Welche Lösung das überlastete Gesundheitssystem retten soll
Angedacht sind sie als Rettung für das überlastete Gesundheitssystem: Die sogenannten Primärversorgungseinheiten (PVE), bei denen sich Kassenärzte und andere Gesundheitsberufe zusammenschließen, um den Patienten eine umfassende Versorgung samt großzügigen Öffnungszeiten anzubieten.
Während man in der Kindermedizin wie berichtet noch über die Ausgestaltung dieser PVE streitet, gibt es in Wien bereits acht allgemeinmedizinische PVE. Freilich: Von den laut Regierungsprogramm bis 2025 geplanten 36 Einheiten ist man damit noch weit entfernt.
Immer lauter werden daher die Stimmen jener, denen die Ausrollung der PVE nicht schnell genug geht. Von einem „Ausbau im Schneckentempo“ spricht etwa die Wiener Patientenanwaltschaft in ihrem aktuellen Jahresbericht. Sie macht dafür die Ärztekammer verantwortlich. „Das deutlich attraktivere Angebot der PVE wird als Konkurrenz zu den bestehenden Ordinationen gesehen. Aufgrund der gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten blockiert die Kammer die zügige Umsetzung“, heißt es in dem Bericht. Die Sozialversicherung stehe in diesem Match oft auf der Verliererseite.
Ungereimtheiten
Langsam die Geduld verliert auch die Wiener ÖVP. Sie kritisiert nicht nur das Tempo, sondern auch Ungereimtheiten bei der Umsetzung: So würde es nicht in jeder PVE die neben den Ärzten erforderlichen Mitarbeiter des „erweiterten Teams“ (z. B. Psychotherapeuten) geben.
Sauer stößt Liesings ÖVP-Chef Patrick Gasselich auch auf, dass in Alterlaa (wie berichtet) keine PVE errichtet wird, obwohl sogar ein Ärzteteam bereitstünde. Stattdessen wurde ein neues Zielgebiet im Bezirk definiert, für welches man nur schwer Interessenten findet. „Der Liesinger Standort ist symptomatisch für die Lage in allen Flächenbezirken. Man verliert sich in politischem Hickhack, das keinem Betroffenen hilft“, so Gasselich.
ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec nimmt die Stadt in die Pflicht: „Stadtrat Peter Hacker rühmt sich medial mit der Errichtung der PVE, aber stattdessen stolpert man mit einem viel zu langsamen Tempo voran.“
Im Rathaus fühlt man sich nicht angesprochen. Die PVE-Verträge würden zwischen Kammer und Krankenkasse abgeschlossen, die Stadt sei nur in Förderung und Bedarfsplanung involviert.
Wenig überraschend lässt sich die Ärztekammer nicht den Schwarzen Peter zuschieben. So sei es sehr wohl die Stadt gewesen, die etwa ein PVE-Netzwerk zur Drogensubstitution in Meidling blockiert habe, sagt Thomas Holzgruber von der Ärztekammer, den die Kritik nach Eigenbekundung bereits nervt. „Dabei liegen wir sogar über Plan: Zu den acht bestehenden PVE sind zehn weitere in Vorbereitung.“ Mit nochmals zehn könnten es 2023 dann schon 28 sein.
Vorwürfe „absurd“
Laut Holzgruber würde sich ein eigenes Team in der Kammer darum kümmern, Ärzten das Arbeiten in einer PVE schmackhaft zu machen.
Die Vorwürfe der ÖVP weist er zurück: „Dass es an einzelnen Standorten angeblich keine erweiterten Teams gibt, ist absurd.“ Und eine PVE in Alterlaa würde aufgrund bestehender Kassenstellen zu einer Überversorgung führen. Ein Begriff, den man im Zusammenhang mit dem Wiener Gesundheitssystem nicht allzu oft hört.
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