76 neue Ärztezentren bis 2021: Was sie bringen und wo sie entstehen sollen

76 neue Ärztezentren bis 2021: Was sie bringen und wo sie entstehen sollen
Die neuen Primärversorgungseinheiten bringen für Mediziner wie Patienten eine ganze Reihe an Veränderungen.

Alexander Biach, Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, spricht von einem „Durchbruch“, und in gewisser Weise ist es das tatsächlich: Am Mittwoch präsentierten Biach und der Vizepräsident der Ärztekammer, Johannes Steinhart, den neuen Gesamtvertrag für die „Primärversorgungseinheiten bzw. -zentren“, kurz PVE genannt.

Primärversorgung: Mehr Zeit für den Patienten

Hinter dem vergleichsweise spröden Namen verbirgt sich ein Vertrag, der in Zukunft für ganz Österreich regelt, unter welchen Bedingungen die neuen Ärztezentren in Betrieb gehen.

76 neue Ärztezentren bis 2021: Was sie bringen und wo sie entstehen sollen

Die PVE bringen für Mediziner wie Patienten eine ganze Reihe an Veränderungen und idealerweise auch Verbesserungen.

Die wichtigsten Fragen dazu beantwortet der KURIER.

Was sind Primärversorgungseinheiten (PVE), und welche Veränderungen oder Vorteile bringen sie aus Sicht der Patienten?

Die PVE sind Ärztezentren, in denen neue und für Patienten attraktivere Öffnungszeiten gelten. Da in einem Zentrum zumindest drei Ärzte und ein diplomierter Krankenpfleger arbeiten, beträgt die Mindest-Öffnungszeit 40 bis 50 Stunden in der Woche. Zum Vergleich: Ordinationen von alleine arbeitenden Hausärzten müssen – je nach Bundesland – nur 20 bis 25 Stunden pro Woche offen halten. Zudem ist vertraglich vereinbart, dass die neuen Ärztezentren auch an den Tagesrandzeiten geöffnet haben müssen. In der Praxis soll es auch keine unvorhergesehenen Schließtage oder -zeiten geben. Das bedeutet: Sollten einmal alle Ärzte eines Zentrums an einem der vorgesehenen Öffnungstage krank oder auf Urlaub sein, müssen sie in der PVE für Ersatz sorgen – nicht der Patient geht zum Ersatz-Arzt, der Ersatz-Arzt kommt in die PVE.

Welche Leistungen werden in PVE angeboten?

Im Prinzip sind es dieselben, wie in klassischen Hausarzt-Ordinationen – allerdings mit einem umfassenderen „Vor-Ort“-Service. Denn in den Zentren arbeiten nicht nur Ärzte und Krankenpfleger, sondern je nach Bedarf der Patienten auch andere helfende Berufe wie Physiotherapeuten, Diätologen, Psychologen oder Sozialarbeiter. Die Wege für die Patienten werden also kürzer.

Welche Vorteile haben die Ärzte in den neuen Gruppen-Ordinationen?

Abgesehen davon, dass medizinische Entscheidungen mit Fach-Kollegen besprochen werden können und damit in aller Regel die Qualität steigt, entlasten die Gruppen-Ordinationen vor allem bei jenen Notwendigkeiten, unter denen Ärzte und Therapeuten besonders leiden, nämlich: unter der Bürokratie. In den PVE können Buchhaltung, Termin-Koordination oder auch die Betreuung der vertraglich vorgeschriebenen Homepage zentral für alle Mitarbeiter gemacht werden. Bei besonders großen Teams ist ein eigener Ordinationsmanager möglich. Wichtiges Detail dabei: Der nun präsentierte Gesamtvertrag sieht auch Pauschal-Honorare für die Ärzte vor. Was bedeutet das in der täglichen Praxis? Bislang mussten Hausärzte jeden Handgriff an einem Patienten einzeln notieren, um diesen später der Krankenkasse verrechnen zu dürfen. Mit den neuen Patienten-Pauschalen entfällt dies. Die Idee bzw. Hoffnung dahinter: Es bleibt auch dadurch mehr Zeit für das Gespräch mit den Patienten.

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Werden PVE die Hausärzte bald komplett ersetzen?

Nein. Sowohl Biach als auch Steinhart beteuern, dass die neuen Ärztezentren ausschließlich eine Ergänzung zu den klassischen Land- und Hausarzt-Ordinationen darstellen. Dafür sprechen auch die Zahlen: Läuft alles nach Plan, werden aus derzeit 14 Pilotprojekten bis 2021 geschätzte 76 Primärversorgungseinheiten. Rechnet man damit, dass ein Zentrum rund 3000 bis 7000 Patienten im Quartal betreut, dann werden die anvisierten 76 PVE im End-Ausbau rund zehn Prozent der Patienten versorgen.

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Wie gut sind die PVE vom Zugriff durch private Investoren geschützt?

Vor allem die Ärztekammer hat in den vergangenen Jahren immer wieder die Befürchtung geäußert, dass die PVE leicht unter die Kontrolle von privaten Konzernen geraten könnten, die nicht das Wohl der Patienten, sondern die Gewinnmaximierung als Ziel haben. Experten schließen das vorerst aus. „Der Einstieg privater Firmen in PVE ist gesetzlich untersagt“, erklärt Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Und selbst Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres schätzt die Gefahr derzeit als gering ein. Seine Erklärung: Gerade die Allgemeinmedizin sei jener Gesundheitsbereich, mit dem sich vergleichsweise am wenigsten Geschäft machen lasse.

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