Innsbrucks Bürgerliche gehen gespalten in die Wahl
Kaum zu glauben, aber am Donnerstag ist die für Außenstehende praktisch undurchschaubare Innsbrucker Stadtpolitik noch ein wenig unübersichtlicher geworden.
In einem Wirtshaus kündigte ÖVP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber gemeinsam mit ÖVP-Gemeinderätin Mariella Lutz an, dass man bei den Gemeinderatswahlen im kommenden Frühjahr „als eigene, breite, bürgerliche Bewegung antreten“ werde.
Wenige Wochen nachdem die Spitzen der Stadt-ÖVP und der 1994 vom späteren ÖVP-Landeshauptmann Herwig van Staa gegründeten Liste Für Innsbruck (FI) ihre Wiedervereinigung zelebriert und ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky zum Spitzenkandidaten des „bürgerlichen Bündnisses“ auserkoren hatten, splittert es an anderer Stelle – allerdings nicht überraschend.
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Mehrfach hatte Anzengruber in den vergangenen Wochen trotz der im Hintergrund laufenden und von der Landes-ÖVP orchestrierten Gespräche für die ÖVP/FI-Fusion den Anspruch erhoben, die Volkspartei selbst in die Wahl führen zu wollen.
Zu einer vom schwarzen Vize-Stadtchef zunächst angekündigten Kampfkandidatur gegen Tursky beim ÖVP-Stadtparteitag am 3. November um den Posten des ÖVP-Stadtparteiobmannes wird es nun nicht kommen. Allgemein wurde erwartet, dass die Listengründung zum Parteiausschluss der beiden Rebellen führt.
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Darauf bei seiner Pressekonferenz angesprochen meinte Anzengruber noch: „Davon gehe ich nicht aus.“ Und sollte sich irren. Wenige Stunden später verkündete ÖVP-Landesgeschäftsführer Sebastian Kolland: „Mit der heutigen Ankündigung von Johannes Anzengruber und Mariella Lutz, bei der Bürgermeister- und Gemeinderatswahl in Innsbruck mit einer eigenen Liste anzutreten, ist ihre Mitgliedschaft in der Volkspartei und damit auch in allen Gremien kraft Statut automatisch erloschen.“ Beide hätten „den Weg des bürgerlichen Miteinanders verlassen“.
ÖVP und die FI von Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer, die laut Lutz offenbar in Anspielung auf die Wiedervereinigung „die Puppen tanzen lassen“ habe, waren in den vergangenen Jahrzehnten über längere Phasen tief zerstritten, hatten sich jüngst aber wieder deutlich angenähert. Nicht zuletzt das Ziel, das 2018 vom Grünen Georg Willi gewonnene Amt des Bürgermeisters, das im Selbstverständnis beider Listen bürgerliche Erbpacht ist, zurückzuerobern, wirkte einend.
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Rechnung ohne Wirt
Diese Rechnung hatten die Parteispitzen aber ohne den ehemaligen Wirt Anzengruber gemacht. Der hatte schon in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass er sich nicht an Regieanweisungen aus der Parteizentrale hält.
Seine Bekanntheit als Pächter einer beliebten Innsbrucker Alm wusste er 2018 als Polit-Quereinsteiger im Gemeinderatswahlkampf derart zu nutzen, dass er von Platz sieben gestartet zum Vorzugsstimmenkaiser der Stadtpartei wurde.
Als 2020 der Sessel des ÖVP-Vizebürgermeisters vakant wurde und eigentlich Stadtparteiobmann Christoph Appler für die Nachfolge vorgesehen war, zettelte Anzengruber erfolgreich eine Palastrevolte im Klub an und stieg selbst in das Amt auf.
Machtspiele
Das will er auch jetzt nicht aufgeben, nachdem er mit einer eigenen Liste gegen seine Partei aufbegehrt. „Ich bin demokratisch gewählt“, erklärte der 44-Jährige.
In der ohnehin chaotischen Innsbrucker Stadtpolitik wird es in den kommenden Monaten bis zur Bürgermeister- und Gemeinderatswahl noch komplizierter:
Die ÖVP verliert mit Anzengruber ihren Sitz im Stadtsenat. Und auch der Klub ist nun gespalten. Keine Premiere im Gemeinderat. In den vergangenen Jahren sahen sich FPÖ, SPÖ und Grüne mit Abtrünnigen konfrontiert.
Anzengruber strebt nichts Geringeres an, als Bürgermeister zu werden. Prozentziele für seine noch namenlose Liste wollte er sich am Donnerstag nicht entlocken lassen. Aber dass ein Antreten dem ÖVP/FI-Bündnis schadet, darf angenommen werden. Das hat mit Neos und Liste Fritz ohnehin weitere Konkurrenz.
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