithäufigste Waffe bei Amokläufen (an erster Stelle seien Messer).

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Walzl geht auch auf R.s Cannabiskonsum ein. Auch  wenn ihm Blutanalysen das Gegenteil beweisen, behauptet er, er habe nie Cannabis genommen.

    "Die Ehefrau sagt, er hat das seit Jahre  genommen. Man weiß, Cannabis kann psychoseähnliche Symptome hervorrufen. Da kann man Marsmenschen sehen.Aber auf die Tathandlung hatte das keinen Einfluss."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    R. ringe immer noch um Aufmerksamkeit, befindet  Walzl. "Amoktäter versuchen, aus ihrer egozentrischen und menschenverachtenden Einstellung heraus, ihre empfundene Schwäche durch extreme Gewalttat wieder herzustellen. Er ringt um Anerkennung, um die Herstellung seines Selbstwertes."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Für einen Amoklauf seien soziale Faktoren wichtig, zitiert Walzl aus wissenschaftlicher Literatur.

    "Die Sozialisation bestimmt das Verhalten in der Gesellschaf. Wir haben typische Männerrollen, typische Frauenrollen und hochstilisierte Männerbilde und Frauenbilder" , holt Walzl weit aus. "Der Macho wird ja regelrecht hochstilisiert in unserer Gesellschaft. Gerade in Ländern südlich von Österreich hat der Mann ja absolute Dominanz."

    So könnten sich eine aufgestaute Wut in "Form eines Amoklaufes als Ventil" entladen."So kann er seine Macht wieder herstellen und seine Männlichkeit wieder demonstrieren. Es ist für ihn unerträglich, dass ihn die Frau verlassen hat und er des Hauses verwiesen wurde."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    R. habe eine "unerträgliche Wut" gehabt - doch sei er nun verrückt oder einfach nur schlecht? "Bad or mad", drückt sich Walzl auf englisch aus. 

    "Das Böse ist Teil des Menschen", sinniert Walzl. So gesehen sei das gar nicht so einfach zu beantworten. 

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    R. sei in seiner Männlichkeit als Beschützer und Ernährer verletzt worden.

    "Der Amoklauf war für ihn der letzte Versuch, Macht und Männlichkeit zu demonstrieren und so ein Selbstwertgefühl wieder herzustellen."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    "Wenn man sich das alles so überlegt, kommt man unweigerlich zum Begriff des Amoks", beichtet der Experte. Ein Begriff, der einst ein Kampfruf gewesen sei. 

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    "Für mich ist klar,  er sagt: Du, Stadt Graz, bist schuld, dass es mir schlecht geht", nimmt Walzl Bezug auf das Polizeivideo direkt nach der Amokfahrt. Darin sprach R. davon, er sei "wie ein Hund" behandelt worden, dann könne er ja gleich ins Gefängnis gehen.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    "Herr R. war dabei, ein Ziel erreichen zu wollen. Und er hat es aus seiner Sicht erreicht", beschreibt Walzl weiter. R. sei auf allen Ebenen gescheitert, das habe zu Hass und Groll auf die Gesellschaft geführt.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Walzl weiter: "Wie macht jemand so etwas? Das ist ja nicht alltäglich und für Österreich Gott sei Dank ein Novum"

    So etwas entstehe durch "Hass und Wut auf die Gesellschaft. Das vereine sich oft mit dem Wunsch, Bedeutung und Berühmtheit zu erlangen", betont Walzl.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Am 10. Mai 2015 war R. einmal bei der Polizei, er hat Anzeige erstattet, weil er bedroht worden sei (von einem Dealer im Stadtpark).

    "Das waren dann also nicht die Bedroher, die irgendwo jetzt im Raum stehen", kommentiert Walzl. "Da geht er um Mitternacht in den Stadtpark auf der Suche nach einer Bekanntschaft. Ich frage mich nur, wie kann man mit diesem hohen Angstpotenzial, das er angeblich hat, in den Park gehen in einer Zeit, wo ich mich nicht mehr in den Stadtpark gehen traue, weil wir wissen, was sich dort alles abspielt."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    "Aus meiner Sicht hatte R. nie Beweise auf tatsächliche Bedrohungssitutation liefern können. Das ist alles so nebulös, da kann man kein festes Gebilde auf diese Behauptungen draufstellen", so Walzl weiter.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Andere Wahnideen als die der "Verfolger" und den Schwiegervater habe er nicht geäußert. 

    "Natürlich kann man in Situationen  mit Problemen in der Ehe und keinen Beruf haben, wo Sie nur Computer spielen, denken, ja, hat sich die ganze Welt gegen mich verschworen? Aber diese Phasen hat jeder von uns."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Der 27-Jährige habe immer gesgat, er habe zur Polizei fahren wollen.

    "Abrder Satz mit der Leiter, wo R. sagt, wenn man von Leiter  runter fällt und jemandem  verletzt und der, der fällt,  dann nicht schuld sein kann - das passt nicht zu so einer psychischen Erkrankung. Hätte ein psychisch Kranker so eine Ausrede benützt?"

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    R. sage dauernd, er könne nichts dafür. "Man hört Schüsse und steht vor einer roten Ampel. Was tut man, wenn man in Panik ist?", fragt der Gutachter. "Wenn ich da einen Schuss höre,  verzeihen Sie, ich würde bei Rot nicht stehen bleiben. Und ein psychisch Schwerstkranker würde auch nicht sagen, Strafprozessrecht geht vor Straßenverkehrsordnung."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    "Dann  muss diese Wahnarbeit Lichtgeschwindigkeit angenommen haben", kommentiert Walzl: "Wir haben es mit Türken zu tun, mit Bosniern, mit dunklen Typen, mit dem Schwiegervater. Er kann sich nie an einzelne Personen erinnern."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Walzl wiederholt R.s Aussagen, unter anderem die Beobachtung durch Türken während der Fahrt oder die Sache mit der Frau, die nicht zum Date gekommen sei.

    "Er hat dann berichtet, er glaube, Leute hätten ihn bedrohlich angeschaut. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Schuss gefallen." Walzl zitiert aus seien  Protokollen: R.s Verantwortung mit dem Schuss und der Beobachtung änderte sich - plötzlich habe R. von einem Bosnier als Verfolger gesprochen.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    R. lasse Täterpersönlichkeit erkennen, die zornig sei, vor allem auf den Schwiegervater. "Der war für ihn eine unerträgliche Figur."

    R. habe gerne mit ihm geredet, erinnert sich Walzl. "Er hat die Fähigkeit, andere für sich zu vereinnahmen."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    R. sei "gefühlskalt", impulsiv und aggressiv. Er habe eine Forderungshaltung, mangelndes Schulderleben. "Er sagt, die Leute sind ja ausgewichen. Er kann nichts dafür" , beschreibt  Walzl. "Für mich stellt er sich als Täterpersönlichkeit dar, die tatsächlich sonderbar ist." 

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    R. fühle sich alleine hilflos, beschreibt Walzl. "Einer der meisten Sätze mir gegenüber war, er würde jetzt seine Mutter brauchen, die würde ihn pflegen."

    Er schaffe es nicht, sich einzuordnen. Aber beklage sich ständig, von anderen nicht beachtet zu werden. "Er verachtet Autoritäten, da erinnere ich an das zynische Auftreten vor der Polizei nach der Fahrt."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Was passiert bei einer Persönlichkeitsstörung?

    "Sie vestärkt Eigenschaften, die wir schon haben. Der Betroffene und die Gesellschaft herum leidet, das verstärkt sich mit der Zeit."

    R. leide unter Zwanghaftigkeit, sei eigensinnig und starr, bestehe auf Unterordnung anderer. "Da drängen sich bei ihm unerwünscht Gedanken und Impulse auf." Gleichzeitig sei R. abhängig, halte es aber in keinem Beruf aus. "Er benötigt andere, die für ihn Verantworung übernehmen. Diese Stadt ist schuld, weil er gescheitert ist."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    "Sie sehen ihn jetzt hier sieben Tage sitzen, ohne Regung", erinnert Walzl die Geschworenen. "Er zeigt kein Mitgefühl - außer für sich selbst."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Bei Persönlichkeietsstörung wird Wahn als Rechtfertigung nach der Tat angegeben. "Der Wahn  hatte zum Tazeitpunkt keine Rolle."

    R. habe Minderwertigkeitsgefühle, zeige unselbstständige Lebensführung. R. habe 30 Berufe versucht und sei stets gescheitert. "Er zeigte absolute Dramatisierung der eigenen Person"

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    "Der Wahn kann bei der Schizophrenie tatbestimmendes Merkmal werden. Der Unterschied zur Persönlichkeitsstörung besteht darin: De Gestörte hat ein viel zu enges Korsett, um sich zu bewegen. Da kann es sein, dass er Wahnideen entwickelt."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Der Gutachter erläutert Unterschiede zwischen Schizophrenie und Persönlichkeitsstörung. "Bei Schizophrenie werden die Grenzen des Ichs überschritten, man verschmilzt mit der Umwelt. Da beginnt ein Baum zu sprechen, Vögel geben Zeichen."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Walzl erläutert, wie Unzurechnungsfähigkeit bestimmt werde: "Da verwenden wir eine zweistufige Methode, um das festzustellen." Er habe nichts gesehen, was auf Unzurechnungsfähigkeit schließen lasse, so Walzl.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Aber er habe keine Hinweise auf tiefgreifende Persönlichkkeitsstörung zum Tatzeitpunkt: "Daraus ergibt sich kein Hinweis auf Unzurechnungsfähigkeit."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Zum Gutachten führt der Psychiater aus: Er habe R. insgesamt zehn Mal gesehen. Den Auftrag, ein Gutachten zu erstellen, habe er am 22. Juni 2015 erhalten, also zwei Tage nach de Amokfahrt.

    "Es handelt sich um kombinierte Persönlichkeitstörung, dissozial, zwanghaft, ängstlich."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Manfred Walzl betont, sein Gutachten aufrecht zu erhalten: "Voll inhaltlich."

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Die Mittagspause ist bald beendet. Der Grazer Psychiater Manfred Walzl erstattet am Nachmittag sein Gutachten. Er geht als Einziger der drei Gerichtssachverständigen davon aus, dass Alen R. zurechnungsfähig ist.

  • |Elisabeth Holzer-Ottawa

    Mittagspause, es geht um 13 Uhr weiter.

Kommentare