Justiz- und Innenministerium: Machtspiele und Intrigen
Im Februar 2007 erfuhren die drei Angeklagten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit (sie sind Sektionschefs im Innenministerium), dass ein Polizei-Major der Landesverkehrsabteilung Selbstmord begangen hatte. Zur Unterstützung der Hinterbliebenen hatten ehemalige Kollegen ein Sparbuch eingerichtet, auf dem Spenden eingesammelt wurden. Die Angeklagten beschlossen, den Kindern des Polizisten weitere 5.000 Euro aus den Mitteln des Stadterneuerungsfonds zuzuwenden. Der Betrag wurde am 7. März 2007 auf das Sparbuch überwiesen.
Ende Juni soll Richterin Claudia Moravec-Loidolt im Wiener Landesgericht die Beweisaufnahme dazu beginnen. Der Hauptverhandlungstermin ist aber noch nicht festgelegt. Die Richterin muss klären, ob die Anklagepunkte Untreue und Amtsmissbrauch im Spiel waren. Es geht in der Causa darum, ob drei Sektionschef des Innenministeriums (zwei gelten als ÖVP-nahe, einer als SPÖ-nahe) die Mittel aus dem Stadterweiterungsfonds aus der Zeit von Kaiser Franz Joseph widmungsgemäß verwendet haben.
Denn diese Gelder sollten eigentlich Sakralbauten zur Verfügung stehen, später soll aber Innenministerin Liese Prokop eine Auflösung dieses Vereins angeordnet haben. „Spendet's das“, hat sie angeblich gesagt. Beweis dafür gibt es aber keinen. Für die Justiz war das damit Jahre später ein Grund für die Anklage der hohen Beamten.
Witwen und Waisen
Insgesamt wurde so mehr als eine Million Euro verteilt. Geld wurde etwa an mehrere Polizisten-Witwen verteilt, 100.000 Euro bekam das Sankt-Anna-Kinderspital für den Kampf gegen den Krebs. Auch eine jüdische Schule erhielt Schulbücher. „Wir stehen vor Gericht, obwohl wir etwas Gutes getan haben“, ist einer der Angeklagten ziemlich zerknirscht.
Doch um Details und Fakten scheint es in dieser Causa längst nicht mehr hauptsächlich zu gehen. Zu viele Beteiligte und am Rande Involvierte nutzen die Anklage und den Prozess für Intrigen und Machtspiele. Nun gibt es eine (weitere) anonyme Anzeige, angeblich von Staatsanwälten, gegen den mächtigen Sektionschef Christian Pilnacek.
Rein zufällig steht im Mai die Entscheidung an, ob dessen Dienstverhältnis in dieser Form für weitere fünf Jahre verlängert wird. Das Schreiben mit den Vorwürfen ging zumindest an die Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und zwei Journalisten des ORF.
Streit in der Justiz
Die darin erhobenen Vorwürfe sind überhaupt nicht neu, seit Jahren ist bekannt, dass es schwere Zerwürfnisse zwischen der Oberstaatsanwaltschaft und der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen einer Anklage in dieser Causa gibt. Diese werden in dem Schreiben zum wiederholten Male zum Thema gemacht. Dass dies nun um die Neubestellung Pilnaceks herum medial aufschlägt, ist wohl kein Zufall.
Interessant ist jedenfalls, dass stets nur die Parteinähe zur ÖVP thematisiert wird. Dabei ist einer der Angeklagten aus dem roten Umfeld, und einer der ÖVP-nahen Sektionschefs wurde ausgerechnet von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl in diese Funktion gehievt. Damals waren die Vorwürfe bereits bekannt.
Doch in dieser Causa werden anscheinend alte Rechnungen beglichen. So kritisierte Pilnacek die WKStA wegen ihres (teilweise für nicht rechtmäßig erklärten) Vorgehens gegen den Verfassungsschutz und seine Mitarbeiter. Nun schaut alles danach aus, dass dies eine Revanche sein könnte. Zuletzt sind zumindest mehrfach Geheimnisse aus der WKStA an die Öffentlichkeit gedrungen, die den umstrittenen Pilnacek in Verruf bringen.
Gesucht: Schwarze Netzwerke
Gleichzeitig wurden die Ermittlungen rund um das BVT zu einem Debakel. Noch immer wird von der WKStA gegen kleine Beamte wegen Essensabrechnungen ermittelt oder bei Überwachungen von ausländischen Spionen nach Unregelmäßigkeiten gesucht – bisher offenbar ergebnislos. Die Suche nach einem angeblichen „schwarzen Netzwerk“ läuft noch. Dass es hier Seilschaften gegeben hat (wie in vielen Ministerien), ist offensichtlich. Manches im Innenressort in der Vergangenheit ist genau zu hinterfragen, aber kriminelles Vorgehen konnte bisher nicht einmal ansatzweise nachgewiesen werden.
Der Prozess gegen die drei Sektionschefs ist damit vom Nebenschauplatz zu einem Hauptkampfgebiet geworden. Von Kollegen im Innenressort werden die zwei Juristen als korrekt beschrieben, nicht wenige sehen sie als Sündenbock für andere Personen aus Seilschaften. Für die Richterin wird das Urteil am Ende jedenfalls kein leichtes sein. Bei einem Freispruch wird man ein Polit-Urteil vermuten, bei einem harten Urteil wohl ebenfalls.
Deshalb ist längst alles offen, wie dieser Prozess schlussendlich ausgeht. Am Ende wird es wohl genauso sein wie bei der Razzia im Verfassungsschutz: Es bleiben nur noch Verlierer übrig, Gewinner sucht man vergeblich.
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