Explosion in ÖBB-Lokomotive: Dach weggesprengt
Am vergangenen Freitag wurde der Vorfall bei den ÖBB harmlos dargestellt: Ein ungarischer Intercity habe nahe des Bahnhofs Biatorbágy Teile verloren und eine ÖBB-Lokomotive musste deshalb stoppen. Passiert sei de facto nichts, der Zwischenfall habe lediglich eine Verspätung von 38 Minuten zur Folge gehabt.
Tatsächlich dürfte sich die Geschichte ganz anders abgespielt haben, wie dem KURIER zugespielte interne Dokumente und Fotos der ungarischen Feuerwehr belegen. Offenbar hat es eine Explosion (Fachterminus: Druckentladung) in der Lok gegeben, das Dach wurde abgesprengt. Zuvor habe es außerdem eine interne Warnmeldung gegeben.
Laut dem internen Reportingsystem der ÖBB wurden acht Tage vor dem Unfall bereits Probleme mit dem Strom in der Lok festgestellt. "Andauernd fliegt der Hauptschalter" und "einige Sekunden keine Leistungsabgabe, bis die Störung verschwindet; taucht auf und verschwindet nach einer Zeit wieder", ist dort zu lesen. Dieses Problem wurde sechs Tage vor dem Unfall in der Werkstätte in Villach behoben, heißt es bei der Bahn.
Am 14. August schließlich soll gegen 7.00 Uhr in der Früh ein sogenannter Stromrichter die Ursache für die Explosion in der ÖBB-Lok gewesen sein. Dem KURIER vorliegende Fotos zeigen gröbere Zerstörungen innerhalb der Lokomotive.
Zeugen berichten von einem lauten Knall. Teile des Dachs wurden offenbar von dem ungarischen Intercity gestreift. Die ungarische Feuerwehr spricht von einem Kurzschluss als Ursache. Durch die "zerrissene Dachplatte" sei der Eisenbahnverkehr in diesem Bereich vollständig zum Erliegen gekommen.
Sofort war ein Rettungswagen zur Stelle, er musste aber nicht eingreifen, denn glücklicherweise wurde bei diesem Vorfall niemand gröber verletzt. Der Vorfall hatte aber Auswirkungen auf den Zugverkehr der ÖBB in Österreich. Mehrere Züge hatten in der Folge Verspätungen, teilweise noch Stunden nach der Explosion.
Schwere Beschädigungen
Laut dem internen ÖBB-System wurden Fahrzeugkasten, Fahrzeugkasten-Rohbau, die Dachkonstruktion und die Karosserie erheblich beschädigt. Die genaue Höhe des Schadens ist derzeit unbekannt.
Am Donnerstag bestätigten die ÖBB die Recherchen des KURIER und gaben dazu folgendes schriftliches Statement:
Am 14.08.2020, um 06:37 Uhr, kam es in Biatorbágy (Ungarn) zum einem technischen Defekt bei einer Lokomotive (Baureihe 1116.048) eines Güterverkehrszuges. Dieser Defekt wurde am Führerstanddisplay angezeigt, worauf eine Schutzabschaltung stattfand. Im Zuge eines Druckanstieges im Bereich des Stromrichters wurde das Lokdach abgehoben und ist neben der Lokmotive zu liegen gekommen. Ein dort in die Gegenrichtung fahrender ungarischer Zug (Intercity) hat das Lokdach bei der Vorbeifahrt gestreift.
Laut Auskünften wurden die Fahrgäste evakuiert und mit dem Schienenersatzverkehr weitertransportiert. Verletzt wurde bei dem Vorfall niemand. Es kam zu einer vorübergehenden Streckensperre. Der eingleisige Streckenbetrieb konnte um 09:51 Uhr wieder aufgenommen werden.
Die defekte Lokomotive wurde verplombt und befindet sich bereits in Linz, um dort kommende Woche gemeinsam mit österreichischen und ungarischen Behörden untersucht zu werden. Im Rahmen einer Vorfalluntersuchung wird die Ursache des technischen Defektes geklärt werden.
Wir nehmen den Vorfall sehr ernst. Unsere Experten sind vor Ort und werden gemeinsam mit den Behörden eine gründliche Untersuchung der Lokomotive sicherstellen. Mit dieser Baureihe habe die OBB in den vergangenen Jahren mehr als 1 Milliarde Kilometer betriebssicher zurückgelegt. Seit dem Jahr 2000 setzt die ÖBB 332 Lokomotiven der Baureihe 10/1116 in Österreich und allen angrenzenden Ländern Europas ein.
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