Knalleffekt: Österreichs ehemaliger Spionagechef angeklagt
Im Februar 2018 stürmten Beamte der Sondereinheit EGS den heimischen Verfassungsschutz und und führten eine Razzia im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft durch. Die Folge davon war ein Untersuchungsausschuss, das gesamte BVT wird derzeit deshalb reformiert.
Nun wurde eine 43 Seiten starke Anklageschrift der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zugestellt, angeklagt werden der Spionagechef P., sein Schwiegervater sowie der BVT-Beamte S. Dem KURIER liegt das Papier vor.
Spionage gegen Nordkorea
Der massivste Vorwurf sind Observationen von Nordkoreanern im Jahre 2015 ("Operation Palmers"). Die Justiz wirft dem Spionagechef und dem BVT-Beamten vor, Mitarbeiter der Botschaft und des nordkoreanischen Geheimdienstes beschattet zu haben. Die WKStA ist der Meinung, dass keine konkrete Gefahrenlage vorgelegen ist, somit eine Observation rechtlich nicht in Ordnung sei.
In einem Fall ordnete Spionagechef P. etwa an, zu prüfen, ob ein Sohn des nordkoreanischen Diktators Kim an Bord eines Fluges nach Wien war. Entsprechende Videoaufnahmen wurden angefertigt und dann vernichtet. Dennoch sei das alles rechtlich nicht einwandfrei gewesen, meint die Staatsanwaltschaft. In einigen Fällen unterblieb die erforderliche Meldung an den Rechtsschutzbeauftragten. Dies dürfte aber nachträglich passiert sein.
Darüber hinaus werden P. die Verrechnung von rund 1100 Euro für private Zwecke vorgeworfen, dabei geht es vor allem um Konsumationsrechnungen. So war der Spionagechef etwa mit hochrangigen Kabinettsmitarbeitern, Staatsanwälten, Politikern oder Diplomaten essen und trinken. Die Rechnungen bewegen sich großteils in der Größenordnung von zehn bis 40 Euro. Die Bewirtung sei nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit gewesen, meint die Justiz.
Spionagechef P. wird wegen Verdachts des Missbrauchs der Amtsgewalt und des Betruges angeklagt, Chefinspektor S. wegen Missbrauchs der Amtsgewalt. Der Schwiegervater von P. soll den Spionagechef wegen eines Terror-Verdächtigen in einem seiner Mietshäuser kontaktiert haben und steht deshalb unter dem Verdacht, eine Verletzung des Amtsgeheimnisses und den Missbrauch der Amtsgewalt angestiftet zu haben.
Die Vorwürfe werden von den Beteiligten alle bestritten. Die Zeugenliste ist jedenfalls sehr prominent, rund ein Dutzend Beamte des Verfassungsschutzes (darunter der ehemalige Direktor Peter Gridling) müssen vor Gericht erscheinen. Insgesamt 44 Zeugen sollen vor Gericht gehört werden. Darunter sind auch noch einige aktive Beamte. Auch der ehemalige ÖVP-Abgeordnete Werner Amon, der Fraktionsführer im BVT-Ausschuss war, ist vorgeladen.
Der Untersuchungsausschuss und die Ermittlungen in der Causa haben jedenfalls bereits Kosten in Millionenhöhe verursacht. Mit der eigentlichen BVT-Affäre des Jahres 2018 haben die Vorwürfe aber bestenfalls am Rande zu tun. Damals ging es um den Verdacht, der Verfassungsschutz hätte unzulässigerweise Unterlagen über den Rechtsanwalt Gabriel Lansky gehortet und bereits eingestellte Ermittlungen illegal fortgesetzt sowie um den Vorwurf, nordkoreanische Reisepass-Rohlinge illegal an Südkorea weitergegeben zu haben. In beiden Fällen wurden die Ermittlungen - unter anderem gegen BVT-Chef Peter Gridling - aber eingestellt.
Gridling ist mit Ende September in den Ruhestand gegangen. Interimistisch geleitet wird der Verfassungsschutz seit dem Sommer von Johannes Freiseisen, zuvor u.a. stellvertretender Abteilungsleiter im BVT und ein ehemaliger Mitarbeiter der ÖVP-Innenminister Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka. Spionagechef P. hat das BVT mittlerweile verlassen, Chefinspektor S. Ist dort noch tätig.
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