Graz, der Horror für Meinungsforscher

Siegfried Nagl will am 5. Februar den ersten Platz seiner ÖVP halten oder ausbauen
In keiner Stadt sind die Wähler mobiler: In einem Monat geht es um die neue Stadtregierung.

Der typische Wechselwähler wohnt in Graz. Unberechenbarer als die 225.000 Wahlberechtigten in der Landeshauptstadt ist so schnell niemand. Bei den Gemeinderatswahlen wählten die Grazer zuletzt mehrheitlich schwarz, bei Landtagswahlen rot. Dafür machten sie Graz bei den Stichwahlen um die Hofburg zur grünsten Stadt Österreichs. Und überhaupt: Nur hier sind Kommunisten die zweitstärkste Kraft.

Für Meinungsforscher sind die Grazer ein blanker Horror, für Parteistrategen aber eine Freude. Denn in Graz sitzen die Wählerstimmen locker, am 5. Februar ist deshalb alles möglich: Eine Mehrheit rechts oder links der Mitte oder ein annähender Gleichstand der vordersten Parteien. Dass die Neuwahl in Graz nur zwei Monate nach der entscheidenden Bundespräsidentschaftswahl stattfindet, macht sie über die Stadtgrenzen hinaus spannend: Es ist der erste Wahlgang nach einem für Österreich selten gewordenen Lagerwahlkampf.

Wer wird Zweiter?

Dazugewinnen wollen alle. Erste Meinungsumfragen regionaler Medien trauen das vor allem der FPÖ zu. Angesichts guter Wahlergebnisse in Bund und Land gibt sich auch Parteichef Mario Eustacchio zuversichtlich. "In Wirklichkeit willst immer Erster werden. Aber dann muss man sich fragen, ob das realistisch ist", sinniert der amtierende Verkehrs- und Sicherheitsstadtrat. "Aber Platz zwei ist ein erreichbares Ziel."

Den will aber Elke Kahr verteidigen: Die KPÖ-Vizebürgermeisterin hält das für "die Stadt und die Menschen für besser. Unser Ziel ist es, vor der FPÖ zu bleiben. Wir sind die einzige glaubwürdige soziale Partei."

Ein Seitenhieb auf die Partei, die sozial schon im Namen trägt: Die SPÖ trudelte seit dem Verlust des Bürgermeisteramtes 2003 in eine Abwärtsspirale. Spitzenkandidat Michael Ehmann ist der sechste Parteichef innerhalb weniger Jahre, für ihn kommt der Wahltag (zu) früh. Die Grünen schicken mit Tina Wirnsberger ebenfalls eine neue Kandidatin ins Rennen. Sie setzen auf deren jugendlichen Elan und den Schwung, den der geglückte Van-der-Bellen-Wahlkampf gebracht hat.

Weniger aufgeregt steigt der amtierende Bürgermeister in den Wahlkampfring. Betont gelassen lässt er Wohlfühl-Sujets affichieren. "Wahlkampf ist meins", lässt Siegfried Nagl wissen. Erfahrung hat der ÖVP-Stadtchef damit hinlänglich. Er tritt zum vierten Mal an, wenngleich nicht immer mit dem vom ihm erhofften Ausgang: 2012 pokerte er hoch und kündigte an, die absolute Mehrheit erreichen zu wollen. Es wurde bedeutend weniger.

Aber Nagl kann die Zahlenspielereien nicht lassen: "Zulegen", gibt er als Devise aus, also mehr als die knappen 34 Prozent von 2012. "Erster bleiben und in allen Bezirken stärkste Fraktion sein. Vielleicht können wir auch die 38,4 Prozent von 2008 wieder erreichen."

Schwierige Kür

Die zersplitterte Parteienlandschaft sorgt dafür, dass es auch nach den Wahlen spannend bleibt. In Graz gibt es keine Direktwahlen: Bleibt Nagl Erster, braucht er andere Parteien, die ihn im Gemeinderat zum Bürgermeister wählen. Dabei war er in der Vergangenheit nicht wählerisch: Nagl paktierte mit Grün, aber auch mit SPÖ und FPÖ und tändelte mit der KPÖ. Allerdings hielten diese Pakte nie über die gesamte Regierungsperiode.

Zehn Listen werden auf den Wahlzetteln stehen. Neben ÖVP, KPÖ, SPÖ, FPÖ und Grünen treten auch die Piraten wieder an, sie hatten bisher einen Sitz im Gemeinderat. Neu dazu kommen NEOS und "WIR" des früheren FPÖ- bzw. BZÖ-Mandatars Gerhard Mariacher sowie die Listen Tatjana Petrovic und Einsparkraftwerk.

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