Razzia in der Nazi-Szene: „Genug Sprengstoff für verheerenden Anschlag“
Bei dem Arsenal an verbotenen Waffen, Rohrbomben und Sprengkapseln, wäre selbst Österreichs bekanntester Terrorist und Bombenbauer, „Briefbomber“ Franz Fuchs, „blass vor Neid geworden“. Angesichts eines hochexplosiven Fundes ist sich der Leiter des nö. Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), Roland Scherscher, dessen sicher. Das „Potenzial“ des Waffenfundes ist für den obersten Verfassungsschützer Niederösterreichs „erschreckend“.
In einem Haus im Bezirk Baden haben Scherschers Leute nach Ermittlungen in der Neonazi-Szene den brisanten Fund gemacht. Bei einem 53-jährigen Mann wurde bei einer Hausdurchsuchung am 8. Oktober ein illegales Waffenarsenal ausgehoben: Kriegsmaterial in Form von Maschinen-, Scharfschützen- und Sturmgewehren, Pumpguns, 1,2 Tonnen Munition und vieles, vieles mehr.
Was die Ermittler noch weit beunruhigender finden, sind die selbst hergestellten Sprengfallen, Rohrbomben und 20 Kilo Schwarzpulver. „Genug, um einen verheerenden Anschlag zu verüben. Dieses Material in falschen Händen ist eine Katastrophe“, heißt es bei der Polizei.
Auf den 53-jährigen Verdächtigen ist man im Zuge der seit Dezember 2020 laufenden Ermittlungen gegen eine Gruppe von Neonazis in Österreich und Deutschland gekommen.
Er soll in Verbindung mit dem 54-jährigen Peter Binder stehen – einer der bekanntesten Neonazis des Landes und einstiger Hauptverdächtiger im Fall der Briefbombenserie.
An Binders Adresse in Guntramsdorf (Bezirk Mödling) machte das LVT erst im Dezember 2020 eine alarmierende Entdeckung. Im Keller lagerte kiloweise TNT, Anti-Personen-Minen, Handgranaten und mehrere vollautomatische Waffen. Wegen der Explosionsgefahr musste damals für die Räumung des Arsenals sogar das gesamte Mehrparteienhaus evakuiert werden.
Binder sitzt seither in Untersuchungshaft. Nachdem Chatverläufe und Datenträger ausgewertet wurden, kamen die Ermittler nach und nach dem Netzwerk auf die Spur. Am 1. Juli kam es deshalb, wie berichtet, zu neun weiteren Hausdurchsuchungen in Niederösterreich, Wien und im Burgenland. Dabei wurden ebenfalls Waffen, Munition und NS-Devotionalien sichergestellt.
Der Kreis der 14 Tatverdächtigen in Österreich und Deutschland ist mit dem 53-Jährigen aus dem Bezirk Baden nun um eine Person reicher. Was im Keller neben den Waffen nicht fehlte, waren diverse NS-Devotionalien – darunter eine Büste von Erwin Rommel.
Aber wieso hortet jemand Sprengstoff, Rohrbomben, Kriegsgerät und Stahlhelme mit Hakenkreuzen?
Eine Antwort darauf blieb der 53-Jährige ebenso schuldig wie seine gleichaltrige Ehefrau. Stattdessen kam eine Stellungnahme vom Rechtsanwalt des Mannes. Der Mandant sei ein geschichtsinteressierter Sammler, mehr nicht.
Eine Erklärung, die der Verfassungsschutz ständig hört, wenn die Keller mutmaßlicher Neonazis einem Führerbunker ähneln. Für Roland Scherscher ist es jedenfalls besorgniserregend, wie leicht es für die handelnden Personen der Szene sein dürfte, an illegale Waffen zu gelangen und Sprengfallen zu basteln.
Es gibt keine Haftgründe
Die weiteren Ermittlungen konzentrieren sich derzeit auf etwaige Hintermänner, die mit der Gruppe in Zusammenhang stehen könnten.
Auch wenn die Bilder beängstigend sind, sind die Anschuldigungen nicht so schwerwiegend, dass man den 53-Jährigen inhaftieren könnte. Er und seine Frau wurden auf freiem Fuß angezeigt. Ermittelt wird laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, Erich Habitzl, aber wegen gerichtlich strafbarer Handlungen nach dem Waffengesetz, Verhetzung, Urkundenunterdrückung und wegen Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz. Da allerdings keine Fluchtgefahr, Tatbegehungs-, Verdunkelungs- bzw. Verabredungsgefahr bestehe, liegen laut Habitzl derzeit keine Haftgründe gegen den Verdächtigen vor. Außerdem ist er gerichtlich bisher unbescholten.
Das Waffenarsenal ist freilich sichergestellt. Die Ermittler sind gerade dabei, die Herkunft des Kriegsmaterials zurückzuverfolgen und die Bezugsquellen auszuforschen.
Kommentare