Die Länder möchten die Finanzierung komplett neu aufstellen. Kern ist eine dritte Säule mit Ambulanzen und Ärztezentren, die die Spitäler entlasten sollen. Dafür fordern sie mehr Geld vom Bund
Die aktuellen dramatischen Zustände in den heimischen Spitälern mit fehlendem Personal, gesperrten Stationen und und ewigen Wartezeiten sind nur die Spitze des Eisberges. Schon seit Jahren ist klar, dass das Gesundheitssystem nicht mehr richtig funktioniert. Weder der Spitalsbereich, der an chronischer Überlastung leidet, noch der niedergelassene Sektor, wo Patienten oft bei der Suche nach einer Kassenbehandlung verzweifeln.
Schuld daran ist die komplexe und ineffiziente Finanzierung aus Mitteln des Bundes, der Länder und der Sozialversicherung. Seit Jahren wird über eine grundlegende Reform diskutiert, seit Jahren passiert nichts.
Finanzausgleich
Das soll sich nun ändern: Im Zuge der 2023 anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen streben die Bundesländer eine völlige Neuaufstellung der Finanzierung des Gesundheitssystems an. Was naheliegend ist, sind sie doch mit völlig aus dem Ruder laufenden Spitalskosten konfrontiert, die sie aus ihrem Budget begleichen müssen.
Die Ausgangslage: Während der niedergelassene Bereich über die Sozialversicherungen finanziert wird, steuern diese für die Spitäler, die in die Zuständigkeit der Länder gehören, nur einen Pauschalbetrag bei. Das reicht aber trotz Valorisierung bei Weitem nicht aus, um die stetig steigenden Kosten abzudecken. Die daraus resultierenden immer größeren Abgänge müssen von den Ländern abgegolten werden. Allein in Wien waren es für das Vorjahr 2,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 1,7 Milliarden Euro.
„Seit zwei Jahrzehnten versucht man, eine faire Aufteilung der Kosten zu erreichen. Allerdings vergeblich“, so Salzburgs Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP).
Die explodierenden Spitalskosten haben nicht nur mit immer teureren Therapien und der wachsenden Überalterung der Gesellschaft zu tun. „Seit zehn bis 20 Jahren kommt es zu einer starken Verschiebung der Leistungen vom niedergelassenen Bereich in die Spitäler“, schildert Stöckl.
Unnötig ins Spital
Der Grund: Zahlreiche Behandlungen – von der Urologie bis zur Augenheilkunde – werden von den Kassenärzten nicht mehr durchgeführt, weil die Honorierung zu gering ist. Den Patienten bleibt also nichts anderes übrig, als sich im Spital behandeln zu lassen – was den Kassen verständlicherweise nicht unrecht ist. „Es kann aber nicht sein, dass Patienten ins Krankenhaus kommen, nur um dort eine halbe Stunde lang eine Infusion zu bekommen“, sagt Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). „In den Wiener Fondsspitälern haben wir pro Jahr 660.000 ambulante Patienten. Fast alle könnten im niedergelassenen Bereich behandelt werden“, sagt er. Dies gelte sogar für bestimmte onkologische Therapien.
Er und seine Amtskollegen aus den anderen Bundesländern machen sich nun für ein völlig neues Finanzierungsmodell stark: Zwischen dem Spitalsbereich (Gesamtausgaben 16 Milliarden Euro, Stand 2020) und dem niedergelassenen Bereich (zwölf Milliarden Euro) soll eine dritte Säule entstehen – mit einem eigenen Finanzierungstopf mit vorerst acht Milliarden Euro, der laut Hacker von einer Plattform aus Ländern und Sozialversicherungen gesteuert werden soll.
Dritte Säule
In diese Säule sollen alle jene Leistungen verlagert werden, die derzeit im Spital erfolgen, dort aber nicht hingehören. Also Behandlungen in Spitals- und Erstversorgungsambulanzen sowie Tageskliniken. In der Zuständigkeit der Spitäler soll nur mehr die stationäre und die Notfall-Versorgung liegen. Wobei die Ambulanzen durchaus räumlich, wenn auch nicht organisatorisch in den Spitälern angesiedelt sein können, wie Stöckl betont.
Vom niedergelassenen Bereich sollen die Primärversorgungseinheiten, diverse Fachambulatorien und die noch großflächig auszubauenden Fachärzte-Zentren in die zweite Säule wandern. Übrig blieben lediglich die Einzel-Kassenordinationen.
Voraussetzung, dass die neue dritte Säule funktioniert, ist aber eine umfassende Reform des Leistungskatalogs. Sonst besteht die Gefahr, dass bestimmte Behandlungen erst recht wieder vorenthalten werden.
Acht-Milliarden-Topf
Die acht Milliarden setzen sich aus den Beträgen zusammen, die man sich durch diese Umstrukturierung in den beiden alten Säulen einspart: Rund drei Milliarden aus dem Spitalsbereich und fünf aus dem niedergelassenen Bereich. „Wobei klar ist, dass insgesamt mehr Geld ins System fließen muss“, richtet Hacker dem Bund aus. Wie viel, muss noch verhandelt werden. Stöckl ist jedenfalls überzeugt, dass mit der dritten Säule das Verschieben der Patienten vom niedergelassenen Bereich in die Spitäler ein Ende findet.
Das Reformpaket ist laut Hacker mit den Finanzlandesräten und der LH-Konferenz akkordiert. Die Länder werden im neuen Jahr mit dem Modell in die Finanzausgleichsverhandlungen gehen. Mit 1. Jänner 2024 sollte dann – so das Ziel – die neue Regelung in Kraft treten.
Im Bund hat man bereits vorgefühlt: „Vom Finanzminister kommt naturgemäß noch kein Applaus, aber der Gesundheitsminister unterstützt unsere Pläne sehr“, ist Hacker optimistisch. Sein ÖVP-Kollege Stöckl gibt sich kämpferisch: „Es wird keine Zustimmung der Länder zum Finanzausgleich geben, wenn es zu keiner Neuordnung kommt.“
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