KURIER: Wie viele Stunden haben Sie seit Donnerstag geschlafen?
Daniel Fellner: Bis Sonntag vielleicht vier. In der Nacht auf Montag waren es etwas mehr. Das ist auch ein Thema, dem wir in Hinblick auf die Einsatzkräfte in Zukunft mehr Gewicht schenken müssen. Natürlich ist da die Katastrophe vor der eigenen Haustür, natürlich will man ganz viel helfen. Aber die Helfer kommen an ihr Limit. Wir als Führungskräfte müssen auf das Aufladen der Batterien jener, die draußen im Einsatz sind, umso mehr achten.
Sie sprechen an, dass man auf die Einsatzkräfte schauen muss. Von den Einsätzen in Unterkärnten gab es immer wieder Berichte über Menschen, die die Helfer ignoriert oder beschimpft haben ...
Das hat schon im Juli - bei den Sturmereignissen - begonnen, als wir sogar die Polizei einschalten mussten, um Streitereien zu schlichten. Die Emotion, die manche an den Tag legen, ist mir neu. Ich habe viel Katastrophenerfahrung und ich kannte bisher nur die schönen Momente, die es ja durchaus auch gibt. Etwa, wie schön der Zusammenhalt in diesen Extremsituationen ist, wie der Nachbar noch das Letzte, das er besitzt, mit seinem Nachbar teilt. Nun haben wir eine neue Dimension.
Dass etwa Unwetter-Betroffene ihren Nachbarn die von der Feuerwehr befüllten Sandsäcke stehlen.
Ja, genau. Die Feuerwehr hat Lichtschächte mit Sandsäcken geschützt und dann ist der Nachbar einfach hergegangen und hat die Sandsäcke gestohlen. Wie soll man so etwas beschreiben? Oder wenn Einsatzorganisationen, die mit Blaulicht auf einem Radweg im Lavanttal unterwegs sind, angepöbelt werden, was sie am Radweg verloren haben. Die Frage muss eher lauten: Was sucht ein Zivilist am Radweg, wenn Zivilschutzalarm herrscht? Er also angehalten ist, seine Wohnung nicht zu verlassen. Der Frage werde ich mich widmen.
Was meinen Sie damit?
Wie kann ich die gesetzlichen Rahmenbedingungen so darstellen, dass wir optimal auf solche Dinge reagieren können.
Und "optimal" bedeutet Strafen?
Etwa ortspolizeiliche Verordnungen innerhalb der Gemeinde, mit der Bezirkshauptmannschaft gemeinsam. Das lasse ich gerade prüfen. Wie dies konkret aussieht, wird sich zeigen. Es wurde heute Vormittag in Auftrag gegeben. Hier muss man mit aller Härte eines Rechtsstaates durchgreifen.
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Auch mit Strafen?
Ja, natürlich.
Sie sind in diesem Punkt sehr klar. Gibt es auch weiterhin ein klares Nein zum Digitalfunk?
Ja. Ich setze auf kein veraltetes System.
Die Unwetter haben vor allem in der Steiermark gezeigt, dass Dämme, die für 100-jährliche Hochwasser errichtet wurden, nicht gehalten haben. Würde es hier eine Nachjustierung benötigen?
Das machen wir ohnehin laufend. Was man bedenken muss, ist, dass das 100-jährliche Ereignis von gestern vielleicht das 10-jährliche von morgen ist. Das ist die Problematik. Wir haben mit Wassermassen zu kämpfen, die in ihrer Häufigkeit so enorm sind, dass wir das 100-jährliche Hochwasser neu definieren müssen.
Wenn man bedenkt, dass Feuerwehrfrauen und Männer, die das in ihrer Freizeit machen, bei Einsätzen angeschnauzt werden, besteht dann die Gefahr, dass diese hinschmeißen?
Diese Gefahr habe ich noch nicht gesehen. Wenn alle so einen Einsatzwillen wie unserer Feuerwehrmitglieder hätten, ich glaube, die Welt wäre nur mehr schön. Ein riesengroßes Danke an alle, die hier mitarbeiten.
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