Irgendwas kann immer passieren. Aber was sich seit den Gemeinderatswahlen 2018 in Innsbruck abgespielt hat, sucht österreichweit wie auch in der Vergangenheit der Politgeschichte der Landeshauptstadt seinesgleichen. Am Donnerstag könnte es die dritte Abwahl eines Vize-Bürgermeisters bzw. einer Vize-Bürgermeisterin durch den Gemeinderat geben.
Die ÖVP, die für die Wahlen im April 2024 ein Bündnis mit ihrer einstigen Abspaltung Für Innsbruck (FI) gebildet hat, will ihren Parteirebellen Johannes Anzengruber von der Position des zweiten Stellvertreters von Bürgermeister Georg Willi (Grüne) bugsieren.
Anzengruber will, wie berichtet, gemeinsam mit einer weiteren Gemeinderätin (bisher ebenfalls ÖVP) mit eigener Liste antreten. Beide kostete dieses Ansinnen die Parteimitgliedschaft.
Phantomschmerzen
Der Klub der ÖVP ist entsprechend geschrumpft. Dass ihr nunmehriger Rivale Anzengruber weiterhin das Amt des Bürgermeister-Stellvertreters bekleidet und zudem als Stadtrat Ämter führt, schmerzt die Schwarzen. Das Abwählen von Vize-Bürgermeistern hat sich in Innsbruck fast schon zur Routine entwickelt.
Bei der Premiere 2019 herrschte noch große Verwirrung, was das für Konsequenzen mit sich bringt, wurden die Paragrafen im Stadtrecht studiert. Damals gingen die Grünen von Willi bei einem Abwahlantrag der FPÖ gegen Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer mit – die Koalitionspartnerin von Willi war damit ihr Amt als erste Vize-Bürgermeisterin los.
Gleichzeitig verlor sie ihren Sitz im Stadtsenat – für den sie aber von ihrer Fraktion wieder nachnominiert wurde – sowie ihre Ämter als Stadträtin. Willi hatte gepokert, dass Oppitz-Plörer sich in die Politpension verabschiedet. Er sah sie als Hauptverantwortliche für das Finanzdebakel beim Bau der Patscherkofelbahn, das mitten in den Koalitionsgesprächen zwischen den Grünen, FI, ÖVP und SPÖ ausaperte.
Das Bündnis – das so schon vor 2018 in anderen Machtkonstellationen gemeinsam regierte – wurde dennoch geschmiedet. Einen Prüfbericht zum Seilbahnbau nahm Willi dann aber als Anlass für seinen Coup, den er heute als Fehler sieht. Oppitz-Plörer bekam danach zwar ihre Ressorts zurück, die Koalition wurde fortgeführt. Die Streitereien nahmen aber kein Ende.
Schicksalsgenossin
Ein gutes Jahr nach Oppitz-Plörer erlitt ihre Nachfolgerin als erste Vize-Bürgermeisterin, Verkehrsstadträtin Uschi Schwarzl (Grüne), das Abwahl-Schicksal. Der Großteil ihrer Koalitionspartner unterstütze einen Antrag der Opposition. Auch Schwarzl bekam ihre Ressorts wieder zurück.
Im Stadtsenat wurden aber die Optionen für die erneut notwendige Nachbesetzung knapp. Aus der Koalition blieb nur noch SPÖ-Stadträtin Elisabeth Mayr übrig. Wieder mit Stimmen aus dem Bündnis fiel die Wahl dann aber auf einen der beiden nicht amtsführenden FPÖ-Stadträte: Klubobmann Markus Lassenberger.
Ein blauer Vize für einen grünen Bürgermeister. Das war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Willi kündigte die Koalition auf. Im freien Spiel der Kräfte, dass seit Jänner 2021 regiert, wurde es nicht ruhiger.
Nun wird um den zweiten Stellverteter-Sessel gerungen.
Beinharter Machtkampf
Nach dem Rückzug von Langzeit-Politiker Franz Gruber (ÖVP) hatte sich Anzengruber Anfang 2020 die Position erstritten. Den eigentlich parteiintern dafür vorgesehenen damaligen Stadtparteiobmann Christoph Appler putschte Anzengruber vorübergehend aus dem Gemeinderat.
Die dabei entstandenen Gräber wurden nie zugeschüttet. Inzwischen ist ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky zum Chef der Stadtpartei gekürt worden. Und Anzengruber geht eigene Wege. Findet sich eine Mehrheit für seine Abwahl, ist er auch seine Ressortführung los.
Die ÖVP kann dann jemand aus ihren Reihen in den Stadtsenat entsenden. Vermutlich Gemeinderat Andreas Wanker. Der hatte schon beim Abgang von Gruber auf das Amt gespitzt.
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