2023 - Ein sehr außergewöhnliches Schwammerljahr
„Das ist ein Wahnsinn, das gab es noch nie. Wir haben gerade sechs Kilo Steinpilze im Waldviertel gefunden und das schon im August“, lauten derzeit Einträge in heimischen Pilz-Internetforen. In der Steiermark oder Kärnten gibt es die berühmten Eierschwammerl-Felder, bei denen große Teile des Waldes gelb schimmern.
Statt lange zu suchen, muss man nur die Hände ausstrecken und kann so seine „Beute“ pflücken. Manche zeigen in den sozialen Medien sogar, dass sie (illegalerweise) einen ganzen Kofferraum damit anfüllen.
Sogar Krokodile und Kaiser
Auch Raritätenfunde werden gemeldet:
Mehrere Pilzsucher stießen auf die – wegen ihrer Seltenheit – geschützten Kaiserlinge im südlichen Burgenland. Nahe Graz wurde laut Pilzforum sogar ein Krokodilritterling entdeckt, von dem es bisher erst 32 bestätigte Funde in ganz Österreich gab.
In Mistelbach (Niederösterreich) wurden Anfang März bereits kiloweise Morcheln am Markt verkauft, so früh wie noch selten. Im Donauraum in Wien und Niederösterreich blieben die Morcheln wegen der Trockenheit heuer hingegen eher eine Seltenheit.
Bereits jetzt deutet aber einiges daraufhin, dass es in Österreich das beste Schwammerljahr zumindest seit dem Jahr 2014 wird, das von Experten gerne als „das perfekte Pilzjahr“ bezeichnet wird. 2018 gab es zwar ähnliche Rekordfunde, allerdings nur im Süden Österreichs, der Norden und Westen blieben lange Zeit viel zu trocken.
„Es zeichnet sich ein außergewöhnliches Schwammerljahr ab, weil in den meisten Regionen die notwendige Feuchtigkeit gegeben ist. Gut wäre, wenn die aktuelle Hitzewelle nicht allzu lang weitergeht“, sagt Top-Mykologe Gernot Friebes vom Arbeitskreis Heimische Pilze.
„Es sind Eierschwammerl, Steinpilze oder Täublinge zu finden, und die Parasole schießen derzeit in der Steiermark wie die Raketen aus dem Boden. Das ist darauf zurückzuführen, dass es sehr viel geregnet hat. Ich habe aber auch schon Herbsttrompeten gefunden“, sagt der zertifizierte steirische Pilzberater Josef Petek zum KURIER.
Seit zwei Wochen sind die Pilzfunde unheimlich viel geworden, sagt auch Alexander Hengl vom Wiener Marktamt. „Es gibt Steinpilze und Rotkappen wie Sand am Meer“, sagt er.
Nur in Oberösterreich dürfte das Schwammerljahr mit Verspätung starten, doch Mitte dieser Woche wurden auch hier die ersten Funde gemeldet. „Es hängt davon ab, wo es geregnet hat. Das Mühlviertel leidet unter einer Trockenheit, da sind wir sehr skeptisch“, sagt Otto Stoik, Obmann des Vereins ARGE österreichischer Pilzberater. „Wir waren aber am vergangenen Wochenende am Irrsee und haben dort eine Vielzahl an Pilzen gefunden, die ein gutes Pilzjahr vorhersagen.“ Nachsatz: „Es waren jede Menge Täublinge dabei.“
Verwechslungen bei Steinpilzen
Zwei Kilo Schwammerl isst der Durchschnittsösterreicher jedenfalls pro Jahr. Rund 50 Prozent der Bevölkerung suchen gerne selbst, wobei sich männliche und weibliche Pilzfans beinahe die Waage halten. Mit Abstand am beliebtesten ist das Eierschwammerl, im Westen mitunter auch Pfifferling genannt. Die Vorteile liegen auf der Hand, denn neben dem hervorragenden Geschmack haben diese keine giftigen Doppelgänger.
Steinpilze stehen auf Platz zwei und sind schon ein ganz anderes Kaliber. Zu finden sind die „Steinis“ gerne im Umfeld giftiger Fliegenpilze, die meisten ähnlichen Pilze sind aber eher ungenießbar als gefährlich. Der größte Feind des Schwammerlsuchers sind ohnehin die Fliegenmaden, mitunter ist nur ein Bruchteil des Pilzes tatsächlich verzehrbar.
Insgesamt gibt es – je nach Pilzbuch – bis zu 13 Steinpilz-Unterarten und zahlreiche Pilze, mit denen es Verwechslungsgefahr gibt, etwa mit dem bitteren Gallenröhrling.
Doch der gemeine Gallenröhrling hat im Gegensatz mit dem Steinpilz an der Hutunterseite rosa Röhren und ein dunkelbraunes Netz am Stiel.
Der Steinpilz hingegen hat jung weiße Röhren an der Hutunterseite, die sich später gelb bis olivgrün färben, und er hat ein weißliches Netz am Stil.
„Es kommt immer wieder vor, dass Sammler den Steinpilz mit dem Gallenröhrling verwechseln“, sagt Lebenmittelaufseher Hengl. „Hochprofessionelle Sammler haben wir in Wien weniger, deswegen ist unsere zentrale Pilzberatungsstelle umso wichtiger, die wird auch rege genutzt.“ Sie befindet sich am Wiener Naschmarkt. Bei den Beratungen werden pro Jahr zumindest 500 Giftpilze aus dem Verkehr gezogen.
Riesenschirmlinge
Der drittbeliebteste heimische Pilz ist der Parasol. Er umfasst einige Unterarten, wie den Spitzwarzigen Riesenschirmling oder den Zitzenriesenschirmling; zu dieser Pilzfamilie zählt auch der etwas kleinere Safranschirmling, dessen Fleisch und Stiel sich beim Anschneiden safranrot färben.
Die Parasole haben am Stiel einen Ring, der sich verschieben lässt, und sie zeichnet ein einzigartiger ausgezeichneter Geruch aus. Sie landen meist in Schnitzelform in der Bratpfanne und stellen jedes Kalbsschnitzel in den kulinarischen Schatten.
Laut dem neuen Schwammerl-Atlas „Pilze Mitteleuropas“ gibt es aber bei den Parasolen „drei Spielverderber“, darunter den Gift-Safranschirmling. Mitunter wird der Parasol auch mit den kleinen, aber giftigen Egerschirmlingen vertauscht. Doch auch mit dem hochgiftigen Grünen Knollenblätterpilz, den es auch in einer weißen Form gibt, wird der Parasol von Unkundigen verwechselt.
Während Eierschwammerl selbst von laienhaften Schwammerlsuchern in der Regel zweifelsfrei erkannt werden, ist es bei den rund 160 Täublingsarten, die es in allen Farbschattierungen gibt, schon etwas schwieriger. Viele sind ungenießbar, einige aber hervorragende Speisepilze. „Dazu zählen der fleischrote Speisetäubling, der blau-grün oder violette getönte Frauentäubling oder der grüngefelderte Täubling. Letzterer ist einer der besten“, so Petek.
Die Täublingsprobe
Bei der Bestimmung der Täublinge gibt es einen „Trick“: „Wenn man den gefundenen Pilz zweifelsfrei als Täubling erkannt hat, kann man eine sogenannte Täublingsprobe machen. Man bricht ein fingernagelgroßes Stück vom Pilzhut ab und kaut es eine halbe Minute im Mund. Wenn der Geschmack mild ist, kann man ihn in den Korb zu den Speisepilzen geben. Schmeckt er aber unangenehm bitter oder scharf, ausspucken, er ist nicht als Speisepilz geeignet.“
Die Täublingsprobe sollte man aber bei anderen Pilzarten nicht anwenden. Denn viele Pilze sind gefährlich, selbst manche Speisepilze wie der Perlpilz oder der Parasol sind roh (leicht) giftig.
Von Pilzen, die man nicht eindeutig identifizieren kann, sollte man die Finger lassen. „Es dürfen nur solche Pilze in die Pfanne kommen, die man zu hundert Prozent als Speisepilze erkannt hat“, sagt Petek. „99 Prozent sind zu wenig, weil da kann schon etwas schiefgehen.“
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