Glaubt man vielen Experten, sind sie ein wesentlicher Baustein, um das aus dem Ruder laufende Gesundheitssystem wieder auf Vordermann zu bringen: Die sogenannten Primärversorgungseinheiten (PVE), für die vor wenigen Jahren nach ewigem Gezerre der rechtliche Rahmen geschaffen wird.
Das Konzept hinter dem sperrigen Namen: Mindestens drei Kassen-Allgemeinmediziner schließen sich zusammen – unter einem Dach oder in einem Netzwerk –, unterstützt von nichtärztlichem Fachpersonal wie Psycho- und Physiotherapeuten oder Diätologen. In solchen Zentren sind wesentlich großzügigere Öffnungszeiten möglich als in Einzelordinationen, was die Spitalsambulanzen entlasten und damit Kosten sparen soll. Weiters erhält der Patient ein umfassendes Angebot aus einer Hand.
Klingt in der Theorie sehr attraktiv, in der Praxis verläuft die Ausrollung der PVE – auch in Wien – weiterhin sehr schleppend. Bis 2025 soll es in der Hauptstadt 36 geben, wie zuletzt auch im rot-pinken Regierungsprogramm fixiert wurde. Vor Kurzem hat aber gerade erst das vierte aufgesperrt.
Langsam gewachsen
Beheimatet ist das neue PVE „Medizin Augarten“ in einem unscheinbaren Wohnhaus gleich beim Donaukanal im 2. Bezirk, aufgeteilt auf mehrere Stockwerke. Seit 35 Jahren ordiniert hier Allgemeinmediziner Wolfgang Molnár – erst klassisch als Einzelkämpfer, später gründete er mit seiner Frau Ivana eine Gruppenpraxis.
Diese wurde nun in eine PVE umgewandelt. Die Probleme, die die Mediziner dabei hatten, erklären vielleicht, warum es bis dato erst so wenige dieser Einheiten gibt: „Es hat zweieinhalb Jahre und drei vergebliche Versuche benötigt, bis wir endlich den erforderlichen dritten Arzt gefunden haben“, schildert Molnár. Denn das gemeinsame Arbeiten zu dritt bringe zwar eine Reihe von Vorteilen, aber auch enormes Konfliktpotenzial mit sich – speziell wenn die Ärzte bisher nichts miteinander zu tun hatten.
Solche internen Zwistigkeiten haben schon manche PVE an den Rande des Aus gebracht. „Man muss viele medizinischen, aber auch ökonomischen Einschätzungen gemeinsam treffen“, beschreibt der Arzt die spezifischen Herausforderungen. „Es ist ein bisschen wie eine Ehe zu dritt.“
Familiär
Als dritte für diese berufliche Dreiecksbeziehung fand sich schließlich Susanne Hawlicek, die sinnigerweise schon ihre Lehrpraxis bei den Molnárs absolviert hatte und somit mit dem Betrieb schon gut vertraut war. „Es ist wie in einer großen Familie zu arbeiten und nicht so anonym wie in einem großen Spital“, sagt sie. Aber anders als ein einzelner Arzt könne sie sich mit den Kollegen vor Ort beraten und das Wissen austauschen.
Molnár macht aber auch seine Standesvertretung dafür mitverantwortlich, dass es erst so wenige PVE gibt. Zu Beginn habe die Ärztekammer massiv gegen die neuen Zentren mobilisiert: „Von manchen Kollegen in der Kammer bin ich wegen meiner Pläne fast beschimpft worden“, erinnert sich der Mediziner.
Zuversicht
Immerhin: Aktuell sind bereits 16 weitere PVE in Wien in Entstehung: „Der Prozess wird sich jetzt beschleunigen“, ist ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer überzeugt: „Zu Beginn braucht es immer ein paar Wellenbrecher, die ihren Kollegen zeigen, dass das System funktioniert.“
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