Hangrutschung in Völkermarkt: "Wir kommen an die Grenze der Belastbarkeit"

Es ist kurz vor 10 Uhr, als etwas passiert, das den Blick der Männer im Innenhof der Feuerwehr Völkermarkt schlagartig nach oben lenkt: Die Wolkendecke gibt ein kleines Stück blauen Himmel frei.
Nach drei Tagen Dauerregen, allein 1.430 Feuerwehreinsätzen am Samstag in Kärnten und freiwilligen Helfern, die bis zu 40 Stunden im Dauereinsatz stehen, zeichnete sich am Sonntagvormittag eine Verschnaufpause ab - wenn auch eine kurze.
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Hangrutschungen
Die Lage in Völkermarkt, sie ist besonders angespannt. Zahlreiche Hänge drohen abzurutschen, die starken Regenfälle der letzten Tage haben die Böden vollständig durchtränkt. Sie sind nicht mehr aufnahmefähig.
Aus Sicherheitsgründen wurden in der Ortschaft Unterbergen in Völkermarkt 42 Personen aus 15 Häusern, evakuiert, wie die Bilder zeigen.
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Mittlerweile ist auch ein Black Hawk, ein Hubschrauber des Bundesheeres, in Völkermarkt und unterstützt die Einsatzkräfte aus der Luft. Im Bezirk Völkermarkt fliegen aktuell zwei weitere Hubschrauber Erkundungsflüge. Eingesetzt werden soll der Black Hawk überwiegend, um für die KELAG schweres Gerät und schwere Materialien an- und abzutransportieren. Mit den abrutschenden Hängen rutschen nämlich Strommasten mit ab.
"Wir verschaffen uns nun einen Überblick in der Zentrale, dann geht es zu den Einsätzen", sagt der Pilot zum KURIER.
Bundesheer Hubschrauber in Völkermarkt
Leitern für Rettung auflegen
"Bei dem massiven Hangrutsch wurden zwei Personen eingeschlossen. Von hinten hat ein weiterer Hang gedroht, abzurutschen. Wir mussten Leitern auflegen, um überhaupt zum Haus zu kommen", berichtet Benjamin Hanschitz, Feuerwehrkommandant von Völkermarkt.
Dann musste sich die Feuerwehr wegen zu hoher Gefahr für die Einsatzkräfte zurückziehen. "Die Leute wollen zurück in ihre Häuser. Wir haben auch einen Bauernhof evakuiert. Die Tiere dort sind nun unversorgt", erzählt der Feuerwehrmann.

Dass fast übermenschliches von den Rettern gefordert wird, bestätigt auch der Bezirkshauptmann von Völkermarkt, Gert Klösch: "Wir haben massive Hangrutschungen, aktuell reden wir von 16 Großschadstellen. Die Einsatzkräfte gehen in ihren dritten Tag und kommen an die Grenze der Belastbarkeit."
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Denn auch, wenn der Regen pausiert, die Gefahr ist nicht gebannt. Der Boden ist komplett aufgeweicht, ganze Hänge mit Häusern drohen abzurutschen. Hinzu kommen Bäume, die aufgrund der Nässe nicht mehr mit dem Boden ausreichend verwurzelt sind.
Bezirkshauptmann Klösch im KURIER-Interview
Unsichtbare Aufräumarbeiten
"Wenn jetzt Wind aufkommt, dann haben wir den schlimmsten Fall. Alle reden von den Aufräumarbeiten, aber da sehen wir all die unsichtbaren Aufräumarbeiten, die auf uns zukommen, noch gar nicht", erzählt ein Feuerwehrmann im Innenhof, der auf das Stück Himmel blickt.
Der Bezirkshauptmann spricht von Hotspots und erklärt die Lage mit den Worten eines Landesgeologen: "Das Problem mit den Rutschungen ist, sie steigen nicht an, wie eine Wasserwelle, sondern es geht dabei alles sehr schnell und dann kommt alles in Bewegung." Es gelte darum, die Lage rechtzeitig zu erkennen und einzuschätzen.
Im Innenhof, unter dem blauen Himmelfetzen, spricht man indes über ein anderes Problem: Tauchpumpen. Bzw. das Fehlen dieser. Denn da so viel Wasser im Boden ist, das nicht abfließt, stehen die Pumpen im Dauereinsatz und fehlen mancherorts. Selbst vor der Feuerwehr Völkermarkt läuft eine Pumpe. Ein Schacht bereitet Probleme. Also sprudelt ohne Pause Wasser aus dem Schlauch, der mit der Pumpe verbunden ist.
Black Hawk im Anflug
Gegen Mittag wird der Blick dann wieder gen Himmel gehen. Der Black-Hawk-Hubschrauber des Bundesheeres aus Langenlebarn wird in der Gegend erwartet, um schwere Masten für Arbeiten der Kelag transportieren zu können. Zwei Polizeihubschrauber heben seit den frühen Morgenstunden ohne Pause ab, um Landesgeologen, Feuerwehr oder Bergrettung in abgesperrte Gebiete zu transportieren.
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Fähre für abgelegenen Ort wird erkundet
Das Bundesheer selbst, steht am Sonntag vor allem in Guntschach im Einsatz. Jener Ortschaft, die von der Außenwelt abgeschnitten ist. "Wir werden erkunden, ob es möglich ist, eine 25-Tonnen-Fähre zu aktivieren, um die Bevölkerung zu versorgen", erklärt Bundesheer Sprecher Ralf Gigacher im KURIER-Gespräch.
Die Straße nach Guntschach
Gewitter am Nachmittag
Die Zeit drängt, denn die Wetterprognosen verheißen für den Nachmittag wenig Gutes. Laut Landeskrisenstab werden am Nachmittag punktuell Schauer und Gewitter erwarte. Hauptsächlich betroffen sind die südlichen und südöstlichen Bereiche Kärntens.
Also jene Regionen, in denen die Feuerwehrmänner dann sicher keine Zeit mehr haben werden, um gen Himmel zu blicken.
Bei der Initiative "Österreich hilft Österreich - Hochwasserhilfe" von ORF, Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe gibt es die Möglichkeit, den Betroffenen der verheerenden Unwetter in Südösterreich zu helfen.
Die Spendenmöglichkeiten:
- A1-Spendentelefon: 0800 664 2023 (gratis aus Österreich)
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