Mit den Helfern im Unwettereinsatz: Seit 40 Stunden wach
Es gibt an diesem Samstag die kleinen und die großen Dinge. So nennt es Kärntens Landesgeologe Dietmar Widowitz.
Im Moment steht er vor einem großen. Es ist ein Hang, genauer gesagt mehr als 1.000 Quadratmeter Erdmassen, die drohen in das Lanbacherl in Granitztal, einem Ortsteil von St. Paul zu stürzen. St. Paul ist jener Ort im Lavanttal, in dem in der Nacht auf Samstag nach den tagelangen, heftigen Regenfällen ein Rückhaltebecken drohte überzugehen.
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Ort drohte Flutwelle
Das Ortszentrum der 3.200-Einwohner-Gemeinde wäre dann geflutet worden. Diese Gefahr ist gebannt. Doch die Anwohner der Gegend müssen weiterhin bangen. Denn nach dem Regen drohen nun ganze Hänge mit Häusern einfach wegzurutschen.
So wie im Fall des Hanges über dem Lanbacherl. Kommt er ins Rutschen, würde der kleine, unscheinbare Bach zu einer Gefahr für mindestens fünf Häuser werden. Eine Evakuierung wäre wohl nicht zu vermeiden.
Lesen Sie im folgenden Artikel, wie die Einsatzkräfte gegen die Hangrutschungen ankämpfen und wie es den Betroffenen geht.
Die vier Kärntner Landesgeologen sind an diesem Samstag in 5 betroffenen Bezirken im Einsatz. Es gilt Gefahren zu beurteilen, die sich im Erdinneren anbahnen. Gefahren, die für Bewohner Lebensgefahr bedeuten können.
Denn nach den heftigen Regenfällen können die Böden keinen Regen mehr aufnehmen. Auch im Krisenstab in St. Paul um 14 Uhr hieß der Befund: Die Rutschungen haben sich "massiv verstärkt".
Vor Lavamünd drohte ein ganzer Hang mit einem Strommast auf ein Haus zu zurutschen, im Granitztal mussten zwei Häuser vorsorglich evakuiert werden, weil ein Hang in der Nacht in Bewegung kam.
Bilder aus Bad Eisenkappel, das von der Außenwelt abgeschnitten ist
Eigene Sicherheit geht vor
"Bei uns war in der Früh gerade ein kleiner Spalt in der Erde neben dem Haus zu sehen. Nun ist der gesamte Hang in Bewegung gekommen", erzählt Walter Bistesnich. Seit 10 Jahren wohnt er mit seiner Familie in einem Haus auf einem aufgeschütteten Hang in Granitztal. Nun droht genau dieser Hang abzurutschen.
Vier Männer haben sich um die Sickergrube mit ihren vier Ringen bei der Liegenschaft versammelt. Alles voll, lautet die erste Expertenmeinung. Die zweite: Ja, nicht unter den Hang gehen, falls sich dieser in Bewegung setzt. Die dritte: die eigene Sicherheit geht vor.
"Wir rechnen mit dem Schlimmsten und der Regen, er hört einfach nicht auf. Ich hoffe, dass alle gesund bleiben", sagt Bistesnich, als er von der Sickergrube aufsieht. Evakuiert muss die Familie an diesem Samstagvormittag nicht werden. Noch nicht.
Messpunkte werden errichtet
Die Devise gilt: Beobachten. Die Feuerwehr errichtete sogenannte Messpunkte. Pfosten mit Holzlatten, die eine mögliche Verschiebung der Hänge sofort anzeigen. Bis Sonntag um 11 Uhr sollen die Regenfälle weiter andauern und somit die Gefahr für Rutschungen.
"Die Bewohner haben Angst. Ich höre immer wieder, wann hört dieser Regen endlich auf. Wann können wir endlich aufatmen?", erzählt Markus Schober, Einsatzleiter der Feuerwehr im Granitztal. Seit 40 Stunden ist er wach, als ihn der KURIER begleitet. Die Einsatzkräfte, sie leisten schier Unvorstellbares im Lavanttal.
3.500 Sandsäcke befüllt
"Wir bringen euch ganz viele Sackalan, müssts euch keine Sorgen machen", ruft auch der Mann in Uniform Anna und Alfred Plöschl zu. Gemeint sind Sandsäcke. 3.500 hat die Feuerwehr St. Paul seit Freitag befüllt, erzählt der Gemeindefeuerkommandant Siegfried Krobath, der Mann in Uniform. Für seine Truppe ist er nur der Sigi. Auch für Familie Plöschl, die ihr Anwesen nicht mehr verlassen kann. Die Einfahrt ist komplett abgesackt. Eine Ausfahrt mit dem Auto macht dies unmöglich.
Klimawandel und Regen
"Wir wohnen seit 1955 in dem Haus, aber so etwas gab es noch nie. Es regnet nur noch. Wer mir erzählen will, dass das nichts mit dem Klimawandel zu tun hat, der lügt", ist Alfred überzeugt. Auch für die Plöschl gilt. Beobachten, Messpunkte setzen, hoffen.
Der Bürgermeister von St. Paul, Stefan Salzmann (SPÖ) versucht tröstende Worte für seine Einwohner zu finden. "Die Einsatzkräfte und die Bevölkerung leisten in diesen schweren Stunden wirklich unvorstellbares."
Die Feuerwehr ist im Dauereinsatz. "Das Wasser muss weg" scheint das Motto des Tages zu sein.
Flugpolizei bewältigte mehr als 40 Einsätze
Auch die Flugpolizei des Innenministeriums in Klagenfurt ist seit den frühen Morgenstunden in der Luft. "Wir haben Landesgeologen bei Besichtigungen unterstützt, Erkundungsflüge absolviert oder die Feuerwehr unterstütz", erklärt der Chef der Kärntner Flugeinsatzstelle Ottmar Karner.
Das ganze Ausmaß der Unwetter wird bei einem Flug über jene Gegenden ersichtlich, die von der Außenwelt abgetrennt sind: Bad Eisenkappel, Waidisch oder Guntschach. Letzteres ist eine kleine Ortschaft, zu der mittlerweile alle Wege abgeschnitten sind.
Alle Helfer stehen an diesem Samstag bei den großen und den kleinen Dingen im Einsatz. Klein und weniger wird dabei am Samstagnachmittag nur der Regen. Bei den Rutschungen sprechen alle nur von großen Dingen. Und somit weiterhin einem großen Bangen.
Das Ausmaß in Bildern
Ausmaß der Unwetter in Waidisch
Auch in Waidisch haben Unwetter ihre Spuren hinterlassen: Die Überschwemmung haben mehrere Häuser vermurt.
Die Straße nach Guntschach
Kein Weg raus: Muren schneiden auch die Ortschaft Guntschach (Gemeinde Maria Rain) von der Außenwelt ab.
Strandbad Klagenfurt
Im Strandbad Klagenfurt ist der Wasserspiegel so hoch gestiegen, dass die Stege fast eben zur Wasseroberfläche sind.
Bei der Initiative "Österreich hilft Österreich - Hochwasserhilfe" von ORF, Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe gibt es die Möglichkeit, den Betroffenen der verheerenden Unwetter in Südösterreich zu helfen.
Die Spendenmöglichkeiten:
- A1-Spendentelefon: 0800 664 2023 (gratis aus Österreich)
- Online unter helfen.ORF.at
- Empfänger: Österreich hilft Österreich
IBAN: AT06 2011 1800 8076 0700
Verwendungszweck: Hochwasserhilfe
- Erlagschein anfordern per E-Mail: meinespende@helfen.at
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